Frank M. Reifenberg, Gina Mayer: Die Schattenbande legt los! Band 1, ab 10 Jahren

Frank M. Reifenberg, Gina Mayer: Die Schattenbande legt los! Band 1, ab 10 Jahren, München 2014, bloomoon, ISBN: 978-3-7607-9936-0, Hardcover, 234 Seiten mit s/w-Illustrationen von Gerda Raidt, Format: 21,2 x 14,8 x 2,8 cm, Buch: EUR 12,99 [D], EUR 13,40 [A], CHF 18,90, Kindle Edition: 10,99, Audio-CD: EUR 14,90.

9783760799360

„Wir sind die Schatten, schnell und schlau,
keiner sieht sie je genau.“
(Seite 18)

Berlin, Mitte der 1920-er Jahre: Seit sie wegen schlechter Behandlung aus dem Waisenhaus abgehauen sind, sind Karla Schlapp (12), Otto Karwuttke und die Geschwister Kowalski auf sich allein gestellt. Sie hausen in einer ehemaligen Schreinerei am Lützowufer und leben von Botengängen und kleinen Gaunereien. So wundern sie sich nicht, als ihnen Journalist Billy Barrakuda – mit bürgerlichem Namen Wilhelm Wilder – eine Nachricht schickt und sich mit Otto in der Pension der Witwe Botts verabredet.

Dort findet Otto allerdings statt des befreundeten Journalisten eine sterbende russische Großfürstin vor und läuft der Polizei in die Arme, die ihn prompt für den Mörder der Dame hält. Dass sich kurz vor Eintreffen der Polizisten zwei Landsleute der Ermordeten vom Tatort verdünnisiert haben, glaubt ihm keiner.

Unterdessen versteckt sich Taschendiebin Klara auf der Flucht vor der Polizei im Revuetheater „Schwarze Katze“, dem fabelhaften Panoptikum der geheimnisvollen Madame Fatale. Dort geht es nicht mit rechten Dingen zu. Madame wahrsagt und liest Gedanken, Yvette Lorraine kann durch Gedankenkraft Türen schaffen, wo vorher keine waren, der schwarze Kater verwandelt sich im Bedarfsfall in einen Muskelmann und Dunkelmensch Oscuro aus dem fernen Feuerland hat auch ein paar besondere Fähigkeiten.

Klara glaubt nicht an Wahrsagerei, doch die beiden Wörter, die Madame Fatale ihr mit auf den Weg gibt, helfen tatsächlich zur angegebenen Stunde aus großer Not. Viel gewonnen ist damit aber nicht, denn jetzt sind neben den Polizisten auch noch ein paar gefährliche Gangster hinter der Schattenbande her. Sie glauben, Otto habe etwas Wertvolles aus dem Besitz der Großfürstin mitgehen lassen. Wer die Leute sind und was genau sie suchen, ist weder den Kindern noch Billy Barrakuda klar.

Eine Geisterbeschwörung bei Madame Fatale bringt Licht ins Dunkel. Ausgerechnet das jüngste Mitglied der Schattenbande, die hochsensible Lina Kowalski, fungiert dabei als Medium. Da kann ihr großer Bruder, Panzerknacker-Paule, noch so sehr dagegen sein. Doch dass Lina in Trance auf einmal Russisch und Französisch spricht, ist noch nicht das gruseligste Erlebnis, das auf die vier Freunde wartet …

Erst spät dämmert ihnen, was der Stadtstreicher Graf Danilo mit seiner Warnung gemeint haben könnte: „Wenn ihr eurem Freund helfen wollte, müsst ihr zuerst drei Dinge lernen: Erstens: Nicht so laut reden. Zweitens: Nichts ist, wie es scheint. Und drittens: Traut niemandem. Euer Feind ist euer Freund und euer Freund ist euer Feind.“ (Seite 102) Wird es der Schattenbande gelingen, Otto vom Verdacht des Diebstahls und Mordes reinzuwaschen? Und wie entkommen sie nur der Verfolgung durch die Gangster?

DIE SCHATTENBANDE LEGT LOS ist ein spannender Jugendkrimi mit unheimlichen Mystery-Elementen und witzigen Dialogen. Insbesondere der berlinernde Paule Kowalski hat einen ausgesprochen trockenen Humor. Kleine Gags wie die Bemerkung, dass Journalist Wilhelm Wilder von einer Karriere als Hollywood-Produzent träumt, werden zwar an der jungen Leserschaft vorbeigehen, dafür aber erwachsene Mit- oder Vorleser zum Schmunzeln bringen.

Ungewöhnlich ist das Setting im Berlin der 1920-er Jahre. Dass die Abenteuer der Schattenbande nicht in unserer Zeit spielen, fällt den jungen Lesern wahrscheinlich an Gerda Raidts meisterhaften Illustrationen auf: Kleidung und Autos sind ungewöhnlich altmodisch. Im Text kommen dann allerhand Begriffe vor, die 10-jährigen von heute vermutlich nichts sagen: Knickerbocker? Elektrische? Panoptikum? Droschke? Und wer bitte, werden sie sich fragen, sind Max Schmeling, Stalin und Josephine Baker? Hier wäre ein kleines Glossar nicht schlecht gewesen.

Die vier Mitglieder der Schattenbande werden zu Beginn der Geschichte in Wort und Bild vorgestellt:

  • Bandenchefin Karla, die stets in Jungsklamotten herumläuft und perfekt getarnt ist, wenn sie ausnahmsweise mal Mädchenkleider trägt.
  • Fassadenkletterer Paul, der gerne der Boss wäre, aber noch plant, wenn Karla längst gehandelt hat.
  • Erfinder, Autonarr und Schlossknacker Paule Kowalski, der unbefangen Dialekt spricht und die Sache oft mit Witz und wenigen Worten auf den Punkt bringt.
  • Und nicht zuletzt seine jüngere Schwester Lina, die man aus heutiger Sicht wohl als hochbegabt und hochsensibel einstufen würde.

Das freie und unabhängige Pippi-Langstrumpf-Leben der vier Kameraden, in das ihnen kein Erwachsener hineinquatscht, ist nur auf den ersten Blick beneidenswert. Es hat auch seinen Preis: Es ist entbehrungsreich. Niemand kümmert sich um die Kinder, wenn sie hungrig, pleite, krank oder mit ihrem Latein am Ende sind. Und auch wenn das spannende Abenteuer im Vordergrund steht wird den jungen Lesern vielleicht bewusst, dass Sie es sehr viel besser haben als die Romanhelden.

Die Autoren
Frank M. Reifenberg
absolvierte eine Ausbildung zum Buchhändler und arbeitete danach als Presse- und Öffentlichkeitsreferent. Er besuchte die Int. Filmschule Köln und schreibt seit dem Jahr 2000 Romane und Drehbücher. Seit 2008 engagiert er sich in der Leseförderung von Jungen, hält zu diesem Thema Seminare, Vorträge für Multiplikatoren und Workshops nur für Jungen. Die Universität zu Köln berief ihn als Lehrbeauftragten für die Leseanimation von Jungen. 2012 wurde er vom Luxemburger „Centre national de littérature“ mit einem Stipendium ausgezeichnet.

Gina Mayer hat als Werbetexterin gearbeitet, bevor sie Schriftstellerin wurde. Sie schreibt historische Romane und Krimis für Jugendliche und Erwachsene. Aus ihrer Feder stammen z. B. „Die verlorenen Schuhe“ und „Das Maikäfermädchen“. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Düsseldorf.

Die Illustratorin
Gerda Raidt,
1975 in Berlin geboren, studierte zunächst Freie Grafik an der Burg Giebichenstein in Halle. Später wechselte sie in die Fachrichtung Illustration an die HGB Leipzig, wo sie anschließend auch ein Meisterschülerstudium absolvierte. Seit 2004 arbeitet sie als freie Illustratorin. Sie hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in Leipzig.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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