Silke Porath: Ein Lama zum Verlieben. Roman

Silke Porath: Ein Lama zum Verlieben, Meßkirch 2015, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-1645-3, Softcover, 273 Seiten, Format: 12,2 x 2,2 x 20 cm, Buch: EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 8,99.

Abbildung: (c) Gmeiner Verlag
Abbildung: (c) Gmeiner Verlag

Das mit der Reisereportage hat sich die junge Berliner Journalistin Stella anders vorgestellt. Statt, wie die Kolleginnen vor ihr, für die Frauenzeitschrift Donatella nach Guadeloupe, Indien oder Frankreich zu reisen, wird sie von der Redaktion zum Lamatrekking auf die Schwäbische Alb geschickt. Ein Albtraum für Stadtpflanze Stella! Und weil sie am Abend vor ihrer Abreise noch feiern war und ihren Koffer mit besoffenem Kopf packt, fehlt am Ende die Hälfte. Die Unterwäsche, zum Beispiel, und ein Turnschuh.

Gerrys Lamahof liegt mitten im Nirgendwo, da kann man nicht mal schnell das Fehlende einkaufen. Zu allem Übel hat Stella seit einem Zirkusbesuch als Zwölfjährige ein ausgewachsenes Kameltrauma, und Lamas sind nun mal Kameliden. Diese Angst muss sie erst überwinden. Aber Gerrys Tiere Rama, Lama, Ding und Dong und ihr Hengst Dalai mit ihrem sanften Wesen, den großen Kulleraugen und dem weichen Fell machen es ihr leicht, sie zu mögen.

Erstaunlich schnell freundet Stella sich mit den anderen Gästen auf dem Hof an. Da ist eine Marketing-Managerin aus Zürich, 47, die plötzlich keine Freude mehr an den Dingen hat, die ihr immer so wichtig waren. Und, nein, die Dame heißt nicht „Rehgulasch mit Pfeffer“, auch wenn Stella das bei ihrer ersten Begegnung versteht.

Ein weiterer Gast ist der Starkoch Bjarne Hellstern aus Wiesbaden. Ein Bär von einem Mann, aber am Ende seiner Kräfte. Seit Jahren hat er keinen Urlaub mehr gemacht, weil er es nicht gewagt hat, sein Restaurant alleine zu lassen. Seinetwegen kommen doch die Leute zum Essen!

Wie die Faust aufs Auge passt der 17jährige französische Austauschschüler Louis Cornet in diese Runde. Den hat seine Bremer Gastfamilie für eine Woche auf dem Lamahof geparkt und ist ohne ihn zum Wellnessurlaub gefahren. Das dürfte damit zusammenhängen, dass er seinem Gastbruder Manuel mindestens eine Freundin ausgespannt hat. Da ist das Lamatrekking wohl als Strafe zu verstehen.

Stella hatte für ihren Artikel auf witzige Anekdoten aus dem reichen Erfahrungsschatz des Hausherrn gehofft, doch da hat wohl in der Redaktion jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht: Diese Leute hier sind Gerrys ersten Gäste. Er hat Statistik studiert und den Hof samt Lama und Schulden erst vor wenigen Wochen von einem Onkel geerbt. Über dem Hof kreisen schon die Geier: Gerrys ehrgeiziger Bruder Stephan lauert nur darauf, dass dem Lamabauer finanziell die Luft ausgeht er aus dem Anwesen ein Tagungshotel machen kann.

Bei den Gästen stellt sich schon am ersten Abend eine Art Wohngemeinschafts-Gefühl ein. Und als sie mitkriegen, dass Gerry Gefahr läuft, Hof und Lamas zu verlieren, greifen sie ein. Bjarne kann nicht nur kochen, er versteht auch etwas von Betriebswirtschaft. Regula Schmitt-Pfefferer erstellt ein Marketingkonzept und Stella kümmert sich um die Pressearbeit. Als Journalistin recherchiert sie natürlich auch nach dunklen Punkten in Stephans Leben. Es ist immer gut, wenn man etwas findet, mit dem man den Gegner in der Hand hat. Und obwohl XXL-Kerl Bjarne so überhaupt nicht Stellas Typ ist und, 11 Jahre älter als sie und knapp 600 km weit weg wohnt, kommen sich die beiden näher.

Nur der kleine Franzose kriegt von all dem Erwachsenenkram nicht viel mit. Sein Interesse gilt allein der hübschen Pfarrerstochter Annika. Doch als es darum geht, mit vereinten Kräften einen möglichen Investor zu vergraulen, läuft der junge Mann zur Höchstform auf. Die anderen aber auch!

Mit dieser Aktion sind sie allerdings zu weit gegangen. In einer der herrlichsten Szenen des Buchs kommt Herbert Ketterle, der ehemalige Lehrer der beiden konkurrierenden Brüder, wutentbrannt auf den Hof gebrettert und sch**ßt die Lamafreunde so zusammen, dass sie sich wie eine Bande ungezogener Grundschüler fühlen. Ein paar Schlüsselwörter auf Schwäbisch und jeder aus der Region kann sich ziemlich genau vorstellen, was Herbert hier vom Stapel lässt. 😉

Wie soll es jetzt weitergehen? Stephan hat in dem Spiel um den Lamahof eindeutig das bessere Blatt. Wird es Gerry und seinem „Expertenteam“ trotzdem gelingen, den Hof zu retten? Werden Regula und Bjarne, die jetzt in ein entschleunigtes Leben hineinschnuppern konnten, nach ihrem Kurzurlaub so weiterleben wie bisher? Sie haben bei den langen Gesprächen in Gerrys Wohnküche ein paar interessante Denkanstöße bekommen. Und wie geht es mit Stella und Bjarne weiter? Wird aus dem Urlaubsflirt eine Fernbeziehung? Kann das gutgehen? Selbst Louis bedauert es, das lockere Leben und die süße Annika verlassen zu müssen und sich wieder in die Obhut seiner Gastfamilie zu begeben. Ob sie immer noch sauer sind wegen seiner Weibergeschichten?

Hat Louis eigentlich noch den Überblick über all seine Mädels? Mich hat das überfordert. Gibt es denn zwei Annikas, eine in Bremen und eine in Weinlingen? Oder müsste auf Seite 35 auch von Mia die Rede sein? Nun ja: Das ist sein Problem!

EIN LAMA ZUM VERLIEBEN erfüllt seine Mission, die Leser auf locker-leichte Art zu unterhalten, ganz vorzüglich. Das gilt besonders für Leser aus dem Schwäbischen. All die schnöseligen Locations in Berlin, Zürich und Wiesbaden kommen nur am Rande vor. Die Post geht bei uns ab, auf der Alb!

Zum Glück springen nicht nur lauter oberflächliche „ich-will-Schuhe-und-einen-Kerl“- Tussis durch Geschichte. Hier geht es um Menschen, die an verschiedenen Punkten ihrer beruflichen Laufbahn angelangt sind. Louis ist noch so jung, dass er keinen Gedanken an die Zukunft verschwendet. Herbert Ketterle hat das Berufsleben hinter sich und genießt mit seiner Frau den Ruhestand so, wie man es sich wünscht. Journalistin Stella steht beruflich am Anfang, Karriere und ein Leben auf der Überholspur sind möglich. Jetzt, da sie Regula Schmitt-Pfefferer kennt, die all das hat aber keinen Sinn mehr darin sieht und sich einsam und ausgebrannt fühlt, fragt sie sich, ob sie das überhaupt will.

Gerry scheint nie sowas wie einen Karriereplan gehabt zu haben. Es ist halt alles irgendwie passiert. Jetzt hat er mit dem Lamahof erstmals ein Ziel, für das sich zu kämpfen lohnt. Auch Koch Bjarne steht am Scheideweg. Er hat sich von seinem Beruf so vereinnahmen lassen, dass er seine Kreativität und den Spaß an der Arbeit verloren hat. Auch er muss sich etwas überlegen, wenn er nicht in den Burnout steuern will.

Die Woche auf dem Lamahof hat die Leute ins Gespräch und ins Grübeln gebracht. Und was das Schöne an der Geschichte ist: Es verfolgt zwar jeder seine eigenen Ziele, aber alle legen sich gemeinsam dafür ins Zeug, dass Gerry seines erreicht. Das ist wirklich herzerwärmend!

Was hier nicht ganz so rund gelaufen ist, ist das Lektorat/Korrektorat. Das Durcheinander mit den Mias und Annikas (S. 34/35), die Frage ob Louis‘ Gastfamilie nun Bremen (S. 33) oder Hannover (S. 160) wohnt, ob die Gastmutter Juliane oder Juliette heißt oder ob Stella nun ein Tutorial oder doch eher ein Editorial schreiben soll (Seite 250) … das ist zwar alles Kleinkram, aber es bringt den Leser aus dem Fluss: „Wie jetzt? Hab‘ ich was verpasst?“ Blätter-blätter-blätter. Was würde wohl Herbert Ketterle zu den Korrektur-Instanzen sagen? „Herrgottsblitz! Etzt basset halt a bissle uff beim Schaffa!“ Genau. Aber mit der Autorin wäre er sicher gern einen trinken gegangen: „Mädle, des hosch klasse gmacht!“

Die Autorin
Silke Porath ist auf der schwäbischen Alb aufgewachsen. Die Lehr- und Studienjahre verbrachte die bekennende Schwäbin zum Teil im badischen Exil. Heute lebt sie mit ihrem französischen Mann wieder in ihrer Heimatstadt Balingen. Die ausgebildete Redakteurin und PR-Beraterin hat drei Kinder, einen reinrassigen Straßenköter, jede Menge anderes Viechzeugs … aber leider kein eigenes Lama. Silke Porath ist Mitglied bei den 42erAutoren und im Schriftstellerverband Baden-Württemberg. Ihre Leidenschaft gilt dem Schreiben und das vermittelt sie als Schreibtrainerin großen und kleinen Autoren. Ihre Geschichten und Romane wurden mehrfach ausgezeichnet.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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