Paul Grote: Rioja für den Matador. Kriminalroman

Rioja für den Matador. Kriminalroman, München 2015, Originalausgabe 2006, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-20930-4, Softcover, 343 Seiten, Format: 12,1 x 2,5 x 19,2 cm, Buch: EUR 9,95,(D), EUR 10,30 (A), auch als Klappenbroschur, August 2017, ISBN 978-3-423-21698-2, Format: 11,8 x 3,5 x 19 cm, EUR 12,95. Kindle Edition: 7,99.

Abbildung: (c) dtv

„Sie wollen LAGAR fertig machen! Nur einige Beispiele: Wer uns Baumaterial liefert, kommt auf die schwarze Liste. Wer für uns arbeitet, kriegt von ihnen keine Aufträge mehr, egal ob Elektriker oder Installateur. Jetzt haben wir Ärger mit der Bank (…) Und mich wollen sie aus dem Weg räumen.“ (Jaime Toledo, Seite 29)

In Paul Grotes Weinkrimi-Reihe bin ich vor ziemlich genau 10 Jahren eingestiegen. Mittlerweile kenne ich alle Helden dort: Martin Bongers, Frank Gatow, Philipp Achenbach, Francesca Feltrinelli Sturm, Henry Meyenbeeker … Aber ich kenne nicht unbedingt deren Vorgeschichte. Jetzt wurde RIOJA FÜR DEN MATADOR aus dem Jahr 2006 als Klappenbroschur neu aufgelegt. Und wir erfahren, wie es den deutsch-spanischen Weinjournalisten Meyenbeeker in die Region La Rioja verschlagen hat.

Ein Hilferuf aus der Rioja


Henry Meyenbeeker, in der Geschichte hier Anfang 40, hat nicht immer über Wein geschrieben. Als Journalist war er in allen möglichen Krisenregionen der Welt aktiv. Der ruhige Job als Chefreporter beim Magazin WEIN & TERROIR war ein Zugeständnis an die Ängste seiner Frau Gisela, die immer weniger damit zurechtkam, dass ihr Mann für seine Reportagen sein Leben riskiert. Die Ehe ist trotzdem gescheitert. Jetzt soll Henry Chefredakteur werden, hat aber gar kein Interesse an dem Posten. Lieber will er dem Ruf des Önologen Jaime Toledo aus der Rioja folgen, dessen Story Stoff für einen spannenden Artikel zu bieten scheint. Der spanische Weinexperte hat Henrys Kontaktdaten von einem gemeinsamen Bekannten und verspricht sich von ihm eine ehrliche, kritische Reportage.

Jaime gehört zu den Gründungsmitgliedern der Weinbaugenossenschaft LAGAR und berichtet davon, dass sie eingeschüchtert und in ihrer Arbeit behindert werden. Irgendwer legt es darauf an, der Kooperative massiv zu schaden. Will sich da jemand die Konkurrenz vom Leib halten? Vielleicht hat aber auch Meyenbeekers Kollege Olaf recht: „Das Schlimmste sind immer die Feinde im Inneren.“ (Seite 10)

Meyenbeeker lässt das verlagsinterne Postengeschachere hinter sich und fliegt nach Bilbao. Schon auf der Fahrt nach Laguardia lernt er zwei Personen kennen, die in den kommenden Wochen für ihn sehr wichtig sein werden: die attraktive Sekretärin Victoria Mendez, die allerdings vor einer Verabredung mit ihm zurückschreckt, als sie hört, dass er Reporter ist, und den katalanischen Automechaniker Daniel Pons, der vieles mitkriegt, was ihn nichts angeht. Daniel kennt hier jeden, aber weil er nicht aus der Region stammt, wahrt er zu allem, was vor sich geht, eine gewisse Distanz.

Der Informant ist tot


Henrys erstes Treffen mit Jaime Toledo verläuft sehr hektisch. Alle paar Minuten will jemand was von dem viel beschäftigten Önlogen. Er kann Henry gerade mal grob schildern, welche Probleme seine Genossenschaft hat und wen er als Drahtzieher verdächtigt. Zu einem zweiten Treffen kommt es nicht, denn Jaime hat einen tödlichen Autounfall.

Informant tot, Fall erledigt und Henry könnte wieder nach Hause fahren. Sollte man meinen. Doch der Reporter glaubt nicht an einen Unfall und forscht mit Hilfe des Automechanikers Daniel auf eigene Faust nach. Die Probleme der Kooperative scheinen tatsächlich ihren Ursprung in der Bodega der Familie Penasco zu haben. Jaime hat einmal für sie gearbeitet und bei Gründung der Kooperative einige ihrer besten Traubenlieferanten abgeworben und mitgenommen. Das stinkt den Penascos natürlich. Würde die Kooperative scheitern, wären die Bauern verschuldet und die Familie hätte wieder Oberwasser.

Wer will die Genossenschaft vernichten?


Die Sekretärin der Penascos kennt Henry bereits. Es ist Victoria Mendez. Der Chef der Bodega, Sebastian Penasco, scheint ganz in Ordnung zu sein, nach allem, was man so hört. Leider hält er sich schon geraume Zeit in einer Familienangelegenheit in Chile auf und sein Sohn Diego führt die Geschäfte. Das ist ein junger Hitzkopf, ein Machtmensch mit großen Ideen, der sich aufführt, als habe er sich J.R. Ewing aus der Fernsehserie DALLAS zum Vorbild genommen. Und er hört auf die Einflüsterungen seines ewiggestrigen Großvaters Don Horacio, der der Franco-Ära nachtrauert. Aus Gründen.

Eine Historikerin mit geheimer Agenda


Diego Penasco geht über Leichen. Dass ein Journalist aus Deutschland in seinen Angelegenheiten herumschnüffelt, passt ihm natürlich gar nicht. Er lässt Henry Meyenbeeker von seinen Leuten krankenhausreif prügeln. Und das ist noch eine seiner harmloseren Maßnahmen.

Ausgerechnet Diego Penascos Schwester Isabella steht Henry in höchster Not bei – eine Historikerin, die sich angeblich schon vor Jahren von ihrer Familie losgesagt hat. Aber stimmt das auch? Henry und Isabella trauen einander nicht wirklich über den Weg. Und tatsächlich verfolgt die resolute Wissenschaftlerin eigene Pläne. Es kommt zu einem dramatischen Showdown …

Wie in allen Weinkrimis von Paul Grote erfährt man vieles über die jeweilige Region, über den Wein und über das, was die Menschen so umtreibt. Das ist überall auf der Welt das gleiche: Macht, Geld, Gerechtigkeit, Anerkennung, Liebe, Hass – und die damit verbundenen Interessenskonflikte.

Ein Dutzend Leute und ihre Probleme


Man muss hier rund ein Dutzend Leute und deren Ziele im Auge behalten, um der Geschichte folgen zu können. Schnelle, geradlinige Action gibt’s hier nur manchmal. Über weite Strecken gleicht der Krimi einem komplexen Rätsel. Da hat man schnell ein Detail überlesen. Ich weiß zum Beispiel immer noch nicht, wie der Önologe Miguelito und seine Schwester plötzlich ins Spiel kommen. Die tauchen einfach so auf. Aber egal.

Wer die späteren Bände mit Meyenbeeker und den Penascos kennt, für den erhellt sich nun die Hintergrundgeschichte, die man sich bisher nur zusammenreimen konnte. Und wer vom Penasco-Clan noch nie etwas gelesen hat, wird wissen wollen, was die einzelnen Familienmitglieder wirklich im Schilde führen und ob den garstigsten Exemplaren der Sippe am Schluss das Handwerk gelegt wird.

Was die Idealisten und die Fieslinge in der Geschichte bewegt, ist gut nachvollziehbar. Sobald jedoch von Verliebtheit oder erotischer Anziehung die Rede ist, wird nur behauptet. Zu spüren ist da nichts. Journalist Meyenbeeker, der alles kritisch beobachtet, seziert und analysiert, zerpflückt und zerredet auch die Romantik. Eine Berufskrankheit?

Einen Nachteil hat es, wenn man Band 1 einer Reihe erst verspätet liest: Man hat sich längst ein Bild von den Personen oder Ereignissen gemacht und muss das nun eventuell revidieren. Die Information, dass Isabella Penasco blond und blauäugig ist, hat mich völlig aus der Spur gebracht. 😉 In meiner Phantasie sah die überaus engagierte und streitbare Historikerin in all den Jahren immer ein bisschen so aus wie Salma Hayek. Und das bleibt jetzt auch so. Basta!

Der Autor
Paul Grote berichtete fünfzehn Jahre lang als Reporter für Presse und Rundfunk aus Südamerika. Seit 2003 lebt er als freier Autor in Berlin. Sein Gespür für Wein, sein Wissen und seine Erfahrungen spiegeln sich in allen seinen Krimis wider.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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