Maria Almana: Mein Kompass ist der Eigensinn. Grundlagen, Vorbilder & Nutzen. Ermutigung zum eigensinnigen Schreiben, Hamburg 2020, erarbeitet in der Edition Texthandwerk, Verlag und Druck: Tredition GmbH, ISBN 978-3-347-01828-0, Softcover, 259 Seiten, Format: 14,8 x 1,5 x 21 cm, Paperback: EUR 14,99, Hardcover: EUR 21,99.
„Wenn ich eigensinnig bin, kann ich selbstbestimmt denken, handeln und schreiben. Das ist ein großes Ziel. So etwas hat natürlich seinen Preis. (…) Wer den Eigensinn gut für sich selbst, sein Leben, sein Buch und sein Thema nutzt, bekommt eine ziemlich dicke Belohnung.“ (Seite 159)
Neben dem Buchtitel hat mich die Widmung angesprochen: „Für alle, die anders sind. Wir sind viele!“ Und nach über 30 Jahren in der Verlagsbranche dachte ich, müsste ich doch mitreden können, wenn es darum geht, wie eigensinnige Menschen eigensinnige Bücher schreiben. Und dann rauschten doch knapp 60 Prozent des Buchs hoch über meinem Kopf an mir vorbei.
Geisteswissenschaftler verstehen das
Noch nie ist es für mich nachteilig gewesen, dass ich KEINE Geisteswissenschaftlerin bin – doch beim Lesen dieses Buchs hat es sich anscheinend als Handicap erwiesen. In meiner Welt wird ein Begriff definiert, und solange die Wissenschaft keine revolutionär neuen Erkenntnisse gewinnt, bleibt es auch dabei. Es besteht keine Notwendigkeit, viele verschiedene Meinungen und Definitionen zusammenzutragen, miteinander zu vergleichen und voneinander abzugrenzen. Diese Vorgehensweise ist mir nicht vertraut.
Ich habe begriffen, dass Eigensinn, wie die Autorin ihn versteht, viel damit zu tun hat, dass man einfach nicht anders kann, als auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln. Man hat eine Mission und tut, was man tun muss, ganz egal, was die Mitmenschen davon halten. Man brennt für etwas und ist nicht trotzig gegen etwas. Mit seinem eigensinnigen Tun bewegt man etwas zum Wohl der anderen – zum Beispiel teilt man als Sachbuchautor*in sein Expertenwissen. Man ist vielleicht auf eine etwas eigenbrötlerische Art kreativ, aber man ist nicht starrsinnig, stur, arrogant oder egoistisch.
Eigensinnig? Gut! Unbequem aber authentisch
Wer genau das macht, was sich für ihn selbst gut und richtig anfühlt, mag unbequem sein, aber er ist authentisch – und er hebt sich von der Masse ab. Was für einen Autor (m/w/d) nicht das Verkehrteste ist.
Das hätte mir als Begründung für eigensinniges Denken, Leben und Schreiben vollauf genügt. Ausgestiegen bin ich – bildungsbedingt – als es darum ging, was berühmte Dichter, Autoren, Philosophen, Filmschaffende, Psychologen (auch alles m/w/d zu verstehen) … zu diesem Thema gemacht, gedacht, gesagt und geschrieben haben.
Ich habe das alles gründlich gelesen und artig zur Kenntnis genommen, aber weil sich diese Informationen mit nichts in meinem Wissen verknüpfen konnten, sind sie sofort ins Bodenlose gefallen. 😉 Zu Erkenntnissen, die für mich eine Bedeutung hätten entwickeln können, konnte das natürlich nicht führen. Das ist ausdrücklich KEIN Manko des Buches – es liegt an mir. Ich habe für diese Lektüre offensichtlich nicht die richtigen Voraussetzungen. Stellenweise hatte ich das Gefühl, ich lese eine Doktorarbeit aus einem Studienfach, das ich nur vom Hörensagen kenne.
Bei den Tests und den spielerischen Fragen konnte ich trotzdem mitmachen und habe erfahren, was ich mir schon gedacht hatte: schuldig im Sinne der Anklage – eigensinnig im Sinne des Buchs.
Ab Kapitel 10 wird es konkreter
Ab dem zehnten Kapitel, so nach rund 150 Seiten, wird’s dann zum Glück so handfest, dass auch die Leser*innen aus den Niederungen von Wirtschaft und Technik folgen können. Das Kapitel „Ihre Motivation gibt den Ausschlag“ ist für mich, vielleicht deshalb, das Herzstück des Buchs: Warum will jemand eigensinnig sein und auch so schreiben? Weshalb sollte er/sie sich nicht einmal von wohlmeinenden Freunden davon abbringen lassen? Und, sehr wertvoll: Die verschiedenen Motivations-Impulse für eigensinniges Schreiben! Erkenntnisse, die man in einer Bulletpoint-Liste von überschaubarer Länge darstellen kann, wirken auf mich immer beruhigend strukturiert und konkret.
Welche Regeln kann man brechen?
Auch spannend: Die Vorstellung eigensinniger Bücher, die es schon auf dem Markt gibt. Einige davon wandern sofort auf die Wunschliste (MIRANDA UND DIE WUNDERFEDER). In diesem und den folgenden Kapiteln erfahren wir, welche Regeln man brechen kann, wenn man ein eigensinniges Werk schaffen möchte. Wobei man diese Regeln unbedingt erst kennen und verstehen sollte, ehe man sie auf den Kopf stellt. Ob eigensinniges Romanpersonal, Genremix, eine außergewöhnliche Buchgestaltung oder das Spiel mit der Sprache: Niemals sollte das pure Effekthascherei sein, sondern stets in der Botschaft begründet liegen.
Erster Band der Eigensinn-Trilogie
MEIN KOMPASS IST DER EIGENSINN ist der erste Band einer Trilogie. Band 2, WER SCHREIBT, DARF EIGENSINNIG SEIN! Kreativität, Selfpublishing & Eigensinn. Ein Plädoyer, kein Schreibratgeber und Band 3, EIGENSINN VERBINDET! Gespräche über Bücher, Botschaften, Buchmarkt & Selfpublishing sind in Vorbereitung. Ich ringe noch mit mir, ob ich der Reihe treu bleiben soll oder nicht. Die Themen finde ich hochinteressant, auch wenn ich selbst keine Ambitionen habe, ein Sachbuch zu schreiben. Als altes Verlagswesen sehe ich, wie der Markt sich verändert und möchte gerne wissen, wohin die Reise geht, schon allein, um vernünftige Ratschläge geben zu können, wenn ich danach gefragt werde. Ich fürchte allerdings, dass ich zwar hinreichend eigensinnig aber leider nicht klug genug bin, um Maria Almanas Ausführungen tatsächlich folgen und sie auch nutzen zu können.
Die Autorin
Maria Almana wurde 1960 in Kassel geboren, lebt mit Mann und Hund im Rheinland und fand immer schon, dass Sprache die aufregendste Heimat der Welt bietet. Sie ist Magistra Artium der Germanistik, Geschichte und Philosophie, zertifiziert als Schreib- und Systemischer Coach, seit einigen Jahren selbstständig als Texthandwerkerin (www.texthandwerkerin.de), Buchhebamme (www.buchhebamme.de), Lektorin und Schreibcoach. Fast zeitgleich mit den Möglichkeiten von Selfpublishing entdeckte sie den Eigensinn als Lebenskunst und Schreib-Maxime.
Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
www.boxmail.de
Liebe Edith,
ganz herzlichen Dank für deine klaren, offenen Worte!!! Ja, auch ich bin „schuldig“ im Sinn der Anklage „Geisteswissenschaftlerin“. Is nu mal so. Bin ich. Stehe ich zu, ist Teil meines Eigensinns.
Und dein Umgang mit meinem Buch stellt perfekt einen wichtigen Teil meiner Eigensinns-Definition unter Beweis: Wenn wir unseren Eigensinn kultivieren, können wir den Eigensinn anderer Menschen auch ganz locker akzeptieren. Genau das lese ich unter anderem in deinen Worten. Und das macht mich glücklich.
Zu deiner Schlussbemerkung darüber, wie der Buchmarkt sich verändert/verändern könnte: Gerade mit Blick auf Selfpublishing war es mir extrem wichtig, mal festzuhalten, dass dort nicht auf „Hobbypoeten-Niveau“ geschrieben und gearbeitet werden sollte. Ganz im Gegenteil! Auch das ein Vorurteil, das ich gern in Frage stellen, besser noch: entkräften will.
Mir war aber auch immer klar, dass meine Herangehensweise an den Eigensinn als „Schreibinstrument“ und mit der Sicht auf den Buchmarkt alles andere als einfach ist. Darum die Dreiteilung: In Buch eins erzähle ich von den geistesgeschichtlichen Grundlagen. In Band zwei wird es VIEL konkreter, versprochen! Da geht es – sehr grob gesagt – um das „Vorspiel des Schreibakts“: Wie nehme ich – mit meinem Eigensinn – die Welt wahr, wie ‚ticke‘ ich etc.? Und der letzte Band entsteht auf der Grundlage reiner Gespräche mit eigensinnigen Menschen aus der Buchwelt. Beschreibe ich auch darum so ausführlich, weil ich gern noch weitere Menschen berücksichtige, die sich davon angesprochen fühlen: bitte melden!
Und ein Letztes: Dass du „nicht klug genug“ sein solltest, was mit meinem Buch anfangen zu können, bestreite ich. Du beweist hier schließlich selbst schon das glatte Gegenteil ….
Ganz herzlichen Gruß
Maria Almana
Liebe Maria – danke!
Ich denke, ich werde es mit den anderen beiden Teilen auch versuchen. Und ich weiß, dass heutzutage bei den Selfpublishern nicht nur „Hobbypoeten“ unterwegs sind. Inzwischen bekomme ich höchst professionelle Werke auf den Tisch. Da tut sich was. Und dass will und muss ich wissen.