Claudia Thomas, Susanne Kundt: Lilo & Lotte (ab 12)

Claudia Thomas, Susanne Kundt: Lilo und Lotte und ihre tierischen Freunde retten den Zoo vor der Wirtschaftskrise, Stuttgart 2010, Gatzanis GmbH, ISBN 978-3-93285-515-3, 124 Seiten, Hardcover mit Lesebändchen, farbige Illustrationen von Sepp Buchegger, Format 17 x 22,4 x 1,6 cm, EUR 19,95.

Kurz vor Morgengrauen klatscht Lilo in die Pfoten: „Das war’s! Wir veranstalten also nächsten Sonntag einen Riesenevent im Zoo, mit allen Tieren. Da präsentieren wir unsere Ideen, wie der Zoo neue Angebote schaffen und wieder Geld verdienen kann. Wenn wir das schaffen, sind wir saniert! (…)“ (Seite 47)

Jetzt ist es passiert! Die Wirtschafskrise, von der alle Welt spricht, ist auch im Zoo angekommen! Das Publikum hat wegen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit weniger Geld in den Taschen und kann sich die Eintrittsgelder nicht mehr leisten. Also hat der Zoo weniger Einnahmen und muss sparen. Das bekommen auch die Zootiere zu spüren: Einige ihrer Kameraden werden verkauft, Tierpfleger Paul wird entlassen, der Tierarzt kommt seltener, was insbesondere den älteren Tieren zu schaffen macht. Es wird billigeres und schlechteres Futter gekauft und der Affenkindergarten wurde, sehr zum Verdruss der Affeneltern, aus Kostengründen geschlossen.

Papagei Hubert, der zu seiner menschlichen Patin, Frau Hägele, ein besonders inniges Verhältnis hat, kapiert als erstes, wie das alles zusammenhängt. Er hat der alten Dame gut zugehört, als sie ihm ihr Leid geklagt hat. Wenn schon die Menschen keine Ahnung haben, wie man den Zoo und diverse Arbeitsplätze retten kann, dann müssen eben die Tiere die Sache in Krallen und Pfoten nehmen!

Dass er da allein nichts ausrichten kann, das ist Papagei Hubert klar. Er bespricht sich mit seinem Lebenspartner, dem Rosakakadu Alfonso und seinem Sohn Romeo, und dann berufen sie eine heimliche nächtliche Tierkonferenz am Seerosenteich ein.

Spätzin Hermiene, die als freie Haussperlings-Dame auf dem Zoogelände lebt und überall freien Durchflug hat, übernimmt den Informationsdienst. Sie benachrichtigt alle Zootiere. Manch einer ist zunächst unwillig und muss erst zur Teilnahme an der „Aktion Seerose“ überredet werden. Aber Hermiene kann sehr überzeugend sein!

Offensichtlich hat die Spätzin ihre Sache gut gemacht, denn um 20 Uhr sind sämtliche Tiere am Seeroseneich versammelt. Sogar die zwei Pfauen sind da. Aber die sind, wie immer, nicht zum Helfen gekommen, sondern nur zum Ablästern, Miesmachen, Nörgeln und Besserwissen. Als der Plan zur Rettung des Zoos ausgearbeitet wird und es an die Aufgabenverteilung geht, haben die beiden sich längst verdünnisiert.

Am nächsten Tag nehmen umfangreiche Vorbereitungen ihren Lauf. Die Tiere organisieren und trainieren, was das Zeug hält. Insbesondere die Papageien greifen zur Erledigung ihrer Aufgaben zu den raffiniertesten Tricks. Zu etwas muss es ja gut sein, dass sie schlau genug sind, ein Handy zu bedienen. Und dass Alfonso so ein begnadeter Stimmenimitator ist …

Da naht Hermiene mit einer schlechten Nachricht: Ein Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten will kommen und einige der Zootiere kaufen. War die „Aktion Seerose“ jetzt umsonst? Kann das geplante Zoo-Festival nun noch stattfinden, oder sitzt ein Großteil der Akteure am Tag X bereits in Dhabu Qa-sel? Die große Zoorettungsveranstaltung steht auf der Kippe, und wenn es doch noch zum Happy End kommen soll, dann müssen sich die Tiere schleunigst was einfallen lassen!

Wirtschaft(skrise) und Marketing für Einsteiger präsentiert dieses überaus vergnügliche Buch mit viel Sachverstand und Humor. Die farbigen und witzigen Illustrationen des Zeichners Sepp Buchegger tun ihr übriges, die Helden und ihre Geschichte lebendig werden zu lassen: die gerissenen Papageien, die sportlichen und tatkräftigen Kängurus, die trägen Eisbären, den vergesslichen Nashornbullen Bruno, die blöden Lästerpfauen und die ehrgeizige Spätzin Hermiene, die penibel jedes Zitat des belesenen Jung-Aras Romeo mitzählt. Und auch das menschliche Personal: Papageienpatin Frau Hägele, die arbeitslose Tierärztin Sabrina, den allein erziehenden Tierpfleger Paul, den besorgten Zoodirektor, den vermögenden Scheich und die hilfsbereite Pizzeria-Wirtin Giuseppa.

Bei all der Personalfülle wird es nie unübersichtlich Die Individuen sind so unterschiedlich charakterisiert, dass man immer genau weiß, wer nun was sagt oder macht – und auch, warum er das tut. Dass in die zwei Kängurudamen Lilo und Lotte ein paar Eigenschaften der Autorinnen Claudia und Susanne eingeflossen sind, das ist freilich nur eine Vermutung der Rezensentin …

Begriffe aus Zoologie und Wirtschaft, die sich nicht vollständig aus dem Text erklären, erläutert in einer Spalte am Textrand das Eichhörnchen. Das macht es sachlich korrekt, doch könnten seine Ausführungen vielleicht noch ein bisschen kindgerechter sein. Andererseits hat es nur wenig Platz für seine Erklärungen, und da wird das immer eine Gratwanderung sein zwischen „knapp und viel vorausgesetzt“ und „sehr stark vereinfacht“. Wie dem auch sei: Keiner klappt das Buch dümmer zu als er es aufgeschlagen hat. Und dabei hat überhaupt niemand belehrend mit dem Zeigefinger gewedelt. Okay, das Eichhörnchen vielleicht, falls es sowas wie einen Zeigefinger hat – aber das hat man hier ja auch eigens zum Klugschnacken abgestellt.

Je nach Alter und Wissensstand wird jeder Leser unterschiedliche Erkenntnisse aus dem Buch mitnehmen. Amüsieren werden sich alle. Das ist hier ein bisschen so wie bei Asterix, wo man auch auf verschiedenen Ebenen dazulernen und lachen kann. Der Kern der Botschaft dürfte auf jeden Fall bei allen Altersklassen ankommen: Wenn man mutig ist, Ideen hat und zusammenhält, kann man so manches erreichen, was niemand für möglich gehalten hätte.

Und wer nach diesem Buch von Lilo, Lotte und ihren Zoo-Freunden nicht genug bekommen kann, dem sei verraten: Sie sind auch bei facebook. Und sie haben eine eigene Internetseite: http://www.liloundlotte.de.

Die Autorinnen:
Claudia Thomas, geb. 1962 in Esslingen am Neckar. Sie studierte Volkswirtschaftslehre und Japanologie in Tübingen und machte sich 1998 mit einem Medienbeobachtungsunternehmen selbständig. Mit dem Verkauf ihres Unternehmens nach 10 erfolgreichen Jahren begann sie 2009 einen neuen Lebensabschnitt.

Susanne Kundt, 1961 in Ludwigstadt geboren, lebt seit vielen Jahren in Ostfildern bei Stuttgart. Sie hat Maschinenbautechnikerin gelernt und arbeitete in den letzten 10 Jahren als stellvertretende Geschäftsführerin in der Informationswirtschaft.

Der Illustrator:
Sepp Buchegger, Jahrgang 1948 und aufgewachsen in Bayreuth, lebt als Zeichner in Tübingen und arbeitet hauptsächlich für das „Schwäbische Tagblatt“, dazu noch für mehrere Buchverlage und Zeitschriften.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
     
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