Maren Frank: Liebe in Schottland, Meerane 2010, el!es-Verlag, ISBN 978-3-932499-92-0, Taschenbuch, 223 Seiten, Format: 12 x 19 x 1,9 cm, EUR 14,90
Durch die Intrige eines abgewiesenen Verehrers verliert die Archäologie-Studentin Nathalie Schneider ihren Studentinnenjob. Der Typ hätte nie im Leben eine Chance bei ihr gehabt, denn Nathalie bevorzugt Frauen. Erst vor ein paar Tagen hat sie sich auf einer Geburtstagsfeier Hals über Kopf in eine faszinierende Frau verliebt, von der sie gerade mal den Vornamen kennt: Eileen.
Doch jetzt hat erst einmal die Jobsuche Vorrang. Zum Glück sind ihre WG-Kumpels Tim und Patrick gut vernetzt. Patricks Großmutter kennt prompt eine Zoologie-Professorin, die eine Assistentin für Sekretariatsarbeiten sucht. Zoologische Fachkenntnisse sind nicht zwingend erforderlich, und so bewirbt sich Nathalie. Beim Vorstellungsgespräch trifft sie fast der Schlag, denn Frau Professor Kessling ist niemand anderer als die rothaarige Eileen, in die sie sich auf der Party verguckt hat.
Gegenseitige Sympathie und Anziehung besteht, aber hätte eine Beziehung zwischen den beiden Frauen eine Chance? Da sind zunächst einmal 16 Jahre Altersunterschied. Eileen ist Professorin, Nathalie Studentin ’“ und sie sind Chefin und Angestellte. Das geht selten gut.
Als Nathalie die Professorin auf eine Forschungsreise nach Schottland begleitet, kommen sich die beiden Frauen rasch näher und beginnen eine leidenschaftliche Affäre. Der Alltag in Deutschland ist weit weg und die Bedenken ebenfalls. Auch wenn Eileen und Nathalie engagiert arbeiten ’“ ein bisschen fühlt sich ihr Aufenthalt in Drumnadrochit wie Urlaub an. Doch nach drei Wochen wird Eileen wieder nach Deutschland zurückbeordert, und nun stellt sich für die beiden die Frage, wie es mit ihnen weitergeht.
Als Nathalies WG-Mitbewohner nach ihrer Rückkehr wissen wollen, ob sie nun fest mit Eileen zusammen sei oder nicht, kann sie die Frage nicht mit Sicherheit beantworten. Sie arbeiten weiterhin zusammen, sie schlafen auch miteinander, aber Eileen verliert kein Wort über die Beziehung.
Als Nathalie in Eileens Wohnung gerahmte Fotos von deren Ex Bianca stehen sieht, ahnt sie, dass hinter dem Zögern der Professorin eine unzureichende Vergangenheitsbewältigung steckt. Bianca, so erfährt sie, war ebenfalls Zoologin und Mitglied einer Expedition, die seit zwei Jahren im Amazonasgebiet verschollen ist. Ein solches Beziehungsende erklärt natürlich manches.
Ob es hilft, wenn Nathalie sich zu Eileen bekennt, indem sie sie für ein Wochenende mit zu ihren Eltern nimmt und sie dort als ihre Partnerin vorstellt?
Nathalies Familie ist erfreulich unverkrampft und akzeptiert die Freundin ihrer Tochter ohne wenn und aber. Nathalies jüngere Brüder sind sowieso hin und weg von dem Gast, seit sich herausgestellt hat, das das Spezialgebiet der Professorin die Kryptozoologie ist. Monster, Urzeitviecher, Abenteuer! Die Schneiders müssen die Jungs bremsen, damit sie die Besucherin nicht völlig mit Beschlag belegen.
’žDeine Familie ist einfach wunderbar’œ, schwärmt Eileen (S. 154) und erzählt, dass ihre Mutter deutlich unentspannter damit umgeht, dass ihre Tochter lesbisch ist.
Nach der Rückkehr vom Familienbesuch platzt mitten in Eileens und Nathalies traute Zweisamkeit die Nachricht, dass es neue Erkenntnisse über das Schicksal von Biancas Amazonas-Expedition gibt. Eileen ist wie elektrisiert, lässt alles fallen und rennt aus dem
Haus, um der Sache nachzugehen. Ist ihr die Vergangenheit so viel wichtiger als Nathalie? Es hat ganz den Anschein, denn sie meldet sich nicht mehr bei der Geliebten. Frustriert schließt sich Nathalie einer archäologischen Expedition nach England an. War’™s das nun mit Nathalie und Eileen? Nathalies Expeditions-Kollegin Jenni wäre das nur recht …
’žLiebe in Schottland’œ gewann den Lesbischen LiteraturPreis 2009, der von der Ëdition el!es ausgeschrieben und vergeben wird.
Mit Spannung und Interesse verfolgt man als Leserin die Annäherung und die Probleme von Eileen und Nathalie. Es gibt ja nicht nur den deutlichen Altersunterschied und die berufliche Abhängigkeit, sondern auch Eileens ungeklärte Beziehung zu ihrer Exfreundin Bianca, die einen Neuanfang mit Nathalie so schwierig macht.
Hat man sich als Hetero-Frau bislang der Illusion hingegeben, dass die Kommunikation innerhalb von Frauenbeziehungen eigentlich besser funktionieren müsste als zwischen Männlein und Weiblein, sieht man hier, dass es durchaus auch in lesbischen Beziehungen daran haken kann, dass man entscheidende Dinge nicht früh genug oder nicht deutlich genug anspricht. Bei rechtzeitiger klarer Ansage hätten sich Eileen und Nathalie viel Ärger, Kummer und Tränen erspart. Ein Problem, das der Homo sapiens wohl generell hat, ganz egal, mit wem er zusammenlebt.
Die erotischen Szenen sind recht explizit, aber mit Gefühl und Respekt beschrieben. Wenn Frauen Frauen lieben und Frauen darüber schreiben, kommt vulgär Machohaftes zum Glück gar nicht erst auf. Wie prickelnd die Szenen tatsächlich sind, darüber kann ich als ’žHete’œ nur unzureichend Auskunft geben.
Neben den beiden Heldinnen bevölkert eine Gruppe sympathischer Nebenfiguren den Roman. Nathalies Studenten-WG mit dem Hetero Patrick und dem Schwulen Tim, z.B. Das Zusammenleben der drei funktioniert bestens, nicht zuletzt deshalb, weil keiner in des anderen erotisches Beuteraster passt. Männer und Frauen können also tatsächlich einfach so befreundet sein.
Auch der zusammengewürfelte Haufen, mit dem Nathalie nach England geht, hat Charme. Vor allem die unverwüstliche Jenni. Last not least wäre da noch die Großmutter von Nathalies Mitbewohner Patrick, die so gar keinem Oma-Klischee entspricht.
Interessant wäre es, Eileen und Nathalie in ein paar Jahren wieder zu begegnen: Beide sind beruflich engagiert, beide viel und lange auf Reisen. Wie ist das, wenn man sich selten sieht und wenn die Karriere der einen vielleicht besser läuft als die der anderen? Wie gehen sie damit um? Wird der Altersunterschied ein Thema werden? Eifersucht? Konkurrenzdenken?
Mit Eileen und Nathalie hat Maren Frank zwei interessante Frauenfiguren geschaffen, über die es sicher noch mehr aufregende Geschichten zu erzählen gäbe.
Deine Beschreibung lässt sogar einen alten Hetero aufmerksam werden. Wahrscheinlich gehört das buch zu meinen nächsten Anschaffungen.
Gruß
Als Hetero liest man „die Szenen“ eher mit neugierigem Interesse, weil man halt nicht zur Zielgruppe gehört. Aber die Geschichte hat was.