Die Honorar-Uhr

Ich nehme an, es gibt schönere Armbanduhren. Und solche, die einer Frau mittleren Alters mit langen, schlanken Händen besser stehen als diese. Aber ich hänge an meiner Uhr. Ich trage sie seit Mitte der 90-er Jahre, als ich sie anstelle eines Honorars von einem Auftraggeber bekommen habe, der finanziell schon so klamm wahr, dass er den bestellten Text nicht mehr bezahlen konnte. Aber er hatte die Uhr, nagelneu und originalverpackt. Vielleicht war’™s ein Geschenk oder die Gabe eines Sponsors, gedacht für ein Preisrätsel, weiß der Geier! Jedenfalls dachte ich damals, besser die Uhr als nix, und habe sie als Honorar akzeptiert.

Da ich seit meinem 9. Lebensjahr immer eine Armbanduhr trage und sie allenfalls zum Duschen und zum Schwimmen abnehme ’“ oder bei festlichen Anlässen für ein paar Stunden gegen ein eleganteres Modell austausche ’“ wurde die ’žHonorar-Uhr’œ zu meinem ständigen Begleiter, im Alltag und auf Reisen.

In Nikosia hat ein alter Herr in einem winzigen Uhrmachergeschäft eine neue Batterie einbauen müssen. Ich hasse es, wenn meine Uhr stehen bleibt, auch im Urlaub. Zwei Jahre lang hatte sie also ein ’žzypriotisches Herz’œ. Das nächste Herz hat ihr der Inhaber des türkischen ’žService-Zentrums’œ bei uns am Ort verpasst, in dem man praktisch alles bekommt: Schuhreparatur, Messerschliff, Stempel, Schlüssel, Tonerkartuschen und eben auch die besagten Batterien.

Aus irgendeinem Grund haben die Uhren-Batterien einen Lebenszyklus, der sie gerne in meinem Urlaub den Geist aufgeben lässt. Auch in einem extrem vornehmen Juweliergeschäft auf einer der kanarischen Inseln war meine Uhr schon ’žPatient’œ. Ich hatte schon befürchtet, der elegante indische Herr im Maßanzug würde mich entweder auslachen oder rausschmeißen, wenn ich ihn frage, ob man hier eine Batterie in meine ömmelige Armbanduhr machen könne. Nichts dergleichen ist passiert. Er war sehr höflich. Ich ließ meine Uhr dort und konnte sie am nächsten Tag funktionsfähig und gereinigt wieder abholen. Sie hatten sie auch nicht als Schrott weggeworfen. Auch das war eine meiner heimlichen Befürchtungen gewesen.

Als eines Tages das Uhrenglas zerbrach, setzte ihr ein Fachmann in unserer Kreisstadt ein neues ein. Und als sich dieser Tage ein Metallstift aus dem Uhrenarmband verabschiedete und ich in letzter Sekunde bemerkte, dass die Uhr gerade dabei war, mir aus dem Ärmel zu rutschen, durfte der erste Juwelier und Uhrmacher am Platz ran. ’žUnserer’œ hatte gerade Urlaub.

Vor mehr als fünfundzwanzig Jahren hat man sich in diesem noblen Haus einmal geweigert, mich zu bedienen, weil ich nicht so aussah, als könnte ich das, was ich mir zeigen lassen wollte, auch bezahlen. Auch wenn ich in Jeans und Pullover daherkam: Sie haben sich getäuscht.

Ich habe das Geschäft seither nie wieder betreten. Aber meine bessere Hälfte ist dort als guter Kunde bekannt. Ich schätze mal, die Zickereien und Schnöseligkeiten sind auch dem ersten Haus am Platz im Lauf der Zeit vergangen. Denn auch der Mann meines Herzens kommt in Jeans und Sweatshirt daher, gern auch mal unrasiert, und sieht absolut nicht nach Geld aus. Aber er hat eine Vorliebe für gute Uhren, und die kauft er dort. Also müssen sie ja mal ihre Grundsätze ’žkeine Geschäfte mit lässig gekleideten Mitmenschen’œ über Bord geworfen haben.

Na ja, wie auch immer, jedenfalls hat der Mann meine Honorar-Uhr gestern dort hingetragen und sie haben ganz ohne Gezicke und Gezocke das Armband repariert. Und ich habe meinen ’žständigen Begleiter’œ wieder!

  1. Was für eine entzückende Geschichte! Ich trage dagegen fast nie eine Armbanduhr. Verlasse mich meist auf die am unteren rechten Rand meines Monitors. Aber weil ich weiß, dass die sich zuweilen von sich aus um eine Stunde verstellt (keine Ahnung, warum das so ist), muss ich diese Zeitangabe, sobald sie mir irgendwie merkwürdig vorkommt, überprüfen. Hätte ich dann eine Armbanduhr an, könnte ich einfach draufschauen. So geh ich eben auf http://www.uhrzeit.de 🙂

    1. Am Arbeitsplatz bräuchte ich auch keine Armbanduhr. Da hab ich eine Funkuhr hängen. Aber da ich oft mit Bus und Bahn unterwegs bin – ich fahre nicht gerne Auto – brauch ich eine Uhr.

      Jetzt hoffe ich, dass das Manöver mit der Armbandreparatur nicht für die Katz war. Kaum hatte ich die Uhr wieder umgebunden, blieb sie stehen. Scheint ein mechanisches Problem zu sein – mit der Lupe sehe ich, wo’s klemmt – aber eins für den Experten. Es wäre zwar wirklich kein Drama, mir eine neue Uhr kaufen zu müssen, aber, wie gesagt, ich hänge an dem Teil.

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