Claudia Rimkus: Letztes Kapitel Hannover. Krimimalroman

Claudia Rimkus: Letztes Kapitel Hannover. Krimimalroman, Meßkirch 2024, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-0612-6, Softcover, 411 Seiten, Format: 12,2 x 3,1 x 20,2 cm, EUR 14,00, Kindle: EUR 10,99.

Abb.: (c) Gmeiner Verlag

„Die Polizei hätte alle Eventualitäten einkalkulieren müssen, aber die haben es wieder mal gründlich versemmelt.“
„Und Charlotte muss das ausbaden“, fügte Conrad hinzu. „Können wir was tun, um zu helfen?“
„Zurzeit nicht.“
 

(Seite 168)

Die Ruheständler Charlotte Stern und ihr Lebensgefährte, Professor Philipp Thaler, leben zusammen mit vier Freunden in einer Senioren-WG in Hannover. Sie war bei der Kripo Leiterin des Kriminalarchivs, er war forensischer Psychologe. Aber so ganz aus dem Berufsleben zurückgezogen haben sie sich nie. Noch immer halten sie Kontakt zu ihren ehemaligen Kolleg:innen und kriegen viel von deren Arbeit mit. Und, zack, haben sie wieder ihre Finger drin und ermitteln ebenfalls! Das planen sie nicht, das passiert einfach. Sogar ihre WG-Mitbewohner:innen – Anneliese, Conrad, Elisabeth und „den General“ Albert – haben Charlotte und Philipp bereits damit angesteckt. Teenie-Pflegesohn Anton überlegt auch schon, ob er nicht vielleicht Polizist werden will.

Nachdem sie bei ihren inoffiziellen Ermittlungen ein paar Mal in Gefahr geraten sind und ordentlich Federn gelassen haben, soll jetzt endgültig Schluss sein damit. Die WG-Bewohner:innen werden jetzt nur noch bei Krimis miträtseln und ansonsten die Polizei ihre Arbeit machen lassen. Ehrenwort!

Kriminalromane zu schreiben ist auch noch okay. Das hat Professor Thaler jüngst getan und sein Werk tatsächlich bei einem Verlag untergebracht. Während des in Kürze stattfindenden Krimifestivals soll die Premierenlesung sein. Wie praktisch, dass das Festival dieses Jahr bei ihnen in Hannover veranstaltet wird!

Doch kaum hat das Festival begonnen, steht auch schon die Frage im Raum, ob man es nicht besser abbrechen sollte, denn Erpo Tennstedt, 59, ein bekannter Krimiautor aus Hildesheim, wird in seinem Hotelzimmer ermordet aufgefunden. Die Tatperson hat sich dabei große Mühe gegeben, eine Szene aus Tennstedts neuem Roman nachzustellen. Ein persönliches Motiv ist nicht zu ermitteln. 

Es wird doch kein Serientäter umgehen, der auf dem Festival einen Erfolgsschriftsteller nach dem anderen umbringt, und zwar genau so, wie er/sie es in im letzten Krimi beschrieben hat? – Bingo!

Das nächste Opfer ist ausgerechnet eine Person, mit der Charlotte und ihre WG in engerem Kontakt gestanden hatten. Auch sie wurde in derselben Weise ermordet wie eine ihrer Romanfiguren. Und man ahnt es schon: Alle guten Vorsätze sind dahin, die Wohngemeinschaft, verstärkt durch die Journalistin Marlene Biber und den Computerfachmann Tom Vellner, nimmt ihre unautorisierten Ermittlungen auf. In diesem Fall können sie gar nicht anders, finden sie, weil Kriminalhauptkommissar Hannes Bremer nach einem schweren Verkehrsunfall im Krankenhaus liegt. Und sein Stellvertreter, na ja, der ist halt noch neu, der hat die Sache noch nicht so im Griff.

Während die „SOKO Plagiator“ ganz offiziell und die Senioren WG klammheimlich erforscht, welche Gemeinsamkeiten die ermordeten Autoren hatten, welche Motive es im privaten oder beruflichen Bereich geben könnte und ob vielleicht jemand gezielt bestimmten Verlagen schaden möchte, kennen wir Leser:innen zum Teil die Gedanken des Täters. Und wir ahnen, dass Polizei und private Ermittler mit ihrem Denkansatz falsch liegen. Sie suchen nach rationalen Gründen, während der Täter in seinem ganz eigenen Universum unterwegs ist. Mit Logik und Vernunft werden sie bei ihm nicht weit kommen. Professor Thalers Ansatz, ein Täterprofil zu erstellen, könnte eher zum Ziel führen.

Bei den zwei Toten bleibt’s nicht. Unter den Autorinnen und Autoren geht die Angst um. Und als ein Mordanschlag auf einen Mann verübt wird, der mit der Verlagsszene rein gar nichts zu tun hat, kennt sich niemand mehr aus. Hat dieser feige Tötungsversuch überhaupt was mit den Schriftsteller-Morden zu tun? Oder sind das zwei verschiedene „Baustellen“?

Als Polizei, Staatsanwaltschaft und die WG-Bewohner:innen genau zu wissen glauben, wie sie den Autorenmörder aus der Reserve locken können, geht die Sache so richtig den Bach runter. Eine fingierte Pressemeldung, Charlotte Stern als Lockvogel, Verhaftung, fertig.– So haben sie sich das vorgestellt. Doch der Einsatz wird total vergeigt und statt dass der „Plagiator“ der Polizei ins Netz geht, verschwindet Charlotte. Der Mörder ist natürlich auch weg. Na, klasse! Und jetzt? Auf die Fähigkeiten der Polizei will sich die Amateurdetektiv-WG jedenfalls nicht verlassen …

Als Leser:in wird man hier sehr gekonnt hinters Licht geführt. Natürlich entwickeln wir Theorien, wer der Täter sein könnte, dessen Gedanken wir jeweils in den „halben“ Kapiteln verfolgen können. Halbe Kapitel? Ja, sowas gibt’s hier: Kapitel 1: Romanhandlung, Kapitel 1,5: Perspektive des Täters, Kapitel 2: Fortsetzung der Romanhandlung … Ich fand dieses System sehr übersichtlich. 

Aus naheliegenden Gründen vermuten wir die Tatperson im Umfeld der Verlags- und Autorenszene. Bis sich Charlotte Stern in Hypnose an jemand ganz anderen als Täter zu erinnern glaubt.

Ach ja, denkt man, das kann natürlich auch sein. Und da das sowieso ein Unsympath ist, dem man schon immer alles zugetraut hat, nur nichts Gutes, hat man auch nichts dagegen, dass der weggesperrt wird. Bis einem dann doch wieder Zweifel kommen. Kann das wirklich so gewesen sein? – Die Sache bleibt also rätselhaft und spannend.

Der Krimi ist keine unappetitliche „Schlachtplatte“, aber es gibt schon auch gruselige Szenen. Alfred Hitchcock lässt grüßen! Also, ich wollte nicht das erleben, was die Literaturagentin in diesem Fall durchmachen muss!

Der Krimi ist aber nicht nur düster. In der Senioren-WG und in deren Umfeld gibt’s starke Freundschaften, unverbrüchlichen Zusammenhalt und beherzte Hilfe in der Not. Und schmunzeln muss man manchmal auch. Über Charlotte, die beruflich ein Muster an Ordnung war aber in ihrem Haushalt im Chaos versinkt. Und über ihren WG-Genossen, den Meteorologen Conrad, der in diesem Band ein Gesicht macht wie sieben Tage Regenwetter. Warum? Weil der Hamburger Krimiautor Georg Sievers hartnäckig seine Lebensgefährtin Anneliese anbaggert. Und die lässt sich das auch noch gefallen! 

Auf die Idee, mal mit seiner „Liesel“ zu reden, kommt der sonst so kluge „Wetterfrosch“ nicht. Da müssen ihm seine Mitbewohner:innen erst gründlich den Kopf waschen. Ja, auch das muss in einer guten Freundschaft mal sein!

Ich mag das erfreulich „normale“ Romanpersonal, auch wenn ich mir dessen Vorgeschichte stellenweise zusammenreimen muss, weil ich erst bei Band 4 eingestiegen bin. Keine Sorge: Das Wichtigste kriegt man auch als Quereinsteiger:in mit. Und wer’s genauer wissen will, dem bleibt unbenommen, die vorigen Bände im Nachhinein zu lesen – oder bei Band 1 anzufangen.

Ich hoffe, dass sich das „letzte Kapitel“ im Titel nur auf diesen Roman bezieht und nicht auf die Krimireihe. Die darf gern noch eine Weile weitergehen! Die macht auch Leser:innen Spaß, die noch nie in Hannover waren. Ob die sich jetzt noch dort hin wagen …? 😉

Claudia Rimkus lebt und arbeitet in ihrer Geburtsstadt Hannover. Seit ihrer Jugend schreibt sie Gedichte, Kurzgeschichten und Romane. Ihre ersten Erzählungen wurden erfolgreich als Fortsetzungsromane in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und den angeschlossenen Lokalzeitungen veröffentlicht. Ihre Werke sind trotz aller Spannung immer mit Humor gewürzt. Die Autorin ist oft mit der Kamera unterwegs. Das genaue Beobachten ihrer Umwelt inspiriert sie sowohl beim Fotografieren als auch beim Schreiben. Ihre Fotos haben schon mehrere Preise gewonnen.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
www.boxmail.de

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