In ein paar Wochen kommt er wieder: Louis, mein Gastkater. Und dieses Mal bin ich hoffentlich besser gerüstet als im vergangenen Sommer …
Es ist ja nicht so, dass Louis das erste Mal bei uns gewesen wäre. Seit er ein kleines Kätzchen war, kommt er immer, wenn seine Familie auf Reisen ist, zu mir und macht Urlaub auf dem Land. Oder, wie sein Mensch sagt: „Louis geht ins Katercamp“.
Ich habe schon seine Vorgänger-Katzen regelmäßig zweimal jährlich beherbergt. Dass sie erst ein bisschen murren und knurren, wenn ihre Leute sie bei uns abgeben, das ist normal. Aber kaum sind ihre Besitzer außer Sichtweite, suchen die vierbeinigen Gäste schnurstracks ihre Lieblingsplätze im Haus auf.
Von Louis‘ Vorgänger:innen liebte die eine mein Büro und leistete mir auch interessiert bei der Hausarbeit Gesellschaft, und der andere schoss pfeilgerade hinaus auf den Balkon und tat ansonsten die ganze Zeit über genau das, was meine Kater machten. Da sprang dann einer nach dem anderen vom Boden auf den Heizkörper, vom Heizkörper auf den Fernseher und von da aus auf das „Dach“ des Wohnzimmerschranks, wo sie einträchtig nebeneinander dösend die Abende verbrachten.
Ferienwohnung im Dachgeschoss
Louis hat sich das Dachgeschoss als Gästezimmer ausgesucht. Dort war früher mal mein Kinderzimmer und später das Büro meines Vaters. Badezimmer, Toilette und einen kleinen Vorraum gibt’s da oben auch noch. Und einen Schrank, bei dem das Schloss nicht mehr funktioniert, weshalb katz da wunderbar die Tür aufmachen und sich reinsetzen kann, allein, zu zweit oder zu dritt. Denn kaum hat Louis seine „Ferienwohnung“ unterm Dach bezogen, sind meine zwei Kater auch da oben.
Natürlich schmeckt das Futter, das der Besucher im Dachgeschoss verspeist, meinen Katzen viel besser als das, was unten im Erdgeschoss serviert wird. Selbst, wenn es aus ein und derselben Dose stammt. Das muss die gute Höhenluft sein … 😀
Vom Keller ist Louis fasziniert
An den Balkonen hat Wohnungskater Louis seltsamerweise überhaupt kein Interesse. Er hält sich, solange er bei uns ist, überwiegend im Büro unterm Dach auf. Ja, er spaziert schon mal durchs Haus und inspiziert die Räume. Ich habe ihn mehrfach in einem meiner Kleiderschränke schlafend vorgefunden.
Den Keller, den findet er auch klasse. Da hat’s Regale ohne Ende … mit Werkzeug, mit Büchern, Ordnern und allerlei sonstigem Gedöns, eine Waschküche, bei der man hinter den Geräten rumkrabbeln kann und im Trockenraum stehen Kartons, die auf Wiederverwendung bzw. Recycling warten. Ein Paradies für Katzen! Aber Louis betrachtet das Dachgeschoss als sein Quartier und kehrt immer wieder dorthin zurück.
Immer Theater bei der Abreise
Ferien hin oder her: Wenn die Katzen schließlich von ihren Menschen abgeholt werden, erwarte ich eigentlich, dass sie ihnen freudig in die Arme springen und gottfroh sind, wieder nach Hause zu dürfen. Aber nein, so ist es nicht! Katzen mögen keine Veränderungen. Und auch wenn sie bei mir in der Sommerfrische nicht alles so super finden: Sie haben sich jetzt daran gewöhnt und wollen nicht schon wieder in eine Transportbox gestopft und woanders hingebracht werden. Dass es jetzt zurück in ihre vertraute Umgebung geht, kann man ihnen ja nicht begreiflich machen.
Wir haben schon etliche kätzische Besucher:innen mit Leckerlis aus ihren Verstecken gelockt, mit sanfter Gewalt aus Kleiderschränken gezogen oder ungeduldig mit einem Besenstiel hinter Sofas und Betten hervorgestochert. („Nein, ich geh jetzt nicht weg! Ich will erst das Fußballspiel fertiggucken!“)
Louis war unkompliziert. Bis jetzt!
Bei Louis war das bislang noch nie ein Problem. Wenn seine Menschen – oder auch nur einer davon – zum Abholen kommt, pflückt man ihn aus einem der Kleiderschränke oder lockt ihn unterm Tisch im Dachgeschoss hervor. Vielleicht sitzt er auch in der – natürlich trockenen – Dusche. Das ist dann ebenfalls kein Problem. Schnapp und hopp! Und tschüß.
Deshalb hatte ich mir die Abreise des Besuchers auch dieses Mal ganz einfach vorgestellt. Seine Futternäpfe waren gespült, die Transportbox stand bereit. Die Menschen mussten also nur noch ihren Kater einsammeln und fertig.
Nein, mit diesem Auto fährt er nicht!
Ha! Aber nicht mit Louis! Es fing schon damit an, dass sein Mensch mit dem „falschen“ Auto auf den Hof gefahren kam, nämlich mit dem eines Nachbarn. Und, oh Schreck, der Autobesitzer war mitgekommen und ging auch noch mit ins Haus! Das hatte alles gute Gründe, aber davon wusste der Kater ja nichts. ‚Also, nee‘, wird Louis sich gedacht haben, ’das war so nicht vereinbart. Das passt mir gar nicht. Da spiele ich nicht mit! Chef, fahr heim und komm mit dem richtigen Auto wieder. Und ohne den Nachbarn, wenn ich bitten dürfte.‘
Das End‘ vom Lied: Der Gastkater verdünnisierte sich und war wie vom Erdboden verschluckt.
Louis ist weg! Hausdurchsuchung zu dritt
Wir haben zu dritt das ganze Haus auf den Kopf gestellt, vom Keller bis zum Dachboden und wieder zurück. Keine Chance! Eine Katze, die nicht gefunden werden will, wird nicht gefunden, basta.
Mir war das unendlich peinlich. Erstens, weil das ausgesehen hat, als sei ich zu dämlich, eine reibungslose Katzenrückgabe zu organisieren, und zweitens, weil es nicht in jedem Winkel meines Hauses so makellos rein und superordentlich war, dass ich Besuchern ohne schlechtes Gewissen eine „Hausdurchsuchung“ hätte gestatten können. (Ich habe danach zeitnah den Keller grundgereinigt.)
Wir rannten mehrfach treppauf, treppab, schauten hinter jede Tür und in jede Ecke, verschoben dies und hoben das – aber Louis war nirgendwo zu entdecken. Meine eigenen Kater fanden diese Aktivitäten total interessant, taten aber nur so, als würden sie uns bei der Suche nach ihrem Kumpel helfen.
Irgendwann habe ich mir überlegt, ob der Gastkater sich nach draußen abgesetzt haben könnte. Aber das war in höchstem Maße unwahrscheinlich. Trotzdem haben wir uns natürlich Sorgen gemacht. Auch die Frau des Katzenbesitzers, die telefonisch auf dem Laufenden gehalten wurde.
Der Mensch fährt heim, der Kater bleibt
Es half alles nichts. Der Katzenbesitzer und sein Nachbar fuhren unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Ich packte Louis‘ Fressnäpfe aus und stellte sie frisch befüllt zurück ins Dachgeschoss. Irgendwann würde sich der Kater schon wieder materialisieren. Und dann würde ich ihn in dem Raum einsperren und seine Menschen anrufen, die dann eben ein zweites Mal von der Stadt hinaus aufs Land fahren müssten um ihn abzuholen. Ich selbst habe kein Auto, ich hätte ihnen ihren Louis nicht bringen können.
An dem Abend hatte ich keine Ruhe. Ich bin noch -zigmal durchs Haus gegangen und habe in die absurdesten Verstecke geschaut. Kein Louis weit und breit!
Hat sich da was bewegt? Hinten im Regal?
Zefix, das konnte doch nicht wahr sein! Es muss schon gegen halb elf gewesen sein, als ich nochmals in den Keller ging. Hat sich in der Kellerwerkstatt nicht was bewegt? Hinter der Kreissäge im Regal? Was Weißes? Ja, tatsächlich! Da, im allerletzten Winkel saß der Besucher und sah mich aus großen Augen unschuldig an.
Ich verließ schleunigst die Werkstatt, schloss die Tür hinter mir und rief Louis‘ Menschen an. Die waren erleichtert, zu hören, dass ich ihn gefunden hatte und es ihm gut ging. Und um jegliche weitere Kater-Fisematenten auszuschließen, sprang der Katzenbesitzer in sein Auto und fuhr nochmals raus zu uns.
Widerstand ist zwecklos!
Louis wollte immer noch nicht nach Hause, auch wenn das Auto dieses Mal das richtige war. Um ihn vom Kellerregal in seine Transportbox zu bugsieren, wurde die halbe Werkstatt umgeräumt. („Widerstand ist zwecklos – Sie werden transferiert werden!“) Ja, und dann ging es mit mehrstündiger Verzögerung für Mensch und Katz‘ endlich nach Hause.
Jetzt hoffe ich bloß, dass der Kater beim nächsten Besuch nicht wieder so ein Theater macht. Und falls doch, dass er sich wenigstens dasselbe Versteck aussucht wie beim letzten Mal.
Abbildung: Edith Nebel mit dream.ai
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