Lanzarote 2007: Die Insel der schlafenden Vulkane, Teil 2 – neu

Lanzarote 22.07 – 31.07.2007
Die Insel der schlafenden Vulkane – Teil 2

Donnerstag, 26. Juli 2007: Plane-Spotting

Nach so viel Ausflugsprogramm tapern wir heute mal wieder durch die nähere Umgebung. Geht’s nicht auch rechts den Strand entlang …? Wir probieren es. Gerhard meint, sich an Strandwanderungen bis zu einem Leuchtturm hin zu erinnern. Ich auch – aber das war nicht auf Lanzarote. Hier ging es rechts rum noch nie irgendwo hin. Man stieß immer recht schnell auf umwegsames Gelände voller spitziger Steine. Und daran hat sich auch nichts geändert. Also Kehrtwende und wieder links rum, Richtung Flughafen. Erst am Strand entlang mit den Füßen im Wasser, und wenn das steinige Gelände anfängt, setzen wir mit sandigen Füßen den Weg oben auf der Strandpromenade fort.

Eine Dreiviertelstunde sind wir zum bzw. vom Flughafen unterwegs, wenn wir nur auf der Strandpromenade unterwegs sind. Geht man auch am Wasser kommt man etwas langsamer voran.

Wenn die Eisenbahn-Beobachter „Trainspotter“, sind die Flugzeugbeobachter dann „Planespotter?“ Es wäre logisch. Und wenn es den Begriff bis heute noch nicht gegeben haben sollte, dann gibt es ihn jetzt. Es ist erstaunlich, wie viele Leute sich in unmittelbarer Flughafennähe versammelt haben, einfach um die Flugzeuge starten und landen zu sehen. Einige Besucher haben Ferngläser dabei, andere höchst eindrucksvolle Kameraausrüstungen.

Unbeeindruckt von Lärm, Kerosingestank, aufgewirbeltem Sand und Steinchen kleben manche der Planespotter wie die Fliegen am Flughafenzaun.

Ich bin in Flughafennähe aufgewachsen, ich hab kein so großes Interesse an dem Geschehen. Ich setze mich auf eine Mauer und beobachte lieber die Beobachter. Das Hobby muss erblich sein – man sieht oft Väter mit ihren Söhnen begeistert in den Himmel starren.

Einschließlich Planespotting-Pause sind wir drei Stunden unterwegs. Zurück im Hotel setzen wir uns erst mal in den Schatten an die Bar und tanken Wasser. Und dann geht’s ab in den Pool. Innerliche und äußerliche Kühlung, sozusagen.

Fürs Abendessen haben wir uns in dem Grillrestaurant auf dem Hotelgelände angemeldet. Man muss ja fast alles mal ausprobiert haben. Es gibt ein Salatbuffet, Wrackbarschfilet und Countrykartoffeln und Nachtisch vom Buffet. Nicht schlecht, aber auch kein Service, also ebenfalls Kantinenatmosphäre.

Während wir uns nach dem Essen draußen auf dem Gelände wieder an Katzenporträts versuchen und den Birmakatzenmischling „Liz Taylor“ wieder nicht zu einem Blick in die Kamera überreden können, springt ein verkleideter Animateur durchs Gelände und wirbt für eine Abendveranstaltung. In dem Kostüm sieht er aus wie Daniel Küblböck im Fummel. Nun zickt auch noch die Kamera und wünscht, gereinigt zu werden. Wir hoffen, dass sie am nächsten Tag anständig ihren Job macht, wir wollen ja zum Biosphären-Ausflug und durch Vulkankrater klettern.

Freitag, 27. Juli 2007: Biosphären-Tour: Wir kraxeln durch Vulkane

Wir starten um 8:20 Uhr. Der erste Bus in unserer Urlaubergeschichte, der überpünktlich ist! Diesmal ist es ausnahmsweise nicht der Bus Nr. 61 sondern ein anderes Fahrzeug, und unser Fahrer heißt Honorio. Jürgen Sobeck vom Veranstalter Viajes Lanzakultura S.L. ist ein erfahrener Reiseleiter und gibt zunächst mal einen Ausblick auf den Verlauf des Tages:

Wir fahren zum Parque Natural de los Volcanos und steigen dort in den Krater des Caldera de los Cuervos (Rabenkessel) hinab. * Danach geht es zum Montana Colorada, wo, wie Herr Sobeck sagt, eine Überraschung auf uns wartet * Weiter geht es in den Norden, nach La Caleta de Famara zu einem kurzen Stopp an den Playa de Famara. * Nach Teguise ins Castillo Santa Barbara * Mittagessen im Restaurant Acacife in Teguise * Dann ist ein Spaziergang zu Lanzarotes einzigem Wäldchen angekündigt. (Spaziergang!) * Und zum Schluss besuchen wir César Manriques Kaktusgarten.

Bei einem Blick aus dem Fenster sehe ich die Aufschrift auf einem Linienbus: NO SINTI.
Wie bitte? Keine Zigeuner? Sowas Diskriminierendes kann doch unmöglich auf einem Bus stehen! Wohl wieder ein Fall von verzerrter Wahrnehmung. Ich gucke also noch mal hin: Aha! NO SIN TI – nicht ohne dich! Schon besser. Jetzt sehe ich auch die Illustration darunter: Ein kleines Mädchen mit gesunden Beinen spielt Ball mit einem Mädchen im Rollstuhl. Aha. Ein Appell an die Integration von Menschen mit Behinderung. Sehr löblich!

Auf dem Weg zu den Vulkanen erfahren wir allerhand Wissenswertes. Zum Beispiel, dass die Urbevölkerung Lanzarotes keineswegs Guanchen waren sondern Mahoreros. Und dass es erst seit den letzten Vulkanausbrüchen Weinbau auf der Insel gibt.

Wir kommen am Grandhotel Arrecife vorbei, das 17 Stockwerke hat. Später erbaute Hotels haben dank des Einflusses von César Manrique nur noch bis zu 6 Stockwerke, so dass der Insel die Mega-Bettenbunker erspart blieben.

Dass es männliche und weibliche Mühlen gibt (Molinos und Molinas) wissen wir schon lange. Nun wissen wir auch, wie es zu der Bezeichnung kommt: Die steinernen Molinos sind derber gebaut und schwerer zu handhaben als die leichter gebauten Molinas. Erstere konnten nur von Männern bedient werden, zweitere auch von Frauen. Damit wäre das auch geklärt

Unter der kundigen Führung von Herrn Sobeck wandern wir durch eine bizarre Mondlandschaft und nähern uns dem Caldera de los Cuervos. Für Leute wir uns, die in der Vulkanologie völlig unbewandert sind, gibt es hier ganz schön viele Informationen. Wir können das alles gar nicht verarbeiten.

Das eine oder andere bleibt doch hängen. Dass hier Wilder Tabak wächst, zum Beispiel, denn Tabak folgt dem Feuer. Und dass das, was im Timanfaya-Nationalpark über die Vulkanausbrüche erzählt wird, auf dem Wissenstand von vor 20 Jahren ist. Mittlerweile hätte man in vielem neue Erkenntnisse, was z.B. die Dauer der Ausbrüche angeht. Aber wo genau die Unterschiede liegen, das kann ich nicht mehr reproduzieren, das ging mir alles zu schnell. Aber vielleicht kann ich das ja eines Tages alles nachlesen, denn Herr Sobeck hat ein Buch geschrieben … doch dazu später mehr.

Wir lernen, was Basalt ist: Es handelt sich um erkaltete Lava in verschiedenen Formen. Das Gestein ist fest und dunkelgrün bis grauschwarz. Fast der gesamte Boden der Insel besteht aus basischem Vulkangestein.

Magma heißt die glutflüssige, gashaltige Masse, die als Lava an die Erdoberfläche gelangt. Die Temperaturen liegen zwischen 1100 und 1300 ºC.

Lava nennt man den glutflüssigen Gesteinsbrei, der mit einer Geschwindigkeit von mehreren Metern pro Sekunde fließt. Ein erkalteter Strom wird auch als Lava bezeichnet. Lava verfestigt sich bei ca. 1.100 ºC, bei 760 ºC etwa erstarrt sie.

Wo die Lava erkaltet, bildet sie verschiedene Formen:

Pahoehoe – ein hawaiianischer Begriff – bezeichnet eine glatte Lava, auf der man barfuss gehen kann, ohne sich an den scharfkantigen Steinen zu verletzten.

Brocken-, Block- oder Fladenlava entsteht, wenn die einzelnen Lava-Blöcke von nachrückender Lava zusammengeschoben werden. Die Lavamasse erkaltet langsam und erstarrt. Unterhalb fließt die heißere, dünnflüssigere Lavamasse oft noch weiter. So entstehen Höhlengänge wie die im Malpais de la Corona.

Aa-Lava – auch eine Form der Brockenlava – hat nix mit Stuhlgang zu tun. Aa-Lava ist von den verschiedenen Lava-Arten die zähflüssigste Form. Ihr Name gibt den Laut wieder, den man ausstößt, wenn man barfuß über die erstarrte Lava geht. Er stammt aus dem polynesischem Sprachraum. Bei der Erstarrung des Schmelzflusses zerbricht dessen Kruste und hinterlässt eine Oberfläche, die mit scharfkantigen, ungleichmäßig geformten Brocken und Schollen durchsetzt ist. Am Ende des Stromes bildet sie eine steile Front.

Die Stricklava ist stark basaltisch, dünnflüssig und recht schnell fliessend. Die Lava erkaltet außen, innen fließt sie aber weiter. Dadurch entstehen die Wülste, die der Lava den Namen gaben.

Als Malpais (span. schlechtes Land) bezeichnet man durch Lavaströme unwirtlich gewordenes Gebiet.

Der Olivin ist ein olivgrünes Mineral aus Eisenmagnesiumsilicat. Es findet sich in kieselsäurearmen vulkanischen Gestein und ist ein begehrtes Souvenir aus Lanzarote. Als Peridot bezeichnet man geschliffenen Olivin. Es ist kein Halbedelstein, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Der Begriff Halbedelstein ist per se Unfug. Entweder ist was ein Edelstein oder es ist keiner. Außerdem bestätigt der Reiseleiter, was ich schon seit Jahre vermutet habe: Der Peridot-Schmuck, der auf Lanzarote angeboten wird, wird aus importierten Steinen gefertigt.

Parasitär-Krater sind sozusgen Nebenkrater, die entstehen, wenn die Lava nicht nur aus dem Hauptkrater austritt sondern aus Spalten an der Flanke. Auf diesen Eruptionsspalten entstehen aus den ausgeworfenen Pyroklastika Schlackenkegel, die als Parasitärkrater bezeichnet werden.

Pyroklastisches Material/Pyroklastika ist/sind das Auswurfmaterial von Vulkanen. Je nach Größe spricht man von Asche (bis zu 0.2 cm Durchmesser), Lapilli (auch Picon genannt, bis zu 6.5 cm Durchmesser), Schlacken (über 6.5 cm Durchmesser) oder Vulkanbomben (können die Größe von Findlingen besitzen).

Anschauungsmaterial gibt es in der Gegend genügend. Kletterkünste braucht man für den Abstieg in den Krater des Caldera de los Cuervos“ („Rabenkessel“) übrigens nicht. Nur festes Schuhwerk. Das wird auch ausdrücklich erwähnt, wenn man die Tour bucht. Mit Badelatschen sieht man da alt aus. Auf einem gut begehbaren Weg (ca. 2 km) geht es im Gänsemarsch hinein. Da steht man dann da unten drin im Krater, guckt rund ums sich herum nach oben und wagt gar nicht, sich vorzustellen, dass es hier lavatechnisch mal mächtig rundgegangen ist.

Mit dem Bus fahren wir anschließend in Richtung Montana Colorada, die letzte Strecke gehen wir zu Fuß. Unterwegs kommen wir noch in den Genuss einer kleinen Gesteinskunde mit Proben, die der Reiseleiter mitgebracht hat.

Entlang des Weges lassen sich deutlich die Vulkanbomben erkennen: Unter hohem Druck werden bei Vulkanausbrüchen mitunter riesige Gesteinsmassen herausgeschleudert die dann in einer Rotation zu einer runden Form erstarrt. Herr Sobeck nennt die Gebilde auch Akkretions-Kugeln, weil sie unterwegs noch wie ein Schneeball Material aufsammeln. Die größten dieser Vulkanbomben haben einen Durchmesser von bis zu vier Metern und wiegen ca. 50 Tonnen. Als wir am rötlich schimmernden Vulkan Montana Colorada ankommen, sehen wir auch die versprochene Überraschung: eine besonders stattliche Vulkanbombe mit einem Durchmesser von ca. 4 Metern. Also definitiv eins der größeren Trümmer. In einem Reisebericht hat ein Autor die Vulkanbomben von der Form her mit Schokoladenküssen verglichen. Was fällt einem dazu spontan ein, so als Werber? „Mann, sind die Dickmann!“

Da möchte man auch nicht in der Nähe sein, wenn so ein Teil geflogen kommt.

Kleiner Tipp am Schluss: Es empfiehlt sich nicht nur festes Schuhwerk, sondern auch Bootcut-Jeans, die – wie bei der guten alten Zunftkleidung der Zimmermänner – die Schuhe bedecken. Meine Jeans waren am Fuß zu eng und zu kurz geschnitten – bei mir landeten immer wieder spitze Steinchen in den Schuhen.

La Caleta de Famara
Weiter geht’s in den Norden in das ehemalige Fischerdorf Caleta de Famara und den Naturstrand Playa de Famara. Mit 5 km der längste Strand der Insel

Unterwegs erfahren wir, dass man die hellen Sandfelder, die man beim Näherkommen schon sieht, Jablas heißen und eine Fläche von 40qkm bedecken. Das ist Seesand und kein Sand aus der Wüste, wie oft fälschlich erzählt wird. Die Muscheleinsprengsel sind der Beweis. Diese Art von Sand gibt es nicht nur auf Famara, sondern auch an den Palagayo-Stränden auf Lanzarote sowie in der Region Maspalomas auf Gran Canaria sowie in Corralejo auf Fuerteventura.

An der Playa de Famara weht fast immer eine kräftige Brise, verbunden mit dem entsprechenden Wellengang. Das macht den Strand zum Eldorado der Wassersportler. Wegen tückischer Unterströmungen sollte man jedoch nicht weit hinaus schwimmen.

Bei uns geht es nicht ums Schwimmen, sondern nur um eine kurze Fotopause – verbunden mit der eindringlichen Warnung, nur ja nicht in den Sand zu latschen, da es dort Teerablagerungen gebe, die man dann an den Schuhen mit den den Bus schleppe. Das Resultat seien ruiniertes Schuhwerk und ein eingesauter Bus. Ein angesäuerter Busfahrer obendrein … aber das haben sie nicht ausdrücklich erwähnt.

Also bleiben wir mehr oder weniger brav auf dem Asphalt stehen, fotogafieren ein bisschen und steigen dann wieder in den Bus um nach Teguise weiterzufahren – zur Mittagspause.

Mittagspause in Teguise
Gegen 12 Uhr kommen wir in Teguise an. Im Restaurant Acacife sind für uns Tische reserviert. Es ist eines der ältesten Restaurants auf der Insel und war immer in Familienbesitz. Es gibt Linsensuppe mit Gofio, frische Brötchen, Fisch, Kartoffeln und Mojo, dazu Wasser und Weißwein. Und als Nachtisch Obst. Den Reiseleiter ereilt eine Warnung von der Gemeinde: Eine Hitzewelle ist im Anmarsch. Es wird von Minute zu Minute heißer werden. Wir nehmen zusätzliche Wasservorräte mit für die weiteren Stationen unseres Ausflugs.

Nach dem Essen steht uns noch ein bisschen freie Zeit zur Verfügung, die wir für Fotos in einem anderen Licht nutzen als bei unserem letzten Besuch. Um 13:45 Uhr sitzen alle wieder im Bus.

Castillo Santa Barbara
Die zunehmende Hitze ist deutlich zu spüren, als wir oben beim Castillo Santa Barbara aussteigen. Vor 11 Jahren hatten wir die Burg schon mal besucht, in Eigenregie, und auch das dortige Auswanderermuseum entdeckt und besucht. Das steckte damals noch ganz in den Anfängen und war auch nur auf Spanisch beschriftet, so dass wir nur einen Bruchteil dessen mitbekamen, was uns da erzählt werden sollte. Das fanden wir damals bedauerlich und dachten, da könnte man doch viel mehr draus machen. Irgendwann mal sind die Verantwortlichen wohl zum selben Schluss gekommen.

Das Castillo de Santa Bárbara, auch Castillo de Guanapay genannt, ist eine Festung östlich von Teguise und 135 Meter über der Stadt auf dem Vulkan Guanapay gelegen, 452 m über dem Meeresspiegel. Sie gleicht einer Ritterburg, besitzt eine Zugbrücke und kleine Rundtürme.

Anfang des 14. Jahrhunderts wurde auf dem Vulkan Guanapay das kleine Fort Guanapay errichtet. Im 16. Jahrhundert wurde eine Festung auf den Resten des alten Forts von Sancho de Herrera erbaut, um die Stadtbevölkerung vor Piraten-Überfällen zu schützen. Jedoch verursachte die Belagerung durch Piraten im Jahre 1586 große Schäden.

Das spanische Königshaus beauftragte Leonardo Torriani mit ihrer Rekonstruktion. Seit 1596 behielt die Festung ihre Struktur. Der im 17. Jahrhundert durchgeführte Ausbau, gemäß dem Projekt Torrianis, verstärkte die Struktur der Festung. In der Caldera, dem Kessel des Vulkans, sind heute noch Reste einer Zisterne aus dem 18. Jahrhundert zu erkennen. Der strategisch gut ausgewählte Standort sollte weiterhin die Bewohner von Teguise vor Piratenangriffen warnen und schützen. So kann man bis zur West- und Ostküste Lanzarotes, zur heutigen Inselhauptstadt Arrecife, zum Timanfaya-Nationalpark im Süden und zur Insel La Graciosa im Norden sehen. Trotzdem fiel die Festung mehrmals in die Hände von Piraten und wurde zerstört.

Wir machen tolle Fotos vom Castillo selbst – und natürlich von der Landschaft drum herum. Man sieht wirklich unendlich weit von da oben.

Im Castillo de Santa Bárbara befindet sich seit 1991, nach zweijähriger Renovierung, ein Emigrantenmuseum (Museo del Emigrante Canario), welches nach Unterlagen der Gemeindearchive und ehemaliger Auswanderer eingerichtet wurde. In den Räumen können Fotos, Stiche, grafische Darstellungen, Originalkarten, Briefe und Habseligkeiten der Auswanderer, sowie Nachbildungen der Emigranten-Schiffe jener 250 Familien besichtigt werden, die um 1880 wegen einer Dürrekatastrophe nach Kuba, Venezuela, Florida und Argentinien ausgewandert sind.

Das Museum sehr verwinkelt und interessant. Fotografien, Dokumente, Schiffsmodelle, Tagebücher und vieles andere mehr zeigen die Geschichte der damaligen Auswanderer. Damals war das ein Abschied für immer. Wer heute auswandert und die nötigen Kröten zusammenkratzen kann, kann seine Angehörigen in der alten Heimat bei jeder sich bietenden Gelegenheit besuchen. Die Auslandsverwandtschaft sieht man ja heute oft häufiger als die Verwandten, die im Nachbarort wohnen. Wenn der Onkel aus den USA oder aus Australien kommt, dann rennt die ganze Verwandtschaft zusammen. Nach denen, die man jeden Tag sehen könnte, wenn man wollte, kräht in der Regel kein Hahn. Wer jedoch damals ins Ausland ging, der war für den Rest seins Lebens weg. Und gab seine alten Bindungen für immer auf.

Wir halten uns geraume Zeit in dem Museum auf, studieren die Exponate – und finden dann den Ausgang nicht mehr. Treppenaufgänge gibt es viele, aber keiner scheint wieder hinunter zu führen von der Burg. So langsam werden wir nervös – der Bus wartet ja schon. Er würde sicher nicht ohne uns fahren, aber die Vorstellung, dass die anderen alle auf uns warten müssen, ist uns extrem unangenehm. Ehe ich restlos in Panik verfallen kann, finden wir in diesem Fuchsbau dann doch das richtige Loch und finden uns rechtzeitig am Bus ein.

Das Wäldchen und der Mirador Riscos de Famara
Einen „Spaziergang“ hatte uns der Reiseleiter für die Zeit nach dem Mittagessen versprochen. Es wird ein recht anstrengender Marsch – vor allem der Rückweg -, denn mittlerweile hat uns die Hitzewelle voll im Griff.

Mitten in der Einöde hält der Bus und wir steigen aus. In größter Hitze latschen wir querfeldein, vorbei an einer Baustelle, auf der Bauarbeiter unverdrossen an einem Haus werkeln, und tapern noch tiefer in die Pampa. Und immer feste bergauf. Irgendwann mal kommt der Punkt, an dem ich mich frage, was zur Hölle ich hier eigentlich mache. Und an dem ich hoffe, dass sich die Latscherei in der Gluthitze in irgendeiner Form lohnen möge.

Mit El Bosquecillo, dem Wäldchen, ist nach dem Sturm von 2005 nicht mehr viel los. Ein paar strubbelige, niedrige Bäumchen, das ist alles, was noch davon übrig ist. Es muss auch ordentlich gewettert haben, wie der Reiseleiter erzählt. Eh ein Wunder, dass überhaupt noch was übrig ist von dem Gesträuch.

Es geht noch ein Stückchen weiter bei der Affenhitze, zu einem Picknickplatz hoch oben über den Famara-Klippen (600 m). Hier trifft man wochentags höchstens mal auf einzelne Wanderer oder Ausflügler. An Wochenenden kommen einige Einheimische zum Picknicken und Grillen her. Holzbänke, Grillplätze und Mülleimer sind vorhanden. Nur ein altes, unscheinbares Holzschild weist den Weg zu diesem nur 1.300 Meter jenseits der Asphaltstraßen gelegenen, traumhaften Ausflugsziel, das nur in wenigen Reiseführern erwähnt wird.

Gelohnt hat sich der Weg zum Mirador Riscos de Famara wegen des phantastischen Ausblicks: Die Klippen fallen fast 600 m steil ab. Vom Hochplateau hat man eine wunderschöne und atemberaubende Aussicht auf die Feuerberge, Famara sowie auf La Graciosa mit Nachbarinseln.

Die Aussicht und der Wind auf den Klippen oben lenken von Hitze und Durst ab – und dann kommt der Rückmarsch. Der geht so stramm vonstatten, dass ich mich nicht mal stehen zu bleiben getraue, um die Wasserflasche aus dem Rucksack zu pulen und einen Schluck zu trinken. Wenn ich den Anschluss an die Gruppe verliere, gehör ich der Katz – ich finde den Bus im Leben nicht wieder.

Geschafft und verschwitzt, sonnenverbrannt und durstig kommen wir schließlich wieder zum Bus. Und sind dankbar für Wasservorrat, Schatten und die Klimaanlage.

Eigentlich hätten wir jetzt genug, aber es kommt noch ein Programmpunkt. Und wenn es wieder was zu sehen gibt, kommt auch die Energie zurück. Jedenfalls bei manchen Menschen

Jardin de Cactus – der Kaktus-Garten
In einem alten Steinbruch zwischen Guatiza und Mala wurde der „Kaktus-Garten“ angelegt, eines der letzten Werke von César Manrique. Vor dem Eingang steht das Wahrzeichen, ein acht Meter hoher Kaktus aus Metall.

Hier findet man Kakteen aus Amerika, Afrika und den Kanarischen Inseln in den verschiedensten Formen und Größen. Der Garten ist in Form eines großen Amphitheaters terrassenförmig angelegt, die Wege und Stufen bestehen aus Vulkangestein. Auf den Stufen wachsen die Kakteen – fast 10.000 Exemplare von über 1.400 verschiedenen Spezies aus Amerika, Madagaskar und der Kanarischen Inseln, die vom Botaniker Estanislao González Ferrer, gesammelt wurden. Jede Pflanzenart ist mit einem Schild beschriftet, so dass man immer genau weiß, wen man da gerade vor sich hat. Einen didaktischen Zweck hat der Kaktusgarten nicht, nur einen ästhetischen. Vorbild waren die japanischen Gärten.

Auf einem Hügel steht eine alte Windmühle, in der früher das kanarische Grundnahrungsmittel „Gofio“ aus geröstetem Mais und verschiedenen Getreidearten gemahlen wurde.

Der Kaktus-Garten war das letzte Werk das César Manrique 1990 auf Lanzarote beendete. Der Kaktus-Garten entstand auf dem Gelände einer ehemaligen Vulkanaschengrube. Dort wurde das Material abgebaut, das „rofe“ oder „picón“ genannt wird und das die Bauern für den Trockenfeldbau nutzen, um auf den Felder die Feuchtigkeit des nächtlichen Taus zu speichern.

Der Kaktus-Garten hat auch ein kleines Restaurant – unter dessen Schatten spendendes Sonnensegel das sich die Durstigen und Fußkranken, die Sonnen- und Kakteenmuffel alsbald zurückziehen. Gerhard sitzt mit dem Reiseleiter an einem Tisch und unterhält sich, während ich im Kaktus-Garten herumklettere und mit der kleinen Kamera fotografiere. Als ich auch ins Restaurant nachkomme, erfanre ich zweierlei: Erstens: Unbedingt die Klotüren angucken, die von César Manrique höchst originell und plakativ gestaltet wurden. „Wer jetzt noch aufs falsche Klo geht, macht das mit Absicht“, höre ich jemanden sagen.

Und zweitens: Reiseleiter Jürgen Sobeck hat ein Buchmanuskript geschrieben mit Berichten über seine Wanderungen, angereichert mit geologischen Hintergrundinformationen und farbigen Abbildungen. Als nach Titel und Verlag frage, erklärt er mir, dass bislang nur das Manuskript existiere und er noch auf Verlagssuche sei. Ich gebe mich reflexartig als altes Verlagswesen zu erkennen und verspreche, ihm wenigstens so weit behilflich zu sein, dass ich ihm Adressen einschlägiger Verlage zuschicke. Was ich nach unserer Rückkehr nach Deutschland auch umgehend erledige. Eine nette Antwort habe ich auch bekommen mit einem Foto von einem „unserer“ Vulkane – jetzt warten wir mal ab, was mit dem Buchprojekt passiert.

Samstag, 28. Juli bis Montag, 30 Juli 2007: Calima – Sandsturm light

Die Affenhitze hat einen Namen: Calima! Das ist eine Wetterlage mit Ostwind auf den kanarischen Inseln (Sandwind aus Afrika).

So funktioniert es: Von der Sahara kommt mit östlicher Strömung trockene, warme Luft und bringt oft feinen Sandstaub mit. Hochdruck über der Sahara erhöht die Temperatur und verringert die Luftfeuchtigkeit. Die Sicht ist dann leicht getrübt, die Niederschlagsneigung bei der geringen Feuchte aber sehr gering. Es kann im Flugverkehr zu Problemen kommen. Bei dem Staubgehalt der Luft ist das warme, trockene Wetter aber nicht angenehm, und führt leicht zu Reizungen der Atemorgane.

Calimaeinbrüche können mitunter sehr heftig sein, so kann z. B. plötzlich ein starker Sturm einsetzen und die Luftmassen austauschen. Es kann auch in der Nacht zu starkem Temperaturanstieg kommen, während gleichzeitig die Luftfeuchte rapide absinkt.

Es ist nicht außergewöhnlich, dass bei Calima auch alle im Freien abgestellten Autos, andere Gegenstände, wie weiße Hauswände, sowie die Straßen mit feinem ockerfarbenen Sandstaub bedeckt werden. Calimawetterlagen können mehrere Wochen andauern.

Die Calima kommt üblicherweise in den Sommermonaten, also Juni bis September vor. Der Himmel wird diesig, die Aussicht in die Ferne nach und nach geringer. In der Regel erkennt man eine heranziehende Calima schon ein oder zwei Tage vorher.

Und so wirkt es: Wir gehen am Morgen einkaufen: T-Shirt – Gerhard hat wieder mal zu wenige Hemden dabei – Wein, Mojo, Postkarten … aber dann machen wir, dass wir wieder zurück ins Hotel kommen. Man fühlt sich durch diesen „Sandsturm light“ wie gefönt, gedörrt und sandgestrahlt. Ein paar Unverdrossene wandeln mit ihren Luftmatratzen in Richtung Strand, kommen uns aber sehr schnell wieder entgegen.

Wieder im Hotel angekommen, schauen wir mal im entsprechenden Informations-Ordner nach unseren Rückflügen. Unser Flug sollte gebucht sein für Dienstag, 31.07, 14:00 Uhr, Abholung gegen 11:25 Uhr … aber wir sind nicht mit auf der Liste. Panik kommt auf. Sollten die nicht mitbekommen haben, dass wir nur für 10 Tage gebucht hatten? Hat man uns vergessen? Mit der Zeit kommen wir dahinter, dass man die Blätter aus dem Ordner herausfingern muss, um alle Informationen lesen zu können. Ein Teil des Textes versteckt sich unter dem Werbe-Passepartout in der Plastikhülle. Also, ausgraben mussten wir unsere Rückfluginformationen noch nie. Auf die Idee muss man erst mal kommen. Aber nun ist ja alles klar, die Flugzeit bleibt wie gehabt, die Abholzeit auch. Abholung am späten Vormittag ist eine feine Sache. Weder muss man mitten in der Nacht abreisen noch den halben Tag auf gepackten Koffern sitzen.

Da bei dem Wetter kein Mensch an den Strand kann und auch nicht in die Stadt will, drängelt sich alles um den Pool. Es sind viel, viel weniger Plätze an den Pools als Feriengäste im Hotel. Die ersten haben schon morgens um 6 mit den Handtüchern ihre Liegen reserviert. Da hat man keine Chance, wenn man erst am Vormittag kommt oder gar erst um die Mittagszeit. Erst gegen 15, 16 Uhr, wenn die anderen keinen Bock mehr auf Schwimmen und Sonnen haben, kann man wieder eine freie Liege ergattern. Und ein paar Schwimmzüge im Pool machen.

Wir suchen uns ein gemütliches Plätzchen im Schatten und lesen bis es gegen 15 Uhr kühler wird und das Gedrängel am und im Pool nachlässt.

Sonntag, 29.07.2007
Immer noch Calima. Wir haben auf dem Gelände ein Thermometer entdeckt. Morgens um 9:00 Uhr hat es 31° C, gegen 10:00 Uhr sogar schon 35° C. Am Nachmittag gucken wir noch mal: Jetzt sind es 42° C. Da ist es sogar im Pool zu heiß.

Montag, 30.07.2007
Heute erst entdecken wir am Frühstücksbüffet die originelle Übersetzung für „Instant-Kaffee“. Auf dem Steingutbehälter, der selbigen enthält, seht: „Kaffee augenblicklich“.

Calima hin oder her – wir müssen in die Stadt, um letzte Souvenirs und Mitbringsel zu kaufen. Man muss sich ja bald wie die Wüstenaraber vermummen, wenn man hier aus dem Haus geht. Im Internet heißt es, die Hitzewelle geht bis Donnerstag. Ja, schön, da sind wir längst wieder zu Hause. Und haben dort bestimmt alles andere als eine Hitzewelle.

Dienstag, 31. Juli 2007: Heimreise mit Hindernissen

So … wir sind so gut wie weg, und nun lässt die Calima nach. Vielen Dank auch! Ein letztes Mal frühstücken wir im Hotel – so einen Aufwand betreibt man daheim ja nie – packen unser restliches Zeugs in die Koffer und checken aus.

Der Kiosk-Heini, der die Hotelbadetücher wieder zurücknehmen und das Pfand dafür rausrücken soll, ist nirgendwo zu sehen. Wir haben heute schon mehrfach das Gelände nach ihm abgesucht. Hoffentlich akzeptieren die auch eine Rückgabe an der Rezeption. Ich habe keine Lust, 10,- Euro pro Badetuch Strafe zahlen zu müssen, nur weil der Hurgler nirgends zu finden ist.

Aber es klappt anstandslos. Beim Ausschecken stellen wir überrascht fest, dass auch die Telefongebühren inklusive sind. Gut, dass sie das nicht vorher sagen, sonst würde mancher sich auf Kosten des Hauses einen Wolf labern. Wir dagegen haben nur zwei, dreimal kurz zu Hause angerufen. Wir sind da immer recht bescheiden und hätten auch nicht mehr gequasselt, wenn wir gewusst hätten, dass wir das nicht separat bezahlen müssen.

Wir schleifen unsere Koffer vors Hotel und nun heißt es warten. Auf den Bus. Um 11:40 Uhr kommt er dann schließlich und ist – na was? Richtig: Heillos überbucht. Irgendwer in der Zentrale kann da nicht zählen. Der Fahrer telefoniert mit dem Handy nach einer Lösung. Ein zweiter, kleiner Bus wird bestellt und endlich geht es los.

Am Flugplatz heißt es wieder: warten. Tut sich da eigentlich was an den Abfertigungsschaltern? Es scheint kein bisschen vorwärts zu gehen. Und wo muss man denn hinmarschieren, wenn man eingecheckt hat? Ach ja, die latschen alle hinter die Theken, dann machen wir das nachher einfach auch so.

Nach weiterem Gewarte schaut es fast so aus, als flöge diese Maschine ausnahmsweise mal pünktlich ab. Um 14:05 Uhr sitzen alle brav angeschnallt auf ihren Plätzen. Aber ätsch: Es müssen alle wieder aussteigen! Die Maschine ist zu schwer, um über die Berge in den Norden starten zu können. In Richtung Süden geht nicht wegen des Windes. Also muss Kerosin abgepumpt werden. Dazu müssen alle Passagiere aus Sicherheitsgründen raus. Erst wenn das Zeugs abgepumpt ist, dürfen wir all wieder rein. Aber da wir nun weniger Sprit an Bord haben, reicht der nun nicht für einen Direktflug nach Stuttgart. Wir fliegen erst mal eineinviertel Stunden lang nach Faro in Portugal, landen dort zwischen, tanken nach – und dann geht es endlich heim.

Mit eineinhalbstündiger Verspätung landen wir schließlich um 20:25 Uhr in Stuttgart. Wenigstens kommt dann der Koffer recht flott. Mit dem Taxi geht es nach Hause. Der Fahrer, ein Franzose, erzählt von seiner Zeit in Dubai. Dubai, ja das wäre auch mal ein Reiseziel …

Aber ehe wir die nächste Reise planen, muss erst einmal diese nachbereitet werden. Als erstes in Gestalt von 11 Waschmaschinenladungen Wäsche. Post, Fotos, Reisebericht … das alles wartet noch auf mich. Und das Fotoalbum, das ich nach wie vor konventionell mit ausgedruckten Bildern anlege und nicht online. Dann können wir an den nächsten Urlaub denken. Vielleicht Teneriffa …?

*** Ende***

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