Silke Porath: Mutti muss mit – Roman

Silke Porath: Mutti muss mit, Berlin 2014, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, ISBN 978-3-86265-366-9, Softcover, 229 Seiten, s/w-Illustrationen von Kyuree, Format: 18,8 x 12,4 x 2,4 cm, EUR 9,95.

Abbildung: © Schwarzkopf 6 Schwarzkopf
Abbildung: © Schwarzkopf 6 Schwarzkopf

„Du hast dich in einen verheirateten Mann verknallt. Der kann oder will sich nicht von seiner Holden trennen. Ihr denkt, die Gute hat keine Ahnung vom Doppelleben des Gatten. Pustekuchen, sie weiß es längst. Aber statt flennend in der Ecke zu hocken, drückt sie dir ihr Schwiegermonster aufs Auge und macht sich einen Lenz an der Ostsee. Wovon ihr Mann aber nichts wissen darf, warum auch immer. Richtig so?“ (Seite 84)

Weil Claudia Rombachs verheirateter Lover, der Banker Bernd Hornung, so gar keine Anstalten macht, sich von seiner Frau zu trennen, nimmt die junge Floristin die Sache selbst in die Hand. Sie wird bei Bernds Frau Karin vorstellig und sagt unumwunden: „Ich bin die Geliebte ihres Mannes.“

Karin sieht sie Sache erstaunlich gelassen. Sie hat längst Bescheid gewusst. Und sie macht mit ihrer Konkurrentin einen Deal: Wenn sie schon partout ihren Mann haben will, dann gehört das Schwiegermonster Änne aber mit zum Paket. Und mit deren Betreuung kann sie gleich loslegen: Ännes einwöchiger Kur-Aufenthalt im Allgäu steht an. Da ist sonst immer Karin mitgefahren, jetzt soll Claudia das tun. Karin reist derweil zum Nachdenken an die Ostsee.

Bernd erfährt nichts davon. Für ihn ist Karin mit seiner Mutter im Allgäu und Claudia entspannt sich am Meer. Man fragt sich, warum Änne da mitmacht und nicht gleich petzend zu ihrem Sohn rennt. Thematisiert wird das nicht. Vielleicht hofft sie ja, „das Liebchen“ mit ihrer herrischen Art in die Flucht schlagen zu können. Dann bliebe ihr Karin hoffentlich erhalten und es gäbe keine lästigen Veränderungen.

Herrisch ist Änne in der Tat! Sie scheucht Claudia herum wie ein Dienstmädchen, und die junge Frau weiß nicht, ob sie nun knicksen oder salutieren soll. Die Woche im Kurhotel wird alles andere als erholsam. Claudia allein unter Rentnern und unter der Fuchtel der überaus anspruchsvollen Änne Hornung, geplagt von Kur-Anwendungen, die zu nachtschlafender Zeit beginnen. Außerdem muss sie die ganze Zeit mit Karin Kontakt halten, um Bernd authentisch vom Urlaub an der Ostsee berichten zu können. Und dann will ihr Lover auch noch vorbeikommen, um nach seiner Mutter zu sehen, die sich beim Walking eine Fußverletzung zugezogen hat! Das geht gar nicht! Dann fliegt ja alles auf!

Eine Stütze sind ihr da die Telefonate mit Freundin und Kollegin Manuela. Auch ihr sympathischer Chef Jasper zeigt Mitgefühl. Aber die sind alle so weit weg! Besser wird die Lage erst, als sie beim Nordic Walking die pfundige und lebenslustige Mittfünfzigerin Hella kennenlernt. Diese Frau – deren Vorgeschichte sich erst nach und nach offenbart – hat genügend Distanz, Mitgefühl und Lebenserfahrung, um Claudia die richtigen Fragen zu stellen. Und so kommt unsere verliebte Floristin zwischen Sport, Massage, Trachten-Abend, Schlagerdisco und dem anstrengenden Betüteln der übergriffigen Schwiegermutter in spe tatsächlich ins Grübeln: Ist der Kerl daheim überhaupt den ganzen Aufstand wert?

Bernd indes wähnt alles in bester Ordnung und ahnt nicht, was sich da über ihm zusammenbraut …

Änne, das Schwiegermonster, ist schon der Hammer! Kommandiert alle in ihrer Reichweite herum, als seien sie ihre Leibeigenen. Was passiert wohl, wenn einer mal nicht springt, wenn sie pfeift? Fällt sie dann vor Schreck tot um, weil ihr das ihrer Lebtag noch nicht passiert ist? Claudia denkt nicht daran, das auszuprobieren. Sie ist voll im Einschleim-Modus, weil sie sich mit ihrer künftigen Schwiegermutter partout gutstellen will. Offener Widerstand ist da nicht zielführend. Allerdings unterläuft sie deren Attacken mitunter. Beim Kofferpacken, zum Beispiel. Dafür hat sie minutiöse Anweisungen bekommen, die sie äußerst kreativ umsetzt. Diese Szene ist genial!

Auch klasse: Der unverschämt indiskrete Fragebogen, den Änne ihr vorlegt und schriftlich beantwortet haben will. „Sind Sie fruchtbar? Wollen Sie Kinder? Wie würden Sie Ihre Kinder nennen (bitte für jedes Geschlecht drei Beispiele)?“, möchte sie z.B. wissen (Seite 147). Ja, sag mal, geht’s noch? Sowas kann man doch nicht bringen! Das denkt Claudia zwar auch, aber sie fügt sich … auf ihre Art. Wir erfahren, was sie zu den einzelnen Fragen wirklich denkt und lesen, wie sie das dann schwiegermuttergerecht formuliert. Das Mädel sollte in die Politik gehen!

Claudia Rombach ist ein typisches Silke-Porath-Geschöpf: sympathisch-chaotisch, attraktiv aber nicht makellos schön, clever aber nicht übermäßig intellektuell oder ehrgeizig, sondern auf der Suche nach einem bescheidenen Glück. Das aber wird zielstrebig verfolgt, gern auch mit unkonventionellen Mitteln, doch nicht um jeden Preis. Eine Normalfrau eben, die in eine nur leicht überspitzt geschilderte Ausnahmesituation gerät und hoffentlich die richtigen Entscheidungen trifft.

Nett sind die winzigen Insider-Gags, die auf andere Bücher der Autorin anspielen. Auf Ännes Frage nach ihren Lesegewohnheiten erinnert sich Claudia z.B. ausgerechnet an einen Roman, den Silke Porath geschrieben hat. Wer den Titel kennt, freut sich darüber wie über einen geheimen Witz. Wer ihn nicht kennt, merkt nicht einmal, dass ihm gerade etwas entgangen ist. Diese Querverweise sind kleine Bonbons für treue Fans.

Allzu tief sollte man nicht darüber nachgrübeln, warum die Personen so geworden sind wie sie sind und das tun, was sie tun. Sie werden schon ihre Gründe haben. Auf jeden Fall ist die Geschichte witzig und unterhaltsam, und wer schon mal etwas mit Kurkliniken oder Wellnesshotels zu tun hatte, wird vieles grinsend wiedererkennen. Sollte eine meiner Freundinnen zur Kur gehen, werde ich ihr dieses Buch als Reiselektüre mitgeben. Und wenn die Kioske auf dem Gelände der Kur- und Wellnesstempel auch Bücher verkaufen, wäre es eine gute Idee, wenn sie MUTTI MUSS MIT in ihr Angebot aufnähmen. Weil’s einfach so schön passt.

Die Autorin
Silke Porath, geboren 1971, lebt mit ihrem Mann in ihrer Heimatstadt Balingen das Modell »Patchworkfamilie«. Sie ist Mitglied der 42erAutoren und hat bereits mehrere Romane im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag veröffentlicht. Zuletzt SALAT MUSS DURCHS KANINCHEN, zusammen mit Ulrike Renk, und EIN SCHUH KOMMT SELTEN ALLEIN, ein Roman über die drei wichtigsten Dinge im Leben einer Frau – Schuhe, Schuhe und Schuhe.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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