Dem britischen Archäologen Howard Carter gelang im Jahre 1922 der Sensationsfund nach sieben Jahren erfolgloser Suche. Die Entdeckung des Grabes bewirkte eine wahre „Ägyptomanie“ und löste eine Welle neuer Forschungen aus. Heute werden die Schätze des Grabes in mehreren Galerien des Ägyptischen Museums in Kairo täglich von hunderten Besuchern bewundert. Wegen ihres unschätzbaren Wertes wie auch aus konservatorischen und sicherheitstechnischen Gründen können die Originale nicht mehr außerhalb Ägyptens gezeigt werden.
Die Ausstellung „Tutanchamun“ bietet detailgetreue und faszinierende Repliken ausgewählter Originale, darunter die goldenen Särge und Schreine des Pharao, seine prächtige Goldmaske, den Thron des Herrschers und andere kostbare Möbel. Auch die weltberühmte Büste der Königin Nofretete, (…), gehört zu den Highlights. Zusammen mit weiteren, teils großformatigen Architekturelementen vermittelt die Sonderschau ein lebendiges und anschauliches Bild des antiken Ägypten. (Aus der Presseinformation)
Nach Ägypten werde ich vermutlich nie kommen und die Vorstellung, mich in Berlin durch eine extrem gut besuchte Ausstellung mit Original-Exponaten aus dem alten Ägypten zu drängeln, flößt mir Angst ein. Da kam mir die Ausstellung „Tutanchamun – Reise in die Ewigkeit“ in Ludwigsburg gerade recht. Da kann ich schnell mit der S-Bahn hinfahren, bin in einer Stunde durch die Ausstellung durch und habe vor Ort vermutlich keine konkurrierenden Menschenmassen zu befürchten. Die Exponate sind nämlich Duplikate, angefertigt von Künstlern nach Vorbild der Originale aus den ägyptischen Museen in Kairo und Berlin. Weitere Exponate stammen leihweise aus dem Liebighaus in Frankfurt.
Ich fuhr also am Montag so zeitig hin, dass ich kurz vor der Hallenöffnung vor Ort war. Für mich als Frühaufsteher ist das kein Problem, und es zahlte sich aus. Ich hatte die Ausstellung eine Weile für mich allein, setzte mich ins „Museumskino“ und sah mir ein Filmchen über die Ausgrabung an.
Originalaufnahmen der Ausgrabung waren auf Posterformat hochvergrößert, hingen bei ausgewählten Ausstellungsstücken und zeigten, wie Howard Carter und eine Kollegen die Kunstschätze 1922 in den Grabkammern vorfanden. Das sah wie bei einer Sperrmüllsammlung aus! So prachtvoll inszeniert wie in den Ausstellungsräumen waren die Artefakte im Königsgrab nicht. Wie auch? Die hatten ja damals noch keine moderne Lichttechnik! 😉
Der Vorteil dieser kleinen Duplikate-Ausstellung: Man kann die Artefakte anfassen und ganz nah herangehen. Der Nachteil: Man kann die Artefakte anfassen und ganz nah herangehen. 😀 Die Holz/Gipsbüsten wie die Echnatons oder die legendäre Darstellung der Nofretete sehen aus „wie echt“. Ein halbes Dutzend Mal habe ich die Nofretete bewundernd umkreist. Leider darf man bei der Ausstellung nicht fotografieren, das hätte tolle „Porträtfotos“ gegeben!
Sobald Metall im Spiel ist, sieht man schon, dass das ganze ein Fake ist. Messing geht eben nicht für Gold durch. Und manchmal braucht man schon sehr viel Phantasie. „Im Original ist der Dolch mit Einlegearbeiten aus Glas verziert“, liest man auf der Tafel. Und was man sieht, ist eine Messingklinge mit einem vergoldeten Griff, ganz ohne farbige Verzierung. Oder: Das Original der Kopfstütze ist aus blauem Glas mit goldenen Einsprengseln, die Kopie aus blau bemaltem Holz oder Gips. Aber man weiß ja, wo man hingegangen ist: in eine Duplikate-Ausstellung, in der das Gold aus Messing ist, das Elfenbein und die Mumien aus Gips und das Alabaster aus Plastik.
Trotzdem bekommt man einen Eindruck von der Pracht und Herrlichkeit der Original-Kunstschätze. Und man sieht sie vor allem mal original groß! Bestimmt stand in meinen Büchern auch eine Größenangabe bei dem Eibenholzkopf der Königin Teje. Und doch war ich überrascht: Wie? Der ist ja nur unwesentlich größer als ein Semmelknödel! Ich hatte mir immer eine lebensgroße Skulptur darunter vorgestellt.
Jetzt bin ich natürlich kein großer Kenner der altägyptischen Kunstschätze. Mich hat nur in den 60-er Jahren schon die Totenmaske des Tutanchamun fasziniert. Da muss ich 8 oder 9 gewesen sein. Aus einer Zeitschrift, ich glaube, es war der „Stern“, habe ich mir eine ganzseitige Abbildung der Totenmaske herausgerissen, die viele Jahre lang gerahmt in meinem Zimmer hing. Eine Freundin brachte mir Jahre später ein Buch über Tutanchamun aus dem Museum in Berlin mit. Ich glaube, ich habe sogar noch die Plastiktüte aufgehoben, in der sie mir das Buch brachte. Vor kurzem habe ich sie noch gesehen.
Jedenfalls fand ich damals schon, dass einer der drei Särge, die ja alle ein Ebenbild der Totenmaske tragen sollen, ganz andere Gesichtszüge zeigt als die übrigen. Das war doch nicht König Tut! Der sah doch völlig anders aus! Experten ist das sicher schon lange klar. Ich fand die Bestätigung für meine damalige Beobachtung erst jetzt auf dieser Ausstellung. Nach Jahrzehnten!
„Da sich das Gesicht (auf dem mittleren Sarg) deutlich von denen des äußeren und inneren Sarges unterscheidet, wird vermutet, dass dieser Sarg ursprünglich für jemand anderen gefertigt wurde, bevor er das Sargensemble des Tutanchamun ergänzte.“ So steht es auf Seite 107 des Ausstellungskatalogs, und so ähnlich stand es auch auf der Informationstafel. „Siehste!“, hätte ich am liebsten gerufen.
Wieder was gelernt! Und auch wenn die Veranstaltung irgendwo zwischen Wissenschaft, Kunst und Jahrmarkt wabert – sie war interessant und ein kleiner Ansporn, sich wieder mal ernsthaft mit „King Tut“ zu befassen.