Ein Baum geht in Rente

Als wir 2009 in das jetzige Firmengebäude umgezogen sind, sind alle meine Topfpflanzen verloren gegangen. Man hat mir dann einen großen herrenlosen Ficus benjamina in meine Großraumbürozelle gestellt, den ich sorgsam gepflegt und auch mal zurückgestutzt habe, als er allzu ausladend wurde. Er ist schon ein Riesentrumm!

Die letzten zwei Jahre hat ihn hauptsächlich meine Kollegin gegossen, die lieber im Büro als im Homeoffice gearbeitet hat. Ich war ja nur alle paar Wochen mal im Verlag. Die Kollegin ist jetzt in Rente gegangen und nun ist niemand mehr da, der regelmäßig im Büro sitzt und auch willens wäre, die Büropflanzen zu gießen. Außerdem ist im Frühjahr ein erneuter Firmenumzug geplant und wir sollen schon mal ausmisten.

Büroauflösung: Wohin mit dem Ficus?

Für mich heißt das: Ich muss meinen Büro-Arbeitsplatz komplett auflösen, denn voraussichtlich ist im neuen Gebäude für mich kein Platz mehr vorgesehen. Also habe ich mich entschlossen, den riesigen Ficus mit nach Hause zu nehmen. Zum Wegschmeißen war er mir zu schade. Das hätte ich auch als gemein empfunden! Jetzt geht die Pflanze also mit mir zusammen auf dem Dorf draußen in Rente. Die Frage war nur: Wie kommt sie dort hin?

Beim vorletzten Besuch im Verlag habe ich ausgemessen, ob der Blumentopf in meinen Einkaufswagen passt, denn ich fahre ja mit dem ÖPNV ins Büro. Hat gepasst! Also bin ich zum letzten Besprechungstermin mit „Hackenporsche“, einem großen Plastiksack und einer Gartenschere für eventuell notwendige Rückschnitte angereist. Ich habe die Pflanze aus dem Übertopf gehoben, in den Plastiksack gesteckt und alles zusammen irgendwie in den Einkaufswagen gewurstelt. Ein paar allzu weit überhängende Zweige habe ich dann noch gestutzt.

Ein Baum fährt Bahn

Der Weg nach Hause war abenteuerlich. Weil ich den Einkaufswagen mit der riesigen Pflanze nicht die 40 „Tempeltreppen“ vom Haupteingang runter zur Straße gebracht hätte, ging es mit Kolleginnen-Hilfe per Aufzug in die Tiefgarage, in der ich mich überhaupt nicht auskenne, und von dort aus raus ins Freie. Die Pflanze wird gestaunt haben! 😀 (Und zum Glück ist mir egal, was die Leute denken.) Danach ging es mit einem weiteren Aufzug zur U-Bahn und mit der U-Bahn bis zu der Haltestelle, an der meine Kollegin ihr Auto geparkt hatte. 

Den armen Ficus haben wir zwei dann gnadenlos in den Kofferraum des Kleinwagens gestopft, wo er vor lauter Schreck ein paar Blätter verlor. Die Kollegin hat uns – den Ficus und mich – dann die letzten Kilometer nach Hause gefahren und jetzt steht der Baum bei mir im Garten hinterm Haus. Wenn’s kälter wird, wird er entweder unten im Wohnzimmer oder oben im Büro (Homeoffice) überwintern. Büro wäre vielleicht besser, denn das kennt er ja schon. 😀

Ob er sich draußen fürchtet?

So albern es ist: Ich hab‘ heut in der Früh erst einmal geschaut, ob er die Nacht heil überstanden hat oder ob er vor lauter Schock über den rüden Transport gestern vielleicht sämtliche Blätter abgeworfen hat. Das hat er zum Glück nicht! Aber bestimmt hat er sich in der Nacht im Freien gefürchtet, denn das ist er ja nicht gewöhnt. 

Zur Sicherheit werde ich ihm nochmals explizit erklären, dass die einzige Alternative zu diesem rabiaten Umzug seine Vernichtung gewesen wäre. Dass ich es nur gut gemeint habe, muss doch selbst einem Baum einleuchten, oder?

Foto: E. Nebel

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