Vor fast genau einem Jahr hat mein Arbeitgeber die neuen Büroräumlichkeiten bezogen. Fotografen, Journalisten und Architekten wuseln seitdem beständig ums Haus und bewundern das Design. Schick isses, das Gebäude, aber besonders zweckmäßig isses leider nicht. Wie Amber Sayah in der Stuttgarter Zeitung so schön schrieb: „Hinter der Tür endet alle Architektur“.
Ich sag nur: Großraumbüro – und pro Fensterfront ein Rolladen. Den kann man nicht segmentweise herunterlassen, nur am Stück. Entweder ist es für alle Kollegen hell oder für alle dunkel. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, was da los ist! Den einen scheint die Sonne ins Gesicht, den anderen auf den Bildschirm, aber wenn man den Rolladen auch nur teilweise herunterlässt, sitzen die Kollegen, die aufgrund baulicher Gegebenheiten kein Blendproblem haben, den ganzen Tag bei Kunstlicht. Bei denen in der Zelle wird es dann nämlich zappenduster. Und das ist natürlich auch nicht witzig.
Um Streit zu vermeiden, hatte ich erst einen „individuellen Blendschutz“ aus einem Papp-Umschlag und diversen Blättern Kopierpapier an meinen Hauptbildschirm gebastelt. Hausfrauenmechanik mit dem Hang zur Slum-Optik. Und wie ich da so am Optimieren meiner schirm-artigen Konstruktion bin, fällt mein Blick auf den Schirmständer. Da ist sie doch, die Instant-Lösung! Ein Regenschirm, aufgespannt hinter die Bildschirme geklemmt, wäre doch der perfekte individuelle Blendschutz!
Unser Chef fragte, ob’s in meinem Büro regnet. Nee, eben nicht. Die Sonne blendet. Und einen meiner Kollegen hat die Konstruktion an Carl Spitzwegs“armen Poeten“ erinnert und er hat mir eine Aufnahme des Gemäldes geschickt.
Abbildung: Carl Spitzweg:“Der arme Poet. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
Stimmt, da ist was dran. Okay, dann bin ich eben die arme Poetin. Mit Schutzschirm.
Neuere Bilder aus dem Jahr 2014. Der Texter-Schutzschirm ist immer noch im Einsatz.
Die Idee ist praktisch genial! Das probiere ich auch mal aus, wenn das Wetter irgendwann mal wieder sonnig werden sollte 😉
Sehr schön Edith,
du bist natürlich und unbedingt eine Poet-in, mit dem tu-es-selbst- Hang.Sympathische Lösung und ziemlich blöde Frage von deinem Chef.
Gruß
Was soll de4r zettel :Nicht sprechen“, heißt das ihr habt Buschtrommeln im Büro, so richtig mit Afrikas Ureinwohner, das nenne ich dann Integration pur.
geiler Laden
Das heißt, dass wir nicht mit unseren Zellennachbarn quatschen dürfen, weil das im Großraumbüro stört. Ohne Witz jetzt: ich kommuniziere mit Kollegen, die drei Meter von mir entfernt sitzen, per E-Mail, weil das weniger Krach macht als rüberzulatschen und denjenigen in einer geschäftlichen Angelegenheit anzusprechen. Allerdings klappt es nicht immer, dass man sich jegliche Reaktion auf etwas verkneift, das man aus den Nachbarzellen hört. „Wo ist denn der XY?!“ – „Beim Doktor!“
Ich hab schon, ganz ohne Scheiß, vorgeschlagen, sie sollen uns die Gebärdensprache lernen lassen.
Sehr schick, der Schirm.
Aber was das Gebäude angeht: Ich bin ja schon länger der Meinung, dass man Architekten vertraglich verpflichten müsste, ein Jahr lang in so einem wunderbar designten Gebäude genau die Arbeiten zu machen, für die selbiges entworfen wurde. Vielleicht lernen sie’s dann irgendwann mal. Zu unserer Stadtverwaltung oder der FH könnte ich ja auch Geschichten erzählen…
Das haben wir auch schon gesagt … die Herrschaften sollten den Unfug mal ausbaden müssen, den sie da gestalten und hinstellen. Design is not enough.
Ist das etwa ein original SAT1-Schirm? Bzw. ein SAT1-Schirm-Schirm? So einen hatte ich mal in Blau, hab ihn aber Anno 1986 im Zug liegenlassen …
Richtig, das ist ein SAT1-Schirm, aus den 80-er Jahren. Ein Überbleibsel aus einem früheren Job.