Jessica Kremser: Frau Maier sieht Gespenster. Frau Maiers dritter Fall

Jessica Kremser: Frau Maier sieht Gespenster. Frau Maiers dritter Fall, Bielefeld 2015, Pendragon-Verlag, ISBN 978-3-86532-455-9, Softcover, 331 Seiten, Format: 11,3 x 2,5 x 18,8 cm, Buch: EUR 12,99, Kindle Edition: EUR 12,99.

Abbildung: (c) Pendragon-Verlag
Abbildung: (c) Pendragon-Verlag

„Das Geheimnis jeder guten Sache ist: Machen Sie es wenn, dann richtig. Mit Überzeugung. (…) Das gilt für einen guten Job. Für eine gute Ehe. Und für einen guten Mord.“ (Seite 278)

Frau Maier, Mitte 60, bescheiden, menschenscheu und wortkarg, lebt allein mit ihrer Katze in einem kleinen Häuschen am Chiemsee und arbeitet als Putzfrau. In ihrer Einsamkeit hat sie sich eingerichtet. Kontakt hat sie im Grunde nur zur Sparkassenangestellten Elfriede Gruber, zum Polizeipsychologen Frank Schön und zu Seppi vom Supermarkt. In Kauzing, dem Dorf, in dem sie lebt, hat sie sich nie wirklich heimisch gefühlt, obwohl sie schon Jahrzehnte hier lebt. Sie ist eben keine Einheimische. Dass sie in jungen Jahren in den Fischer Karli verliebt war, nehmen ihr manche Leute heute noch übel. Er war mit Maria verlobt – die er später auch geheiratet hat – , da brauchte sich keine Fremde dazwischenzudrängen.

Frau Maier trauert ihrem Karli bis heute hinterher. Geheiratet hat sie nie. Jetzt ist er Witwer und wäre damit frei. Aber Frau Maier hat gar keine Zeit, darüber nachzudenken, ob sie ihn überhaupt noch haben will. Wieder einmal hat sie eine neue Arbeitsstelle angetreten, diesmal als Putzfrau im Schloss Herrenchiemsee. Sie muss sich an neue Abläufe und neue Kollegen gewöhnen … und ein bisschen unheimlich ist es dort auch. Insbesondere beim Reinigen es Spiegelsaals kommt sie sich gelegentlich beobachtet vor. Ist da nicht gerade eine Gestalt im pelzbesetzten königsblauen Mantel um die Ecke gehuscht? Der Geist von König Ludwig II.?

Doch an Gespenster glaubt die bodenständige Frau Maier nicht. Schnell stellt sich heraus, dass dieser Spuk menschlichen Ursprungs ist: Ein etwas schrulliger Gärtner ist König-Ludwig-Fan und geistert gerne mal in Verkleidung durch die Räume. Doch damit ist schnell Schluss: Beim Putzen stolpert Frau Maier buchstäblich über seine Leiche. Konny Freiberger ist erschlagen worden!

Zum Glück ist diesmal nicht der grantige Kommissar Brandner der leitende Ermittler. Dem ist sie schon zweimal bei anderen Fällen in die Quere gekommen und er ist gar nicht gut auf sie zu sprechen. Der unerfahrene Kommissar Förster, der mit dem Fall betraut ist, scheint der Sache nicht gewachsen zu sein. Da muss Frau Maier ja quasi selbst ermitteln, sonst finden die den Mörder nie! Und schon schnüffelt sie im Schloss und auf dem Gelände herum und fragt die Leute aus. Einer harmlosen Omi wie ihr geben die meisten auch ganz arglos Auskunft.

Museumsführerin Vroni Mittermaier weiß zum Beispiel zu berichten, dass der Ermordete mitten in einem üblen Scheidungskrieg steckte. Ehe sie aber ins Detail gehen kann, hat sie einen Unfall und ist erst einmal außer Gefecht gesetzt. Und auch ein alter Herr im Seniorenheim bekommt keine Chance, sein Hintergundwissen mit Frau Maier zu teilen.

Konnys Witwe macht gar kein Hehl daraus, dass sie froh ist, ihren Mann los zu sein. Aber sie kann ihn nicht umgebracht haben, sie hat ein wasserdichtes Alibi. Wenn es keine Beziehungstat war, was war es dann? Frau Maier steigt in Freibergers Häuschen ein und findet neben König-Ludwig-Devotionalien allerlei überaus Merkwürdiges. Aber wie soll sie dem Kommissar davon erzählen: „Das habe ich bei einem Einbruch entdeckt“?

Weil Frau Maier immer ganz genau hinschaut, fallen ihr auch im Schloss ein paar merkwürdige Dinge auf. Ist es von Bedeutung, dass die geschnitzte Krone auf dem Thron einen Riss hat? Oder war das schon immer so? Was ist mit der einen Sitzbank im kleinen Spiegelsaal passiert? Und wer spukt jetzt, nach Konnys Tod, in König-Ludwig-Kostümierung durchs Schloss? Frau Maier beginnt langsam, an ihrer geistigen Gesundheit zu zweifeln.

Nach und nach kommt sie einer dreisten Gaunerei auf die Spur. Aber wie passt der Mord an dem Gärtner ins Bild? Frau Maier hat da eine Theorie …

Inzwischen müsste sie es eigentlich besser wissen, die Frau ohne Vornamen. Aber ihre Neugier ist offenbar größer als ihre Angst, und so bringt sie sich durch ihre „Ermittlungen“ wieder einmal selbst in Gefahr. Erst in der höchsten Not zeigt sich dann, wer Freund und wer Feind ist.

Frau Maier ist schon eine ungewöhnliche Frau: Sie legt sich beherzt mit Verbrechern an, hat aber Angst, zu Marias Beerdigung zu gehen. Die Dörfler könnten sie ja nicht dabeihaben wollen. Mit Gefahr für Leib und Leben kann sie anscheinend besser umgehen als mit Ablehnung. „Manche Ängste haben in unserem Leben irgendwann ausgedient.“, sagt Psychologe Frank Schön zu ihr. „Manche Ängste haben keine Daseinsberechtigung mehr.“ (Seite 127) Das beschäftigt sie, und diese Sätze sagt sie sich immer wieder vor. Tatsächlich schafft sie es, sich im Verlauf der Geschichte ein paar angstbehafteten Situationen zu stellen. Ihr Leben wird sich dadurch vermutlich nicht grundlegend ändern. Und das ist Frau Maier sicher auch ganz recht so.

Fast interessanter als die Suche nach dem Mörder ist es, den Gedanken dieser intelligenten und empfindsamen Heldin zu folgen. Doch weil ihre Welt so überschaubar ist – das Dorf, die wenigen Sozialkontakte, Musik hören und kochen – besteht die Gefahr, dass sich die Geschichten irgendwann im Kreis drehen. Für einen vierten Band würde ich mir irgendeine Art von Entwicklung wünschen. Vielleicht in ihrer Beziehung zum Fischer Karli – wie auch immer das ausgehen mag.

Die Autorin
Jessica Kremser wurde 1976 in Traunstein geboren und wuchs am Chiemsee auf. Zum Studium der englischen und italienischen Literatur und der Theaterwissenschaften zog es sie nach München, wo sie als Redakteurin für verschiedene Zeitschriften schreibt.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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