Elke Schleich, Holger Dittmann (Hrsg.): YEAHSTERDAY

Elke Schleich, Holger Dittmann (Hrsg.): YEAHSTERDAY ’“ Stories in The Sky With Diamonds. Oschersleben 2007, Lerato-Verlag, ISBN 978-3-938882-66-5, 121 Seiten, 14,8 x 21 x 0,8 cm, EUR 9,95

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’žWas bedeutet Dir die Musik der Fab Four? Welche Erlebnisse, Geschichten, Träume knüpfen sich daran?’œ lautete die Kernfrage der Ausschreibung für diese Anthologie. 31 Autorinnen und Autoren schildern nun in diesem Band ihre Erinnerungen, Assoziationen, Erfahrungen und Geschichten rund um die vier Pilzköpfe aus Liverpool.

Wenn man die Frage so formuliert, ist es nur folgerichtig, dass der Löwenanteil der Beiträge autobiographische Züge trägt. Ob nun wirklich alles, was persönlich und biographisch klingt, selbst erlebt oder nur gut erfunden ist, sei dahingestellt. Interessant und unterhaltsam ist es auf jeden Fall.

Beatlemania in Ost und West

Für einen ’žWessi’œ ist es natürlich besonders spannend und aufschlussreich zu sehen, wie die Altersgenossen damals in der DDR das Phänomen ’žThe Beatles’œ erlebt und empfunden haben. In Holger Dittmanns Story YEAH, YEAH, YEAH! zum Beispiel haben der Ich-Erzähler und sein Kumpel ihr ’œErweckungs-Erlebnis’ durch eine brandneuen Beatles-Single, die ein Onkel mitgebracht hat. Wie sähe wohl die Welt aus, wenn sich die Mächtigen der Welt damals die Botschaft der Beatles-Songs zu Eigen gemacht hätten: Liebe, Frieden, Versöhnung? ’“ Auf die BEATLEMANIA IN DRESDEN blickt Andrea Noack zurück. Bettina Buske erinnert sich in WAS BLEIBT nicht nur an einen Freund aus der Schulzeit, sondern auch an den Tag, an dem das Gerücht ging, die Stones würden auf dem Dach des Springer-Hochhauses spielen.

Auch wer wissen will, wie die ’žWessis’œ die Zeit erlebt haben, findet hier reichlich Material. Ansgar Bellersen beispielsweise beschreibt in HI-HI-HILFE! (s)eine persönliche Begegnung mit den vier berühmten Musikern in einem Tonstudio in Soho. ’“ CAN’™T BUY ME LOVE findet Bernd Rümmelein. Liebe kann man nicht kaufen ’“ und seine Liebe konnten die Beatles nie erringen. Er fand den Kult, der um sie gemacht wurde, von je her unverständlich. ’“ Der Musiker Amadeo Mena Vicente ruft FINGER WEG!, denn er betrachtet seit früher Kindheit die Beatles ganz allein als seine Band, die seinen Werdegang maßgeblich beeinflusst haben. Und Arno Endler blamiert sich musikalisch IM ZIMMER MEINER EX-FREUNDIN. ’“ In Ednor Miers Story DAS IST MUSIK! erinnert sich die Großmutter daran, wie schrecklich ihre Pflegeeltern immer die Musik der Beatles fanden, die sie als Teenie so gerne hörte. Und was hält die Ich-Erzählerin heute von der Musik, die ihre Enkel hören …?

Wie sich das Phänomen ’žThe Beatles’œ auf eine Kleinstadt im Mittleren Westen der USA ausgewirkt hat, schildert Susan Szabo in ALS DIE BEATLES NACH TOMAH KAMEN.

Auch die Nachgeborenen kommen zu Wort, die mit der Musik der vier Pilzköpfe erst in Berührung kamen, als es die Band schon nicht mehr gab. Sandra Zydeks Erstkontakt erfolgte durch die Kindersendung ’žSesamstraße’œ mit ’žder besten deutschen Fassung aller Zeiten’œ: IN DEM GRÜN-GELBEN U-BOOT LEBEN WIR. ’“ Nils Dibbern sagt DANKE, MAMA!, denn sie war es, die ihn mit der Musik der Beatles bekannt gemacht hat.

Klassische Kurzgeschichten

Zu den klassischen Kurzgeschichten, in denen die Musik der Beatles eine tragende Rolle spielt, gehört z.B. Janna Ramms Story LEAVING HOME, in der sich die vernachlässigte Ina von einem Beatles-Song zum Ausreißen inspirieren lässt. Oder auch KOMM, GIB MIR DEINE HAND von Elke Schleich: Der 14-jährige Beatles-Fan Werner verliebt sich in seine Klassenkameradin. Aber erwidert sie auch seine Gefühle? ’“ In Karen Grols Story DER TAG DES KLATSCHMOHNS macht sich ein Journalist auf den Weg nach Liverpool, um seinen ehemaligen Schulkameraden Paul McCartney zu interviewen. ’“ DAS PILZKOPF-ORAKEL pflegte die Großmutter in der berührenden Geschichte von Anja Labussek zu befragen. Sie traf wichtige Entscheidungen stets anhand von willkürlich ausgewählten Textstellen aus Beatles-Songs und drängt eines Tages ihre Enkelin, dasselbe zu tun … Ebenfalls sehr zu Herzen geht YESTERDAY von Elke Schleich. Die Lieder der Beatles begleiten die Liebesgeschichte von Anne und ihrem Mann. Das Stück Yesterday spielt die Musik auch heute für sie ’“ zum allerletzten Mal ’¦

Schräg, skurril und abgefahren

Skurril ist Florian Hellers Beitrag YESTERDAY (GILMOUR, WATERS, MASON, WRIGHT) in dem sich zwei absolute Nullpeiler über Musik und Weltgeschehen austauschen. ’“ In Jürgen Miedls Text WALRUS MEETS HONEY PIE entspinnt sich ein höchst merkwürdiger Dialog, als sich das Walross und Honey Pie zufällig in einer Bar wiedertreffen. Mit einem erhöhten Ohrwurm-Aufkommen ist nach Lektüre dieser Geschichte zu rechnen. ’“ Ausgesprochen schräg ist das Telefonat, das das Ehepaar in der Story MAXWELL UND JOAN von Desmond Jones führt. Und einfach hinreißend bescheuert ist der köstliche Beitrag … BUT IST ALL WORKS OUT! von Plunki Stanorkel: Der Held hat eine eigene Sprache entwickelt. Ein Fall für Doctor Robert?

Es gibt noch weitere Beiträge leicht skurriler Natur. Nicht alle Texte dieser Kategorie funktionieren gleich gut. Oder vielleicht funktionieren manche nur bei wirklichen Beatles-Kennern, die bei Erwähnung jedes Titels spontan die richtige Melodie, den Text und die entsprechende Stimmung abrufen können. Der Durchschnitts-Zeitgenosse mag damit vereinzelt zu stark gefordert sein.

Poetisch

Poetisch nähert sich Peter Ettl der Beatles-Ära mit NORWEGIAN WOOD. Und Manfred Pricha widmet sein Gedicht EINIGES VOR 69 dem ’žSpiel mit Nadel und Rille’œ.

Sachlich

Auf der Sachebene betrachtet Jenny Stegt den Beatles-Mythos mit ihren beiden Beiträgen, die den Auftakt und den Abschluss der Anthologie bilden: ZUTATEN FÜR EINE ERFOLGREICHE BOYGROUP IN DEN SECHZIGERN und BEATLES ODER PIZZA.

Eine Zeitreise in die 60-er Jahre

Ob journalistisch oder poetisch, klassisch, skurril oder autobiographisch: die Beiträge in dem Buch nehmen den Leser mit auf eine Zeitreise in die 60-er Jahre. Unwillkürlich beginnt man, über die eigenen Erlebnisse, Erfahrungen und Erinnerungen nachzudenken ’“ und ertappt sich auch Wochen nach der Lektüre noch dabei, Fragmente von Beatles-Songs zu pfeifen und zu trällern.

In dieser abwechslungsreichen Sammlung wird jeder seine Favoriten finden. Dafür haben die 31 ’žPaperback Writer’œ, die Autoren der 35 höchst unterschiedlichen Textbeiträge, gesorgt. Man wird sich nicht mit allen Texten identifizieren können. Das ist bei dieser Vielfalt an Betrachtungs- und Herangehensweisen an das Thema auch nicht zu erwarten. Doch gerade diese Vielseitigkeit macht den Reiz der Geschichtensammlung aus.

Jeder Autor nimmt den Leser mit auf seine ganz eigene ’“ und manchmal überaus persönliche ’“ Zeitreise ins Yesterday. Also: Wenn Sie mitkommen wollen auf eine Magical Mystery Tour ’“ hier ist Ihr Ticket to Ride!

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