Bilderbuch „Marlon Bundo“ – Original und Parodie

Original und Parodie. Foto: Edith Nebel

Das Original: Charlotte Pence , Karen Pence: Marlon Bundo’s A Day in the Life oft he Vice President (4 – 8 Jahre)

Charlotte Pence (Text), Karen Pence (Illustrationen): Marlon Bundo’s A Day in the Life oft he Vice President (4 – 8 J.), Washington D.C. 2018, Regnery Kids, an Imprint of Regnery Publishing, ISBN 978-1-62157-776-8, Hardcover mit Schutzumschlag, 40 Seiten, mit farbigen Illustrationen, Format: 22,9 x 1 x 22,9 cm, Buch: EUR 13,99, Kindle Edition: EUR 10,18.

Abbildung: (c) Regnery Kids

Charlotte Pence, Jahrgang 1993, die Tochter des US-amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence, hat ein Kinderbuch geschrieben. Aus der Sicht ihres Kaninchens Marlon Bundo erzählt die Autorin und Filmemacherin in Versen, was ein Vizepräsident alles zu tun hat. Ihre Mutter Karen, die „Second Lady“ der USA, hat die Geschichte mit ansprechenden Aquarellen illustriert.

Marlon begleitet den Vizepräsidenten


Die Verse holpern ein bisschen, und für Kinder ist das, was ein Politiker den ganzen Tag lang so treibt, vermutlich nicht besonders spannend. Auf den Bildern sieht man, exakt und detailreich dargestellt, viel von den Gebäuden, wenig von dem kleinen Kaninchen – und von den Menschen nur die Füße. Das Tierchen kommt einem in diesem Umfeld ein wenig verloren vor.

Die Erläuterungen im Anhang sind auch eher für Erwachsene interessant, besonders für solche außerhalb der USA. In den Staaten werden die Aufgaben des Vizepräsidenten vermutlich bekannt sein.

Das Buch wäre nicht weiter der Rede wert, wenn nicht zeitgleich eine Parodie darauf auf den Markt gekommen wäre, die auch auf Deutsch erschienen ist: EIN TAG IM LEBEN VON MARLON BUNDO. Darüber werde ich gleich im Anschluss berichten. Einfach scrollen …

Die Autorin
Charlotte Pence, die Tochter des US-Vizepräsidenten Mike Pence, hat an der DePaul-Universität in Chicago, Illinois, Englisch und Digital Cinema studiert und wurde für die Dokumentation FLEECED mit dem Regional Emmy ausgezeichnet. Das Kaninchen „Marlon Bundo“ hat sie für ein Studienprojekt angeschafft und nach Abschluss desselben behalten.

Die Illustratorin
Karen Pence ist Amerikas „Second Lady“, die Ehefrau von Vizepräsident Mike Pence. Sie ist ausgebildete Grundschullehrerin und eine preisgekrönte Aquarellkünstlerin.


Die Parodie: Jill Twiss, EG Keller: Ein Tag im Leben von Marlon Bundo (4 – 8 Jahre)

Jill Twiss (Text), EG Keller (Illustration): Last Week Tonight with John Oliver präsentiert: Ein Tag im Leben von Marlon Bundo. OT: A Day in the Life of Marlon Bundo ( 4 – 8 Jahre), Deutsch von Manfred Allié, München 2018, Riva Verlag, ISBN 978-3-7423-0764-4, Hardcover, 36 Seiten mit farbigen Illustrationen, Format: 25,5 x 1 x 26,1 cm, Buch: EUR 14,99, Kindle Edition: EUR 11,99. Die Autoreneinnahmen für dieses Buch werden zu 100 % an The Trevor Project und AIDS United gespendet.

Abbildung (c) riva-Verlag

„Ein Buch, das die Themen Toleranz und Gerechtigkeit kindgerecht aufbereitet und sich für Vielfalt und Demokratie einsetzt. Niedlich, witzig und liebevoll illustriert richtet es sich an jeden kleinen und großen Leser, der sich schon einmal ‚anders’ gefühlt hat.“ (Klappentext)

Gleichzeitig mit dem Marlon-Bundo-Bilderbuch von Charlotte und Karen Pence erschien diese Parodie darauf und avancierte ruckzuck zum New York Times-Bestseller Nr. 1. Mit detailreichen Gebäudedarstellungen hält sich EG Keller nicht auf. Hier stehen die tierischen Helden im Mittelpunkt und die sind nicht, wie bei Karen Pence, realistisch dargestellt, sondern lustig und anthropomorph. Büros und Politiker sind hier Nebensache.

Marlon und Wesley wollen heiraten


Protagonist ist auch hier das BOTUS, das „Bunny Of The United States“, Marlon Bundo, der sich in seinem riesigen, piekfeinen Zuhause ziemlich einsam vorkommt. Als ihm im Garten ein puscheliger Artgenosse namens Wesley über den Weg hüpft, ist das Leben gleich viel schöner. Die beiden verstehen sich auf Anhieb und toben von früh bis spät gemeinsam durchs Gelände (und durch die Büros). Am Ende des Tages wissen sie, dass sie fortan gemeinsam durchs Leben hoppeln wollen. Sie haben ihr jeweiliges Herzenskaninchen gefunden und verkünden ihren Freunden freudestrahlend, dass sie nun heiraten werden. Käfer, Dachs, Schildröte, Igel und Hund finden das ganz klasse.

Alles ist wunderbar, bis die Stinkwanze, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Mike Pence nicht verleugnen kann, aus dem Gebüsch kommt, und rumbrüllt, dass das aber nicht ginge. „Kaninchenjungs heiraten keine anderen Kaninchenjungs“, behauptet er. „Kaninchenjungs müssen Kaninchenmädchen heiraten.“

Nur die Stinkwanze ist dagegen


Die Tiere sind perplex. Aber weil die Stinkwanze aus irgendeinem Grund hier die Nr. 1 ist und das Kommando hat, obwohl sie wirklich ein fieser Stinker ist, werden sie ihr wohl gehorchen müssen. Als sie aber auch noch erklärt, Anderssein sei schlecht, ist Schluss mit lustig. Jedes der Tiere hat schließlich Eigenschaften, Vorlieben oder Angewohnheiten, die es anders macht als die anderen. Und deswegen sollen sie nun schlecht sein? Alle? Das kann ja wohl nicht angehen!

Dann stellt Mr. Paws, der Hund, eine kluge Frage: Wie kommt’s eigentlich, dass der Stinker hier das Sagen hat? Irgendwann hat irgendwer ihn gewählt, richtig? Und wenn der hier nur Unsinn verzapft und alle Welt unglücklich macht, dann muss man ihn auch wieder abwählen können. Dann hätte er hier nichts mehr zu melden und Marlon und Wesley könnten Hochzeit feiern.

So machen sie’s. Die Stinkwanze kriegt einen Tritt in den Allerwertesten, die Kaninchenjungs heiraten – und der Leser bekommt den schönen Spruch mit auf den Weg: „Stinkwanzen kommen und gehen. Aber die Liebe bleibt.“

Das Buch ist ganz hinreißend gemacht – ob man es nun als Parodie auf A DAY IN THE LIFE OF THE VICE PRESIDENT liest oder einfach nur eigenständige Geschichte mit der Botschaft, dass es vollkommen in Ordnung ist, anders zu sein. Und dass man lieben darf, wen immer man will. „Es ist nämlich gar nicht so wichtig, ob man ein Kaninchenmädchen liebt oder einen Kaninchenjungen, oder ob man sein Butterbrot von innen nach außen isst oder umgekehrt.“
Ja. Recht haben sie, die Tiere!

Es ist vielleicht nicht ganz fair, die beiden Werke miteinander zu vergleichen. Die beiden Teams verfolgen mit ihren Büchern total verschiedene Ziele. Die Pences verkaufen dem Leser das Amt des Vizepräsidenten als ungeheuer wichtig, die anderen plädieren für Toleranz und trollen ein bisschen Mike Pence, der’s jetzt mit diesem Thema nicht so hat.

Wahrscheinlich hat Jill Twiss als Autorin für die HBO-Show Last Week Tonight with John Oliver bessere Voraussetzungen zum Schreiben eines Buchs als die junge Filmemacherin Charlotte Pence, schon allein, weil sie mehr Erfahrung und Routine hat. EG Keller (Gerald Kelley) wiederum ist ein erfahrener, gefragter und mehrfach ausgezeichneter Kinderbuchillustrator. Der geht so einen Job natürlich anders an als eine begabte (Hobby-)Künstlerin. Und dann ist es keine allzu große Überraschung, dass in diesem Fall die Parodie professioneller, unterhaltsamer und auch deutlich erfolgreicher ist als das Original.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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