Detlef Bluhm (Hrs.): Von Katzen und Frauen

Detlef Bluhm (Hrsg.): Von Katzen und Frauen, Berlin 2013, Insel Verlag, ISBN 978-3-458-35912-8, Softcover, 172 Seiten, mit s/w-Abbildungen, Format: 18,6 x 11,6 x 1,8 cm , EUR 8,00 (D), EUR 8,30 (A).

Frauen und Katzen wird seit Alters her eine besonders innige Beziehung nachgesagt. Die Begründung, die Detlef Bluhm uns dafür liefert, leuchtet ein: Während der Hund den Mann aufs Feld oder zur Jagd begleitete und Haus und Hof bewachte, war die Katze von Beginn ihrer Domestikation an dafür zuständig den Innenbereich – Ställe, Speicher, Wohn- und Schlafräume – von Mäusen freizuhalten. „Die Katze war also die Behüterin der Lebensmittelvorräte und Jägerin der Ratten und Mäuse im Haus, somit dem hauptsächlichen Wirkungsbereich der Frau zugeordnet (…). So begann die enge Beziehung zwischen Katzen und Frauen bereits vor Jahrtausenden und dauert bis heute an.“ (Seite 164)

In dieser Anthologie hat Detlef Bluhm 25 Erzählungen, Tagebuchtexte, Briefe und Romanauszüge aus zwei Jahrhunderten zusammengetragen, die ein vielschichtiges Bild vom komplexen Beziehungsgeflecht zwischen Katzen und Frauen zeichnet.

Marlen Haushofer erzählt von einer freiheitsliebenden Katze, die ihr zugelaufen ist, und vor der sogar ihr Hund Respekt hat. Bei Hilde Domin in Andalusien zieht gleich eine ganze Katzenfamilie ein. Doris Lessings Katzen müssen sich nach einem Umzug an eine neue Umgebung gewöhnen. Das wirkt sich auch auf die Beziehung der Tiere untereinander aus.

Antonia Whites Katze Minka ist eine Meisterin im Schnurren. Angelika Schrobsdorf kümmert sich um herrenlose Katzen in Jerusalem, was sich zu einer Herkulesaufgabe auswächst. Ella Maillart zieht mit ihrer Katze Ti-Puss durch Indien. Bis das Tier auf einmal verschwindet … Colettes Katze Nonoche entwöhnt ihren Sohn, auch wenn dem das gar nicht passt.

Irmtraud Morgner träumt, sie sei eine meschenfressende Katze. In Patricia Highsmiths Kurzkrimi legt sich ein etwas zwielichtiger Geselle mit dem Kater seiner Freundin an. In Joyce Carol Oates‘ Geschichte ist die neunjährige Jessica eifersüchtig auf das neue Schwesterchen. Und nur der wilde Kater mit dem distelwollegrauen Fell weiß es.

Virginia Woolf kauft sich von ihrem ersten Honorar als Journalistin eine Perserkatze. Sylvia Beach erzählt von der schwarzen Katze Lucky, die in einer Buchhandlung zu Hause ist und gerne Handschuhe und Hüte anfrisst. Irmgard Zwerenz‘ Miezen zerfetzen mit Vorliebe Notizen und Manuskripte des Schriftstellerhaushalts und die Katze von Mary und Charlie Dickens weiß ganz genau, wie sie den Herrn des Hauses vom Lesen abhält.

Edith Sitwell berichtet von einem verwöhnten Kater, der im Haushalt eines Freundes das Regiment führt. Brigitte Kronauer beobachtet ihre Samtpfote und macht sich generell Gedanken über das Wesen der Katze. Anne Frank macht Tagebuchnotizen über die Lager-und Bürokatze Moffi. Rosa Luxemburg schreibt aus dem Gefängnis besorgte Briefe an die Dame, die sich derzeit um ihre Katze Mimi kümmert und Christa Wolf lässt Kater Max über seinen Menschenhaushalt lästern.

Elisabeth Castonier erzählt von Old Ma, Ink, Rum, Gin, Herzogin Nina und den vielen anderen Katzen von der Mill Farm. Auch eine Maus namens Unfug spielt eine Rolle. Sarah Kirsch und Eva Demski haben (ihren) Katzen Gedichte gewidmet. Christa Reinig begleitet das Sterben alten Katers Kolumbus, der nach seinem Tod „das größte Katzendenkmal der Welt“ bekommt. Margaret Atwood überlegt sich, wie der Katzenhimmel aussieht und Katja Lange-Müller fragt sich, wie es wohl damals zugegangen ist, als Gott die Katze erschuf.

Dadurch, dass die Quellen der Textbeiträge so unterschiedlich sind, zeigt diese Sammlung an Texten in der Tat eine erstaunliche Vielfalt an „Beziehungsgeschichten“ zwischen Katzen und Frauen. Für die einen sind Katzen unabhängige Mitbewohner oder Nutztiere, gern auch auf Zeit, die anderen sehen ihn ihnen gute Freunde, einen Kindersatz oder verwöhnte Prinzen und Prinzessinnen. Und manch einem weiblichen Wesen sind Katzen tatsächlich ein bisschen unheimlich. Der graue Kater in Joyce Carol Oates Geschichte NIEMAND KENNT MEINEN NAMEN hat durchaus etwas Bedrohliches. Und Patricia Highsmiths Kater Ming ist auch nicht ohne …

Natürlich lesen sich komplett ausgearbeitete Kurzgeschichten anders als Romanauszüge, Briefe oder Tagebucheinträge. Bei den einen handelt es sich um abgeschlossene, eigenständige Texte, die anderen stehen in einem größeren Zusammenhang, den man entweder erklärt bekommen oder erahnen muss. Kennt man die Quellen nicht, ist manches schon am Rande der Unverständlichkeit. Bei dem Auszug aus Sylvia Beachs Buch SHAKESPEARE AND COMPANY wird zum Beispiel nicht klar, wer die alle sind, von denen hier die Rede ist. Da muss man entweder das Buch kennen oder googeln. Joyce ist keine Frau, sondern der Schriftsteller James Joyce. Bei Teddy könnte es sich um einen Hund handeln. Und Adrienne?

Als „Appetithappen“ funktioniert das Buch auf alle Fälle. Man könnte wieder mal was von Angelika Schrobsdorf lesen. Oder von Sarah Kirsch. Oder Patricia Highsmith, oder, oder, oder … Ella Maillarts Indienreise in Begleitung ihrer Katze Ti-Puss klingt sehr interessant. Da sollte man sich vielleicht mal den kompletten Reisebericht beschaffen. Und was schreibt eigentlich Katja Lange-Müller so, wenn sie sich nicht gerade darüber nachdenkt, wie Gott die Katze schuf?

Es muss eine Heidenarbeit gewesen sein, all diese Texte über Frauen und Katzen zusammenzustellen. Wo es entsprechende Kurzgeschichten gibt, lässt sich sicher noch vergleichsweise leicht recherchieren. Aber wer weiß schon, in welchen Romanen, Sach- oder Tagebüchern Textpassagen vorkommen, die die Beziehung zwischen Frauen und Katzen reflektieren?

Detlef Bluhm hat es geschafft, diese Texte zu finden. Er hat ja auch das entsprechende Hintergrundwissen. Damit hat er uns eine abwechslungsreiche und unterhaltsame jüngere Kulturgeschichte der Katzenhaltung beschert. Nur, wie gesagt: Manche Beiträge hätten ein bisschen mehr Informationen über den Kontext vertragen.

Der Autor
Detlef Bluhm, geboren 1954, ist Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Berlin-Brandenburg. Er hat mehrere Bücher zur Kulturgeschichte der Katze veröffentlich.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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