Anni Bürkl: Göttinnensturz – Ein Salzkammergut-Krimi

Anni Bürkl: Göttinnensturz, Meßkirch 2013, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-1419-0, Softcover, 282 Seiten, Format: 19,8 x 12 x 1,8 cm, EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A).

Sie muss einmal ein wildes Leben geführt haben mit einem Superjob als Eventmanagerin in Wien und London, mit Geld, Partys und vielen unverbindlichen Beziehungen – bis die große Lebenskrise kam. Das Partyleben und die chaotische Familie blieben in Wien zurück, Berenike Roither, 39, zog nach Bad Aussee im Salzkammergut und eröffnete einen Salon für Tee und Literatur.

Fünf Jahre ist sie jetzt schon da. Beschaulich ist ihr Leben trotzdem nicht geworden. Sie hat nämlich das Pech, immer wieder in Kriminalfälle verstrickt zu werden, was ihr den Ruf einer „Miss Marple des Salzkammerguts“ eingebracht hat – und einen Lebensgefährten, der Inspektor bei der Grazer Kriminalpolizei ist, Abteilung Leib und Leben. Jonas Lichtenegger ist der Seelenverwandte, der ihr so lange gefehlt hat. Er hat, wie sie, eine Zeit lang in Großbritannien gelebt und er hat, wie sie, jüdische Wurzeln.

Alles kann Berenike ihrem Liebsten aber auch nicht anvertrauen. Als die PR-Fachfrau Monika Leitner tot aus dem Wolfgangsee gefischt wird, erdrosselt mit ihrer eigenen Dirndlschürze, behält sie für sich, dass sie am Vorabend noch heftig mit dem Opfer gestritten hat. Berenikes Heimlichtuerei bringt Spannungen in die Beziehung zu Inspektor Jonas Lichtenegger. Dass er mit der offenherzigen Mode-Designerin Franziska Liszt flirtet, bessert die Stimmung auch nicht gerade.

Zunächst vermutet man das Mordmotiv in Monika Leitners turbulentem Privatleben. Dass sie eine einzelne Tarotkarte bei sich hatte, wird als Zufall betrachtet. Doch bei einem Toten bleibt es nicht. Ein Trachtenmodenschneider und ein Schuhmacher gehören zu den nächsten Opfern und werden jeweils mit einer Tarotkarte aus demselben Deck aufgefunden. Alle drei hatten etwas mit der Organisation des örtlichen Narzissenfests zu tun. Es lassen sich aber auch andere Zusammenhänge konstruieren. In einer überschaubaren Gemeinde gibt es eben viele Berührungspunkte.

Die Polizei sucht nach Spuren und Hinweisen, Berenike sucht ihr verschwundenes Tarot-Deck und befürchtet, dass die Leichen mit ihren Karten markiert wurden. Und bald sucht die Gemeinde nach einer verschollenen Schriftstellerin und einem abgängigen Busunternehmer. Sind das die nächsten Opfer? Obwohl sie in keines der möglichen Muster passen? Als auch noch Jonas Lichtenegger unerreichbar ist, pfeift Berenike auf alle Theorien, Warnungen und Beziehungsstreitigkeiten und sucht den Menschen auf, mit dem Jonas zuletzt gesehen wurde. Ob das eine gute Idee ist …?

Der Täter führt ein „mörderisches Logbuch“ in das der Leser im Verlauf der Geschichte immer wieder Einblick erhält. Als routinierter Krimileser hat man schon bald einen Verdacht, allerdings auch Zweifel. Noch interessanter als die Frage, wer es denn nun war, ist es ohnehin, Berenike bei ihren Ermittlungen über die Schulter zu sehen. Eigentlich hasst sie es, über Leichen zu stolpern und in Mordfälle verwickelt zu werden. Es passiert einfach. Und wenn sonst keiner die Ordnung wiederherstellt, ermittelt sie eben selbst, damit sie schnellstmöglich wieder in Ruhe und Frieden mit ihrem Lebensgefährten und den drei Katzen Marlowe, Dr. Watson und Miss Marple leben kann. Stress und Aufregung hatte sie in ihrem alten Leben genug.

Die Handlung ist packend, das Ambiente angenehm und die Heldin interessant und sympathisch. In Bad Aussee kann gern weiterhin literarisch gemordet werden. Es hat allerdings nur knapp 5.000 Einwohner. Nicht, dass die uns noch ausgehen!

GÖTTINNENSTURZ ist Anni Bürkls vierter Roman mit Teelady Berenike Roither. Wer die ersten drei nicht gelesen hat, braucht ein bisschen Geduld. Was man von der Vorgeschichte wissen muss, wird irgendwann erklärt. Die Wissenslücken eines Quereinsteigers kann man natürlich nicht per Infodumping gleich am Anfang schließen. Und so wundert sich der Neuling zunächst, warum sich Berenike und ihr Freund zwar mit „shalom“ begrüßen, darüber hinaus aber keinerlei Spuren ihres kulturellen Hintergrunds zu finden sind. Küche, Dekoration, Redensarten … irgendwas von daheim bleibt doch immer hängen, ganz egal, woher man kommt. Warum das hier anders ist, wird nicht restlos geklärt. Wer die Vorgeschichte der sympathischen Heldin vollständig ergründen möchte, hat jedoch die Möglichkeit, die Vorgängerbände SCHWARZTEE, AUSGETANZT und NARRENTANZ zu lesen.

Nicht-Österreicher brauchen übrigens keine Verständnisprobleme zu befürchten. Auch wenn sprachlich unverkennbar ist, wo die Geschichte spielt, werden keine allzu exotischen Dialektbegriffe verwendet. Okay: Ein Greißler ist sowas wie ein Tante-Emma-Laden, die WEGA ist eine Sondereinheit der Polizei, ähnlich dem deutschen SEK, ein Feitel ist ein Messer und anlassig bedeutet zudringlich. Alles andere erklärt sich von selbst.

Ein paar Erbsen wollen auch noch gezählt sein: Der Kater, der auf Seite 193 Amseln jagt, kann nicht Spade sein. Von dem wird auf Seite 51 berichtet, dass er im Herbst verstorben sei. Und wenn Berenike auf Seite 194 zu Fuß zum Hotel Seesturm geht, womit fährt sie dann auf Seite 199 wieder heim? Der wiederholte Wechsel der Zeitform vom Präteritum zum Präsens ist sicher Absicht und ein erprobtes Stilmittel, kann einen aber beim Lesen ein bisschen aus dem Konzept bringen. Was jedoch der guten Unterhaltung nicht wirklich schadet.

Die Autorin
Anni Bürkl, Jahrgang 1970, lebt und arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Ghostwriter in Wien. 2003 wurde sie mit dem Theodor-Körner Förderungspreis ausgezeichnet, 2010 erhielt sie das Krimi-Stipendium der Stadt Wiesbaden. Ihre Internetseite: http://www.annibuerkl.at

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

http://www.boxmail.de

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert