Am Sonntag, den 13. Juli, ging es morgens kurz nach 10 endlich nach Lanzarote. Zu unserer Überraschung gab’s noch eine Zwischenlandung in Nürnberg, wo wir noch weitere Fluggäste abholten. Auch dann gab’s noch ausreichend freie Plätze. Die Flieger sind einfach nicht ausgelastet. Die Leut haben nicht mehr soviel Geld zum Verreisen. (Es war diesmal auch kein „schreiendes Volk“ auszumachen, weder am Strand noch unterwegs oder im Hotel. So Leute vom Typus „grölende Kegelausflügler“, meine ich. Die traf man ja sonst überall.)
Dadurch, daß wir vor zwei Jahren ja schon mal auf Lanzarote waren, gingen wir das „Sight-seeing-Programm“ diesmal etwas ruhiger an. Gleich am 2. Tag machten wir noch einmal die geführte Tour durch den Timanfaya-Nationalpark mit und staunten wie beim erstenmal über die unheimliche „Mondlandschaft“, die die Vulkanausbrüche vor 250 Jahren dort geschaffen haben. Auf einer Insel, auf der’s so gut wie nie regnet und keinen Frost gibt, gibt’s halt auch kaum Erosion, und so sind die Lava-massen, die Steinbrocken, Asche-Dünen und Vulkankrater dort fast noch so, wie sie gleich nach dem Ausbruch waren. Es wächst nach wie vor nix außer Flechten und ein paar Kameldornbüschen.
Auch sonst wächst auf der Insel ja nicht viel. Jedenfalls nicht freiwillig. Ob Blumen, Gras, Wein, Zwiebeln oder Kartoffeln: Um jede Pflanze muß ein Mords Tamtam gemacht werden, damit sie überhaupt gedeiht. Wenn’s nach der Insel ginge, ließe sie es sicher bei ein paar störrischen Büschen bewenden … Im Norden hat’s Palmen, aber auch die wurden mit Absicht gesetzt und müssen sicher gepflegt werden.
Wir mieteten uns wieder einen Jeep und tourten nochmal die Highlights der Sehenswürdigkeiten ab: Die schwarzen Strände der Playa de Janubio. Den quietschgrünen Kratersee El Golfo. Die maleri-schen Buchten der Papagayo-Strände, die man nur über eine unwegsame Schotterpiste erreichen kann. Da klapperten beim Autofahren nicht nur die Türen, sondern auch die Zähne … Wir fuhren auch noch-mal in den etwas grüneren Norden der Insel, den wir beim letzten Besuch etwas vernachlässigt hatten und guckten uns die Gegenden an, die wir damals verpaßt hatten.
Wir sind einfach begeistert von diesem kargen Steinhaufen! Gerade weil da nix wächst, hat die Insel ganz irrsinnige Farben. Roten Boden, schwarze Vulkanasche, bräunlich-verdörrtes Gras, knall-weiße Häuschen …
Wir hatten nicht immer strahlenden Sonnenschein. Einige Tage war es auch bewölkt. Und im Norden war’s ganz schön frisch. Das haben wir vollkommen unterschätzt. Vor zwei Jahren war’s knallheiß, weil gerade der heiße Wind aus der afrikanischen Wüste rüberwehte, und heuer erlebten wir erstmals das „richtige“ Klima dieser Insel.
Von Aussteigern, Klimpermusikern, Karawanen und „Schauvöglern“
Von einem Kollegen, der öfter schon auf Lanzarote war, hatte ich ein paar Adressen von Galerien und Gaststätten in Teguise bekommen, und die tourten wir auch ab. In einer Galerie wurden wir im Laufe des Gesprächs vom deutschen Inhaber dann gefragt, ob wir denn auch auf der Insel lebten. An dem Tag müssen wir wohl irgendwie ganz besonders nach Aussteiger ausgesehen haben. Liegt sicher an meinen Birkenstockschuhen oder langen weiten Hippie-Röcken, die meine dicken Kompressionsstrümp-fe verbergen sollen. Oder vielleicht haben wir auch nur einen leicht verrückten Eindruck gemacht, weil wir mit den Galeriekater geknuddelt haben und mit ihm sprachen …
Aber ich kann’s mir gut vorstellen, daß manche Leute auf der Insel hängenbleiben. Man könnte sich finanziell sicher irgendwie über Wasser halten. Als Kammerjäger, Teppichreiniger oder Fensterput-zer, als Kellner oder Kneipenwirt. Es gibt kaum Kneipen mit gescheiter Musik … Es würde mich auch mal jucken, den Service in einem Hotel auf die Spitze zu treiben. Als Chefin wäre ich sicher ein Rabenaas. Bei mir gäb’s kein verschnarchtes „mañana“ ( = morgen). Da müßte alles sofort sein! Ich könnte aber auch meine Werbetexte auf Lanzarote schreiben und dann mit dem Computer per E-Mail an die Firmen in Deutschland schicken …
Eine Künstleragentur, die sich mal um die musikalische Grundversorgung in den Hotelanlagen kümmert, wäre da sicher auch nicht fehl am Platze. Was wir nämlich übel fanden, war, daß in unserem Hotel Abend für Abend, 7 Tage in der Woche, ein und dieselbe Band von Klimpermusikern ein und dasselbe musikalische Repertoire vergewaltigte. Nach drei Tagen kannste es auswendig, nach fünf Tagen nervts. Nach 10 Tagen biste reif für einen Massenmord. Wir flohen dann nach dem Abendessen in die Stadt und landeten im Hardrock-Cafe …
Ein Hotel, so dachte ich mir, muß doch gesteigertes Interesse daran haben, daß die Leute auch abends dort bleiben, an der Bar tüchtig konsumieren und Umsatz machen. Und nicht das Geld in die Stadt tragen. Ergo kann es nicht im Interesse des Hauses sein, daß so eine Klimperlesband die Leute aus dem Hotel hinauslangweilt.
Den Leuten in anderen Hotels muß es doch mit ihrer immergleichen Hausband haargenauso gehen. Also wäre mein Vorschlag, daß man eine Reihe von Hotels zu einer Gruppe zusammenfaßt und dort ver-schiedene Bands reihum „rotieren“ läßt. Wenn jeden Abend andere Musiker ins Hotel kommen, dann haben die Gäste täglich ein neues Programm, werden nicht von dem ewiggleichen Sound aus dem Hotel gegrault – und alle sind zufrieden. Wenn nach zwei oder drei Wochen das Rotationsprogramm mit Band 1 wieder von vorne anfinge, wäre das auch kein Drama. Denn länger als 2 Wochen sind eh die wenigsten Gäste da.
Schon furchtbar, oder? Da fang ich sogar schon im Urlaub zum Organisieren an! Wo ich geh und steh wittere ich Geschäftsideen!
Wir haben ja wieder im selben Hotel gewohnt wir vor 2 Jahren. Seit vorigem Jahr sind 2 neue Geschäftsführer da. Die haben einiges umgebaut in dem Laden. Das schaut jetzt besser aus – aber dafür hat der Service etwas nachgelassen. Vielleicht lag’s aber auch nur daran, daß wir diesmal nicht mit TUI dort waren, sondern mit Airconti ( = Neckermann). Als TUI-Kunde genoß man schon voriges Mal vom Service her einige Privilegien, die dem gewöhnliche Feld-Wald-und Wiesen-Touri verwehrt waren.
Wie ich schon sagte: Diesmal gab’s gar kein grölendes Volk. Mithin auch nicht so viel zu lästern … Was unsere Tischnachbarin und mich nur neugierhalber bewegte: War das Paar vom Nebentisch nun Vater und Tochter oder Freund und Freundin? Er war sicher schon um die 40, und wenn sie 16 war, dann war’s viel … Gerhard sagte, er hätte sie irgendwo mit einem jüngeren Hotelgast rumknut-schen sehen. Und er dachte, er hätte gehört, wie sie ihn Papa nannte. Sonja, unsere Tischnachbarin, dagegen schwor, sie hätte das Mädel und ihren älteren Reisebegleiter Hand in Hand zum Frühstück marschieren sehen und auch herumknutschenderweise am Pool. „Irgendwas stimmt da nicht“, meinte sie vieldeutig. Tja … das hätt mich jetzt wirklich interessiert. Und ich werd’s nie erfahren!
Sonst gab’s nicht viel interessante Gäste. Drei auffallend häßliche und aufgedonnerte Kohlen-pott-Damen fallen mir da noch ein. Zwei klapperdürr und blondgefärbt und offensichtlich schon fa-cegliftet. Und die dritte … ja, man stelle sich die Politikerin Jutta Dithfurth grell gekleidet und ge-schminkt mit schwarzgefärbten Haaren vor. Das kommt dann so ungefähr hin. Gerhard nannte die drei Grazien immer „Die Hexen von Eastwick“. Nach dem Hollywoodfilm mit Jack Nicholson. Dabei waren die drei Kino-Hexen ja durchaus attraktiv. Gespielt von Cher, Michelle Pfeiffer und Susan Sarandon, glaube ich.
Einen Hotelgast nannten wir nur den „Schleicher“. Ein chronisch schwarzgekleideter Mensch, der abends immer leicht irren Blicks durch das Hotelgelände streifte wie der Würger von Soho auf der Suche nach seinem nächsten Opfer. Manchmal redete der auch noch mit sich selber. Hätte mir einer erzählt, das wäre der Kettensägenmörder, ich hätte es geglaubt. Eine unheimliche Figur!
Dann gab’s noch den „Knittermaxe“. Der war jeden Tag anders gekleidet, aber alle seine Kla-motten waren hoffnungslos zerknittert. Das sah aus, als hätte er das Zeug aus dem Trockner gezerrt und in seine Reisetasche geknüllt – und dann genau so wieder angezogen. Diese Klamotten hatten garantiert weder ein Bügeleisen noch einen Kleiderbügel gesehen!
Am Strand haben wir ein eigenartiges Schauspiel bewundert: Eine Gruppe von 7 Erwachsenen und einer unüberschaubaren Anzahl Kinder fiel dort ein und schlug ihr Lager auf. War interessant, was die da alles mit hatten: 3 Sonnenschirme, 2 Regiestühle, diverse Liegestühle, ein paar Luftmatratzen, Kühltaschen ohne Ende, Klamotten, Decken, Badetücher, Schwimmhilfen und Spielkram für die Kinder, mehrere Sandschippen und zwei große Gießkannen … ach, Furz und Feuerstein eben! Irgendwie hatte man dabei immer das Gefühl, der Krempel würde sich stündlich vermehren. Fehlte eigentlich nur noch ein Lagerfeuer, das Notstromaggregat mit Radio und Fernseher – und ein Zelt.
Mich hätte immer interessiert, wie die den ganzen Hausrat an den Strand runterschleifen. Das ist ja doch eine ganz nette Strecke! Und vor allem: Den Schmonzes müssen die ja irgendwie nach Lanza-rote eingeflogen haben!
Eines Abends haben wir dann neugierhalber die Auflösung des Lagers ausgesessen: Irgendwann blies der Karawanenführer zum geordneten Rückzug. Jeder stand auf und griff sich zielsicher und mit sichtlich routinierten Handgriffen seinen Anteil an dem Krempel. Nach 10 Minuten war das Lager ratzekahl abgeschlagen und die Karawane wankte schwerbepackt in Richtung Hotel. Ich hätte brüllen können!
Den letzten Begriff aus der Überschrift muß ich jetzt aber auch noch rasch erklären. Also: An einem Abend, als wir uns ins Hardrock-Cafe verkrümelt hatten, fiel uns da ein Pärchen auf, das sich an exponierter Stelle an die Bar setzte. Niemand in dem ganzen Laden konnte an ihnen vorbeigucken. Da hätte man sich schon vorsätzlich mit dem Rücken zur Tanzfläche setzen müssen.
Sie war der Prototyp der blonden Friseuse aus den Manta-Witzen – in einem schwarzen Minikleid mit dem sie sich bestimmt nicht bücken konnte, so kurz war das. Und er war so der Typ „rasierter Gorilla“ mit Muscle-Shirt. Die zwei zogen eine Show ab, das war schon mega-peinlich. Und so schnell ist mir nix peinlich!
Die kamen zusammen in die Bar und knutschten und fummelten dann drei Stunden lang miteinander rum, daß man nicht wußte, ob man lachen oder weggucken sollte. Ich dachte, der packt die jetzt gleich auf offener Szene auf’m Barhocker. Naja, den Rock hätte man ja dazu wenigstens nicht mehr hochschieben müssen … Das war wirklich schon „Schauvögeln“. Mann kann’s nicht anders nennen. Als sie dann endlich miteinander abzogen, gab’s vereinzelten Applaus im unfreiwilligen Publikum.
Ich hab’s, ehrlich gesagt, nicht ganz begriffen. Wozu der Zirkus? Die haben sich ja nicht erst an der Bar kennengelernt. Also hätten sie doch gleich in die Federn hüpfen können, wenn sie das eh vorhatten! Was mußten die sich erst drei Stunden lang an der Bar zur Schau stellen? Der Öffentlichkeit die Beute präsentierten? Seht her, was ich Tolles abgeschleppt hab? Weia! In so einem Fall juckt’s mich immer, hinzugehen und zu fragen: „He, Mann, kannste deine Alte nicht zu Hause f…..?“ Aber wahrscheinlich würde man da eine aufs Maul kriegen.
Genug abgelästert. Katzen hab ich diesmal keine mitgebracht. Nur zwei T-Shirts mit Katzen drauf. Die haben dort alle streunenden Tiere ausgerottet. Ich hab nur vereinzelt Katzen und Hunde gese-hen, aber die trugen alle Halsbänder und gehörten jemandem. Da hat unser Blacky nochmal Glück gehabt, daß wir ihn damals mit nach Hause genommen haben! Sonst wäre er heut schon im Katzenhimmel!
Ich hab jede Menge Bücher gelesen, am Strand und am Pool. Dabei lag ich völlig neben dem Trend. Ich gucke immer, was die anderen Urlauber lesen. Und heuer hatte fast jeder ein Buch von Barbara Wood oder Stephen King. Wirklich, das war auffallend! Ich hab aber unverdrossen meine histori-schen Romane, meine Fantasy-Stories und Krimis gelesen, Trend hin oder her. Und die Bildzeitung!
Ich war tatsächlich so meschugge, vor meiner Abreise nach London mit meinem Kollegen zusammen einen Dauerlottoschein auszufüllen. Von dem Schein habe ich eine verkleinerte Kopie gemacht und die in meinen Geldbeutel getan. Und der Geldbeutel kam natürlich mit nach Lanzarote. Montags verglich ich immer die Lottozahlen in der BILD mit den Zahlen auf meiner Kopie. Wir bleiben aber weiterhin arme Schweine. Einen Dreier haben wir. Gibt leider nur ein paar Mark fuffzich … Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben!
Ich denke, wir werden vermutlich nicht zum letzten Mal auf Lanzarote gewesen sein. Einer meiner Onkels, auch ein Lanzarote-Fan, meinte, wir sollten mal im Frühjahr hinfahren, da wäre die Insel wenigstens ein bißchen grün. Das hätte auch was. Mal sehen … Kommt ja immer auch drauf an, ob und wie lange wir noch Arbeit haben. Das weiß man ja nie.