Ben Aaronovitch: Der böse Ort – Roman

Ben Aaronovitch: Der böse Ort, OT: Broken Homes, aus dem Englischen von Christine Blum, München 2014, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-21507-7, Softcover, 398 Seiten, Format: 19 x 12 x 2,8 cm, Buch: EUR 9,95 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 7,99, Audio-CD: EUR 14,99.

Abbildung: (c) dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Abbildung: (c) dtv Deutscher Taschenbuch Verlag

Es ist schon hart, wenn nur drei Beamte der Londoner Metropolitan Police für den gesamten „abstrusen Sch**ß“ der Stadt zuständig sind. PC Constable Peter Grant, seine Kollegin Lesley May und ihr Chef Thomas Nightingale würden für ihren Job vermutlich eine Bezeichnung wie „Einheit für übernatürliche Angelegenheiten“ bevorzugen – wenn sie denn Zeit hätten, darüber nachzudenken. Die haben sie momentan eher nicht. Zu viele illegal praktizierende Zauberer sind unterwegs. Da tritt sogar ihre Jagd nach dem gefährlichsten von ihnen, dem „Gesichtslosen Magier“ vorübergehend in den Hintergrund.

  • Robert Weil, 42, Umweltschutz-Experte aus Crawley, hat sein Zauberhandwerk an der Uni Oxford gelernt. Der Magier Geoffrey Wheatcroft hat die Studenten illegal in dieser Kunst unterwiesen. Jetzt wird Weil beim Entsorgen einer weiblichen Leiche erwischt. Und mit dieser Toten stimmt was nicht …
  •  George Nolfi, 67, pensionierter Landvermesser aus Wimbledon, verletzt sich beim Zaubern eines Werlichts. So etwas dürfte er gar nicht erzeugen können! Er dürfte genau genommen überhaupt nicht zauben können!
  • Richard Lewis, 46, Stadtplaner und zuständig für den Sozialwohnblock Skygarden Tower in Südlondon, springt ohne nachvollziehbaren Grund vor eine U-Bahn. Ein Fall von Gedankenkontrolle?
  • Patrick Mulkern, Tresorknacker aus Bromley, versucht, ein deutsches Buch über Magie aus dem Jahr 1799 zu verkaufen. Stammt das etwa aus einem Einbruch in West Hill House in Highgate? Dort hat der deutsche Architekt Erik Stromberg gewohnt, von dem es heißt, er habe Architektur mit Magie kombiniert, um die Menschheit durch Baukunst zu verbessern. Er war der Erbauer der Skygarden-Siedlung.Was Stromberg wohl mit seinem Teleskop von seiner Dachterrasse aus beobachtet hat? Die Sterne sicher nicht …Der Tresorknacker Mulkern kann zu der Herkunft des Buchs keine Aussage mehr machen, er wird tot in seinem Haus gefunden. Und die Todesursache ist ebenso gruselig wie ungewöhnlich – und definitiv übernatürlicher Art.
  • Bei ihren Ermittlungen laufen Peter Grant und Lesley May ausgerechnet Varenka Dobroslova in die Arme, die sie als Pflegerin des Magiers Albert Woodville-Gentle in unguter Erinnerung haben. Varenka, die eigentlich Varvara Sidorovna Tamonina heißt, alles andere als eine harmlose Krankenschwester ist und auch keine 62 Jahre alt, liefert ihnen einen formidablen Kampf und entkommt. Eine Personenüberprüfung ergibt, dass sie etwas mit dem jung verstorbenen Drogenbaron Richard Dewsbury zu tun hatte, wohnhaft in – Skygarden.

Schon wieder Skygarden! Da ist doch was faul! Lesley und Peter mieten sich samt Hund Toby – der eine Antenne für alles Magische hat – inkognito in der Siedlung ein. Die Nachbarn sind zwielichtig, die verwaltende Immobiliengesellschaft nicht minder. Investoren würden den ganzen Wohnblock am liebsten platt machen und neu bebauen, doch das Ensemble steht aus zunächst unerfindlichen Gründen unter Denkmalschutz.

Die beiden Polizisten nehmen die Wohnanlage und deren Bewohner gründlich unter die Lupe. Dass Architekt Stromberg etwas mit Magie zu tun hatte, scheint mehr als nur ein Gerücht zu sein. Hier gibt es jede Menge abstrusen Sch**ß. Und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis der Gesichtslose Magier persönlich hier aufschlägt und auch mitmischen will. Als es tatsächlich zum großen Showdown kommt, erleben alle eine faustdicke Überraschung: Peter, sein gesichtlsoser Gegenspieler – und der Leser auch.

Das ist der vierte Band der Reihe um „Zauberlehrling“ PC Grant. Im Lauf der Zeit hat Autor Aaronovitch eine Fülle von skurrilen Figuren geschaffen, die er hier zum großen Teil aufmarschieren lässt, auch wenn sie zum Handlungsablauf nicht wirklich Entscheidendes beizutragen haben. Die Flussgötter feiern ein Volksfest mit Pisswettbewerb, Peters multikulturelle Verwandtschaft taucht immer wieder auf, der verfressene Fae Zachary Palmer hängt dauernd bei Peter und Lesley rum und geht mit den Jungs vom Stillen Volk einen saufen. Und Molly, Nightingales stumme Haushältern, die Gott-weiß-was für ein übernatürliches Wesen ist, arbeitet sich mit wechselndem Erfolg durch ein Kochbuch von Jamie Oliver.

Das ist amüsant, genau wie Ben Aaronovitchs bissige Seitenhiebe auf Architekten, Stadtplanung und Bürokratie: „Wie bei den meisten Häusern in dieser Straße war der großzügige Garten asphaltiert worden um Parkfläche und Überflutungsrisiko zu maximieren.“ (Seite 93) – „Der Aufzug war frei von Graffiti und Urin, was immer erfreulich ist, aber die Kabine war winzig – ein Ausdruck des festen Glaubens des Architekten, dass das Proletariat unbelastet von bourgeoisem Zierrat wie beispielsweise Massiven Möbeln sein fröhliches Dasein fristete.“ (Seite 217) – „So war es Stromberg auf geniale Weise gelungen, die typische Nachteile eines Hochhauses mit denen einer Reihenhauszeile zu kombinieren.“ (ebenda).

In Verbindung mit den diversen Handlungssträngen ist die Personalfülle bisweilen etwas verwirrend. Man fragt sich fortwährend: Ist der/die wichtig? Er/sie stammt aus A und spricht den Dialekt von B. Muss ich mir das merken? – Meistens nicht, aber manchmal tauchen die Personen doch wieder auf, und dann wäre es gut, wenn man sie ohne zurückzublättern zuordnen könnte. Wer die vorigen drei Bände nicht gelesen hat, hat ohnehin keine Chance, bei der Geschichte mitzukommen.

Die Architekten kriegen hier ordentlich ihr Fett weg, aber Strombergs Skygarden-Konzept ist faszinierend. Von allen Bewohnern hat leider nur Jake Philipps, der radikale Vorsitzende des Mietervereins kapiert, wie es gemeint war. Schade, eigentlich! Das hätte toll werden können.

Auch wenn der Großteil des Buchs in –zig Nebenhandlungen zerfasert: Der Showdown ist nicht von schlechten Eltern! Der Leser ist von den Entwicklungen mindestens so überrascht wie die Kontrahenten.

Da nicht alle wichtigen Handlungsstränge zur allseitigen Zufriedenheit zum Ende gebracht werden konnten, lauern wir nun gespannt auf Band 5 …

Der Autor
Ben Aaronovitch wurde in London geboren und lebt auch heute noch dort. Wenn er gerade keine Romane oder Fernsehdrehbücher schreibt (er hat u. a. Drehbücher zu der englischen TV-Kultserie ‚Doctor Who‘ verfasst), arbeitet er als Buchhändler. Seine Fantasy-Reihe um den Londoner Polizisten Peter Grant mit übersinnlichen Kräften eroberte die internationalen Bestsellerlisten im Sturm.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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