Storyolympiade 2009/2010: Rache! – Die 28 besten Geschichten

Buchvorstellung und Werkstattbericht

Storyolympiade 2009/2010: RACHE! ’“ Die 28 besten Geschichten des Wettbewerbs, Nittendorf 2010, Wurdack-Verlag, ISBN 978-3-938065-71-6, Softcover, 200 Seiten, Format: 13,5 x 21,5 x 1,8 cm, EUR 12,95.

Die Kurzgeschichtensammlung RACHE! kannte ich schon, als sie noch sooo klein war und lediglich eine Idee der Autorengemeinschaft GESCHICHTENWEBER für das Projekt ’žStoryolympiade 2009/2010’œ.

Die ’žStoryolympiade’œ gibt es bereits seit dem Jahr 2000. Sie ist ein jeweils themengebundener Kurzgeschichtenwettbewerb aus dem Bereich SF/Fantasy/Mystery, dessen beste Beiträge am Schluss in einem Band des Wurdack-Verlags veröffentlicht werden.

Darüber, was den Kriterien der Ausschreibung entspricht und generell veröffentlichungstauglich ist, entscheidet eine ’“ in diesem Fall achtköpfige ’“ GESCHICHTENWEBER-Vorjury. Diese Juroren lesen und bewerten sämtliche eingegangenen Beiträge und sortieren dabei schon mal kräftig aus. Von ursprünglich 241 Rache-Texten blieben am Schluss des Vorgangs noch 33 übrig.

Welche dieser verbliebenen 33 Geschichten preiswürdig sind und mit Gold, Silber und Bronze ausgezeichnet werden, darüber befindet eine personell anders zusammengesetzte Hauptjury. Bei der diesjährigen Storyolympiade waren es sieben Hauptjuroren ’“ und einer davon war ich.

Auf Platz 1 kam Martina Sprengers herrlich boshafte Kurzgeschichte ALLE ZEIT DIESER WELT: Sues Mann verliebt sich in die neue Nachbarin Elisa, ein puppenhaftes Geschöpf von aufreizender Hilflosigkeit. Durch Zufall kommt Sue hinter das Geheimnis ihrer Rivalin …

Mit EINE FRAGE DES PRINZIPS kam Daniela Herbst auf Platz 2: Wayne hat dem Teufel eine Lebensspanne von 150 Jahren abgezockt. Doch er hat die Rechnung ohne den Tod gemacht. Der kann es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn ihm einer ins Handwerk pfuscht. ’“ Schon witzig, wenn der Tod wie ein gestresster Arbeitnehmer herumlamentiert. Er hat ja auch einen echten Knochenjob, der Ärmste!

Silke Walksteins Story DIE STIFTE DES TEUFELS belegte Platz 3: Für die letzten paar Groschen, die der verarmte Kunstmaler Rupert in der Tasche hat, wollte er sich eigentlich einen Strick kaufen und sich erhängen. Stattdessen ersteht er in einem kleinen Laden fünf Kohlestifte. Mit denen zeichnet er sich seine Wut auf all die Mitmenschen vom Leib, die zu seinem Ruin beigetragen haben. Das hätte er nicht tun sollen …

Die übrigen 25 Geschichten sind so unterschiedlich wie ihre Verfasser. Da gibt’™s Mystery- und Fantasy-Szenarien mit rächenden Amazonen, Hexen und Hexenmeistern, Alchimisten und Dämonen, Zauberinnen die überhaupt keine sind und Elfen, die eine Frau ihres Volkes verteidigen, obwohl die das gar nicht will.

In den SF-Geschichten kommen wildgewordene Prozessoren vor, ein Klon mit eigener Agenda, Aliens, die als Kuscheltiere unterschätzt werden ’“ und Dalia, die Tochter eines Minenbesitzers, die den Freitod ihres Vaters rächen will. Die, die ihn ruiniert haben, mögen sie für eine dumme Blondine halten, aber Dalia hat viel von ihrem Vater gelernt … Diese Geschichte ’“ GOLDLÖCKCHENS RACHE von Arndt Wassmann ’“ gehört zu meinen Favoriten. Da hat’™s die Rächerin so richtig krachen lassen!

Manchmal bricht das phantastische Element gänzlich unerwartet in den gewöhnlichen Alltag ein. Bei der Fahrt in der U-Bahn, zum Beispiel, wo Benjamin eine ehemalige Schulkameradin trifft. Was eigentlich gar nicht sein kann, weil die junge Frau schon seit drei Jahren tot ist … (Sabine Lohrke: U-BAHN). Tom aus Heike Pauckners Story DIE TASCHENUHR will eigentlich nur ein Geschenk für seinen Vater kaufen. Auf das, was nun über ihn hereinbricht, ist er in keinster Weise vorbereitet. In Günter Wirtz’™ Geschichte ALP liegt das Phantastische allein an der überraschenden und originellen Erzählperspektive. Sehr amüsant! Ein oder zwei Texte, die die Wettbewerbsvorgaben etwas weiter auslegen, kann so eine Geschichtensammlung vertragen.

Ich kann hier nur beispielhaft einige Beiträge vorstellen, auch wenn es über jeden einzelnen etwas zu sagen gäbe. Wer Spaß am Genre der Phantastischen Literatur hat, ab- und hintergründige Geschichten mag und sich gerne von unterschiedlichen Autoren mit Variationen zu einem Thema unterhalten lässt, dem dürfte die Kurzgeschichtensammlung RACHE! gefallen.

Wer nicht nur die verschiedenen Spielarten der Rache genießen möchte, die in diesem Band so unterhaltsam geschildert werden, sondern mit dem Gedanken spielt, selbst mal einen phantastischen Beitrag zur Storyolympiade einzureichen, sollte auf die entsprechende Ausschreibung der GESCHICHTENWEBER achten. Die ’žStoryolympiade 2011/2012’œ ist bereits in Planung und Vorbereitung. Man muss auch nirgendwo Mitglied sein, um an dem Wettbewerb teilzunehmen zu können.

*****

Falls sich jemand fragt, wie eigentlich meine Finger in dieses Projekt kommen: Ich bin zwar kein Mitglied der GESCHICHTENWEBER, kenne und verfolge die Arbeit der Gruppe aber seit Jahren. Irgendwann hat man mich gefragt, ob ich bei der diesjährigen Hauptjury mitmachen wolle, und ich habe zugesagt ’“ nicht so genau wissend, worauf ich mich dabei einlasse. Normalerweise entscheide ich bei Texten ja nur nach dem ’žHit-oder-Shit’œ-Verfahren: Ein Beitrag kommt entweder für ein Projekt in Frage oder nicht. Hier dagegen muss man jede Geschichte nach verschiedenen Kriterien beurteilen, darf jede Punktzahlenkombination nur zweimal vergeben und trägt alle Werte in eine Tabelle ein, aus der schließlich die Gesamtwertung berechnet wird. (An dieser Tabelle wäre meine Jurorentätigkeit um ein Haar gescheitert, weil das Programm auf meinem Rechner nicht richtig lief.)

Da die Vorjury exzellente Arbeit geleistet hatte, lagen uns Hauptjuroren fast nur publikationsfähige Beiträge vor. Für mich waren viele Geschichten einfach auf hohem Niveau gut bis sehr gut. Und es war nicht immer einfach, die feinen Abstufungen zu machen, die das ausgeklügelte Bewertungssytem verlangte. Was soll man tun, wenn man drei Geschichten für sprachlich oder inhaltlich gleich stark hält, aber keine drei gleichen Punktzahlen vergeben darf? Man muss hier was abziehen, schlägt zum Ausgleich in einer anderen Rubrik wieder etwas drauf und hofft, dass man im großen und ganzen doch zu jedem Autor gerecht war.

Auch wenn ich manchmal gejammert und geflucht habe über diese penible Tabellenwirtschaft: Die Organisatoren der ’žStoryolympiade’œ haben seit 10 Jahren Routine in dem Job und wissen ganz genau, wie man es machen muss. So hat sich denn auch eine ’žTop 10’œ herauskristallisiert, über die sich die meisten Juroren wohl einig waren. Einstimmig wird man sich nie auf eine Rangfolge verständigen können. Denn Tabelle hin oder her: Das Bewerten literarischer Erzeugnisse ist und bleibt eine subjektiv gefärbte Angelegenheit.

Wer die Autoren der einzelnen Geschichten sind, erfuhr ich übrigens auch erstmals aus dem gedruckten Band. Die Jurymitglieder bekommen von den Organisatoren nämlich nur anonymisierte Manuskripte zugeschickt. Schummeln kann man hier nicht.

Ob ich auch beim nächsten Band wieder eine Juroren-Funktion haben werde, kann ich noch nicht sagen. Aber wer immer in der Jury sitzen wird, wird sich alle Mühe geben, aus der Gesamtheit der Einsendungen nur die allerbesten für die Leserinnen und Leser auszuwählen

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
     
http:// edithnebel.wordpress.com

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