Helmut Scharner: Mostviertler Jagd. Kriminalroman

Helmut Scharner: Mostviertler Jagd. Kriminalroman, Meßkirch 2019, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-2521-9, Softcover, 346 Seiten, Format: 11,8 x 3 x 19,8 cm, Buch: EUR 13,50 (D), EUR 14,00 (A), Kindle: EUR 10,99.

Abb. (c) Gmeiner Verlag

Uff! Ich habe mich durchgekämpft!

Nachdem ich gemerkt hatte, dass ich hier den Abschlussband einer Trilogie erwischt habe und mich die Zusammenfassung der komplexen, leichenreichen Vorgeschichte deutlich überforderte, wollte ich zunächst gar nicht weiterlesen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als hätte ich im Fernsehen DIE ROSENHEIMCOPS ansehen wollen und wäre aus Versehen in der dritten Staffel einer US-Krimiserie aus dem Spätabendprogramm gelandet. Oder in einer Seifenoper. Ich bin auch nicht sicher, ob ich die Zusammenhänge alle richtig kapiert habe.

Statt Mörder jagt er Wilderer

Zum Inhalt: Nachdem er seinen letzten Fall komplett versemmelt hat, ist Kommissar Leo Brandner seinen Posten beim BKA in Wien los. Jetzt ermittelt er in St. Pölten/Niederösterreich und muss sich mit Wilddieben herumärgern statt Mordfälle aufzuklären.

Die Pendelei von Wien nach St. Pölten nervt ihn so sehr, dass er in Arbeitsplatznähe nach einem Haus sucht. Doch seine Frau und seine zwei Töchter machen ihm deswegen die Hölle heiß. Sie wollen um keinen Preis der Welt weg aus Wien. Was soll Brandner machen? Seit man ihn degradiert bzw. strafversetzt hat – so genau weiß ich das nicht – hat er auch daheim an Ansehen eingebüßt. Es ist ja auch peinlich, wenn ein kleiner Baumarktangestellter einen Serienmörder zur Strecke bringt und nicht die Polizei.

Hans Meyer, dem Mann aus dem Baumarkt, hat seine Heldentat auch kein Glück gebracht. Zwar ist es ihm gelungen, seine Schwester Resi vor dem Serienmörder zu retten, aber für seine Verlobte Juliana kam jede Hilfe zu spät. Und Resi hat den Überfall nie verkraftet. Aus der hoffnungsvollen Jungschauspielerin ist ein psychisches Wrack geworden.

Eine lange schwelende Familienfehde

Irgendwie gibt’s da auch noch eine langjährige Familienfehde der Meyers mit den miteinander verschwägerten Fabrikantenfamilien Schuster und Chan. Meyers Mutter muss einen – oder zwei? – aus der Sippe umgebracht haben und sitzt dafür lebenslänglich im Gefängnis. Vater Meyer ist schon lange tot – bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen, an dem Meyers den Schusters/Chans die Schuld geben. So habe ich mir das aus den Rückblicken zumindest zusammengereimt.

Als nicht nur Hirsche, sondern auch ein Förster und ein alter Onkel der Familie Schuster erschossen im Wald liegen, geraten Brandner und seine Kolleg*innen unter Druck. Die Spurenlage ist dürftig. Wenn sie in der Gegend alle ins Visier nehmen wollen, die etwas mit Schusswaffen zu tun haben und/oder ein Mountainbike besitzen, dann haben sie gut zu tun.

Jennifer und Hans wollen aussteigen

Unterdessen hat Jennifer Chan keinen Bock mehr auf die kriminellen Machenschaften ihres Vaters. Sie will aussteigen, ihren Verlobten heiraten, eine Familie gründen und ansonsten ihre Ruhe haben. Doch das lässt ihr Vater aber nicht mit sich machen. Für ihn ist seine Tochter nur eine Schachfigur in seinem Spiel. Was sie sich vom Leben erhofft und erträumt, ist ihm vollkommen egal.

Auch Hans Meyer hofft auf ein ganz bürgerliches Glück mit einer jungen Kollegin. Für sie ist er sogar bereit, seinen tödlichen Rachefeldzug gegen die Schusters/Chans zu aufzugeben. Doch dann droht sein Traum zu zerplatzen …

Wenn hier jeder, dem hier was nicht passt, wild durch die Gegend ballert, ist es ja kein Wunder, dass die Polizei sich nicht mehr auskennt! Eine Veranstaltung, zwei Schüsse, zwei Schützen, zwei Tote – und das binnen Minuten … wer bitte kommt denn auf sowas? Die Polizei nicht, jedenfalls nicht sofort.

Ein Happy End für die geplagten Seelen?

Die (inneren) Konflikte der Personen sind sehr nachvollziehbar geschildert – nicht nur die Zwickmühle, in der Kommissar Leo Bandner steckt -, auch die der Menschen, die schwere Schuld auf sich geladen haben. Hans Meyer und Jennifer Chan sind offenbar alles andere als Unschuldslämmer, und doch leidet man mit ihnen mit und wünscht ihnen so etwas wie ein Happy End – auch wenn sie dem, was sie getan haben, nie wirklich entkommen werden. Ich hatte den Eindruck, die zwei sind da in etwas hineingeraten, das völlig aus dem Ruder gelaufen ist.

Das war das Schöne an dem Krimi.

DALLAS statt Mostviertel

Insgesamt waren mir die kriminellen Verwicklungen aber ein bisschen zu überlebensgroß. Vor allem die Chans und ihr Handlanger gehören meiner Meinung nach eher nach DALLAS als ins Mostviertel. Für einen Regionalkrimi hatte mir dieser Roman zu viel großes Drama und Krawumm. Ich hab’s lieber etwas bodenständiger. Aber das ist nicht mehr als eine persönliche Vorliebe.

Der Autor

Helmut Scharner, geboren 1975 in Niederösterreich, ist derzeit als Sales Manager für den größten österreichischen Stahlkonzern tätig. Seine beruflichen und privaten Reisen führten ihn bisher in über 50 Länder. Mit seiner Familie lebt er im niederösterreichischen Mostviertel. Helmut Scharner ist Mitglied der Autorenvereinigungen »Das Syndikat« und der österreichischen Krimiautoren.

Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
www.boxmail.de

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