Paul Grote: Der Champagner-Fonds ’“ Kriminalroman, München 2010, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-21237-3, 396 Seiten, Format 12 x 19 x 2,2 cm, EUR 8,95 (D), EUR 9,20 (A)
’žSie sind ein Gauner, Herr Achenbach, das darf man doch sagen, oder? Sie lernen schnell. Ist Ihnen klar, dass Sie damit ein riesiges Gebäude zum Einsturz bringen?’œ
’žIch habe den Krieg nicht angefangen.’œ (Seite 325)
Philipp Achenbach ist Einkäufer des Kölner Weinimporteurs France-Import, Anfang 50 und geschieden. Er liebt seine Arbeit, schätzt seinen Chef und arbeitet in der Freizeit gern im Garten seines Einfamilienhauses. Mit seinem Sohn Thomas, 22, BWL-Student, kommt er gut aus. Die Krise kriegt Philipp allerdings, sobald die Rede auf die Banken und die von ihnen verursachte Krise kommt. Banken, das sind für Achenbach senior allesamt eiskalte spielsüchtige Betrüger, die ihre Kunden erst besoffen quatschen und dann über den Tisch ziehen. Und die mit Geldbeträgen jonglieren, die es ebenso wenig gibt wie Gott.
Dass er unter diesen Umständen von den aktuellen Plänen seines Chefs, Herrn Langer, nicht begeistert ist, liegt auf der Hand. Auch wenn dieser mit Beförderung und Gehaltserhöhung lockt. Achenbachs Chef möchte nämlich für einen erfolgreichen britischen Investmentbankers die Abwicklung eines Champagner-Fonds übernehmen. Das heißt, Philipp Achenbach soll das tun.
Champagner-Fonds? Unter dem Begriff kann sich der Einkäufer nichts vorstellen. Langer erklärt ihm das so: ’žIch als Anleger gebe jemandem Geld. Der kauft verschiedene Champagner und lagert sie. Der Champagner steigt im Wert, was abhängig ist von der Marktentwicklung, Dauer der Lagerung, vom Namen des Produzenten und einigen anderen Faktoren.’œ (Seite 47)
France-Import würde dabei den deutschen Anteil verwalten, den Champagner nach Deutschland bringen und dort den Kunden anbieten. Wein kaufen, lagern und verkaufen, das gehört zum täglichen Geschäft, darin sieht Achenbach kein Problem. Doch die Idee mit dem Champagner-Fonds ist ihm nicht geheuer.
Okay, die Jungs von der Fondsgesellschaft kaufen, wenn der Preis niedrig ist und verkaufen, wenn er steigt. Aber wie soll das technisch-organisatorisch vor sich gehen? Champagner wird ja in der Regel nicht als Fertigprodukt gelagert. Er muss erst degorgiert werden, ehe man ihn verkaufen kann. Aber wer entscheidet, wann es soweit ist? Jemand von der Fonds-Gesellschaft? Ja, und dann? Dann kommen die jeweiligen Produzenten mit ihren Mitarbeitern, der Dosage, ihren Korken und Etiketten angereist und degorgieren, verkorken und etikettieren ihren eigenen Champagner? Denn kein Winzer würde diese Tätigkeiten jemals aus der Hand geben und zulassen, das ein Produkt in seinem Namen auf den Markt kommt, an dem ein anderer herumgemurkst hat.
Haben die Fonds-Fritzen überhaupt die nötigen technischen Anlagen dafür? Und eigentlich sollte jeder Champagner nach dem Degorgieren noch drei Monate lang ruhen. Was ist, wenn in der Zwischenzeit der Preis wieder sinkt? Nach Philipp Achenbachs Kenntnis ist Champagner schon aus rein produktionstechnischen Gründen als Spekulationsobjekt ungeeignet.
Während Thomas Achenbach nach dem Fondsmanager, einem gewissen Mr. Goodhouse, recherchiert und lauter positive Informationen über einen seriösen Geschäftsmann findet, fährt Philipp Achenbach nach Reims. Die Gelegenheit, sich dort das Champagnerlager der Fondsgesellschaft anzusehen, kann er sich nicht entgehen lassen.
Quartier nimmt er bei seinem alten Freund Yves, einem der wenigen Menschen, denen er rückhaltlos vertraut. Ihm erzählt er, was sich in den letzten Wochen ereignet hat, und Yves bietet an, sich in Sachen Champagner-Fonds ein bisschen umzuhören. Tatsächlich bringt er in Erfahrung, dass der Fonds zwar Champagner kauft, aber in vernachlässigbar geringen Mengen. Das ergibt nicht annähernd die 7 Millionen Flaschen, die es rein rechnerisch sein müssten.
Obwohl Philipp Achenbachs Besuch im Champagnerlager angekündigt war, empfängt man ihn provozierend unverschämt und lässt ihn erst gar nicht hinein. Unverhoffte Hilfe erhält er wenige Tage später von einem Arbeiter aus dem Champagnerlager. Was dieser weiß und welche Interessen er verfolgt, sagt er nicht, aber er lässt Philipp Achenbach und dessen Sohn nachts heimlich ins Champagnerlager, damit sie sich selbst Reim und Vers auf die Geschichte machen können. Was die beiden Deutschen dort entdecken, verleiht dem Begriff ’žEtikettenschwindel’œ eine ganz neue Dimension!
Wenn der Geschäftsführer des Fonds hier seine eigene trübe Suppe kocht, müssen Goodhouse und Langer dringend gewarnt werden! Aber mit dieser gut gemeinten Aktion reiten sich Vater und Sohn erst so richtig in die Sch***. Auf einmal haben sie nicht nur die Polizei am Hals, sondern auch noch ein paar Erfüllungsgehilfen der Fondsgesellschaft. Und die sind alles andere als zimperlich. Doch Philipp Achenbach glaubt inzwischen zu wissen, wo er hintreten muss, damit dieser Gegner in die Knie geht …
Es ist schon praktisch für einen Autor, wenn er einen grantelnden und illusionslosen Helden wie Philipp Achenbach schafft, der keine Angst vor plakativen Äußerungen hat. Ihm kann man ungestraft politisch unkorrekte Äußerungen in den Mund legen, die man sonst so nicht publizieren würde. Der Leser grinst und freut sich, wenn die Mächtigen der Welt mal so richtig ihr Fett wegkriegen ’“ auch wenn er erkennt, wo man vielleicht noch ein wenig differenzieren könnte.
Der Protagonist hat spätestens seit der Finanzkrise etwas gegen Banker. Von den Jungs in der örtlichen Filiale angefangen bis hinauf zur BaFin, wo seiner Meinung nach ’žnur Dummköpfe und Ignoranten arbeiteten und abgetakelte Politiker.’œ (Seite 69) Das Bild eines korrekten und integeren Geschäftsmanns, das alle vom britischen Investmentbanker Goodhouse zeichnen, passt daher nicht in seine Vorstellungswelt. Und wie kann es auch stimmen, wenn der Champagner-Fonds, in den Goodhouse die Firma France-Import hineingezogen hat, zum Himmel stinkt? Das muss ein Mann wie er gewusst haben. Oder zumindest geahnt. Hat Goodhouse sich auch irgendwann vom System korrumpieren lassen, wie Langer, der vom begeisterten Weinhändler zum Hand-Langer der Finanzhaie mutiert ist?
Die Wahrheit ist noch viel schlimmer …
Achenbach hängt an ’žseiner’œ Firma, für die er schon seit 10 Jahren arbeitet. Und er will auf keinen Fall, dass Langer sie mit dem Champagner-Fonds ruiniert und die Mitarbeiter am Ende auf der Straße stehen. Deshalb verbeißt er sich so in die Idee, das Konzept als Schwindel zu entlarven und seinem Chef die Fonds-Idee auszureden. Das ist aller Ehren Wert, doch dabei legt er sich mit Gegnern an, die er kolossal unterschätzt. Denn nichts, wirklich gar nichts, ist hier so, wie es zunächst scheint.
Manchmal könnte man Achenbach und Sohn schütteln, weil sie in ihrer Naivität meinen, es allein mit Frechheit, gesundem Menschenverstand und der Hilfe guter Freunde mit professionellen Kriminellen aufnehmen zu können. Spannend für den Leser ist das allemal. Man muss auch kein Wein- oder Champagnerkenner sein, um der Handlung folgen zu können und Geschmack daran zu finden. Ein bisschen schneller ahnt man vielleicht, wo der Hase im Pfeffer liegt, wenn man der Spur nach weiß, wie Champagner hergestellt wird. Sollte man völlig ahnungslos an die Geschichte herangehen, ist das auch kein Drama. Paul Grote erklärt uns Lesern alles, was wir für den Fortgang der Geschichte wissen müssen.
Der Autor:
Paul Grote, geboren 1946, berichtete fünfzehn Jahre lang als Reporter für Presse und Rundfunk aus Südamerika. Dort begegnete der professionellen Seite des Weinbaus. Seit 2003 lebt er wieder in Berlin und widmet sich dem Schreiben.
Foto: © P. Kirchhoff (Peter Kirchhoff) / http://www.pixelio.de
Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
http:// edithnebel.wordpress.com