Lars Simon: Kaimankacke – Roman

Lars Simon: Kaimankacke – Roman, München 2014, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-21554-1, Softcover, 319 Seiten, Format: 12,1 x 2,8 x 19,4 cm, Buch: EUR 9,95 (D),EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 7,99. Auch als Hörbuch-Download und Audio-CD erhältlich.

Abbildung: (c) dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Abbildung: (c) dtv Deutscher Taschenbuch Verlag

„Rainer hatte einen grauenhaften Bademantel an. Völlig kommerziell und gar nicht marxistisch waren Micky Maus und Donald Duck vorne aufgedruckt (…) Völlig bizarr wurde dieser Anblick – unterstützt von Rainers ohnehin markantem Aussehen mit Fisselbart und leicht beschlagener Flaschenbodenbrille – durch das Handtuch auf keinem Kopf, das er kunstvoll zu einer Art Turban gewickelt hatte. Er sah aus wie ein Nasszellen-Taliban in der Irrenanstalt von Entenhausen.“ (Seite 212/213)

Torsten Brettschneider, Mitte 30, steht unter Druck: Sein erster Roman läuft recht gut, jetzt quengelt seine Agentin nach dem Manuskript für den zweiten. Aber Torsten sitzt in seiner Wohnung in Schweden und hat einfach keine zündende Idee. Vielleicht liegt es an den Problemen, die er mit seiner Angebeteten hat: Pfarrerstochter Linda hat allen Ernstes vor, ihrem Exmann Olle noch einmal eine Chance zu geben.

Da kommt ihm ein Anruf seines wortkargen Vaters gar nicht so ungelegen. Brettschneider senior ist Ingenieur im Vorruhestand und macht gerade Cluburlaub in Costa Rica. Mit dabei: seine um 20 Jahre jüngere Lebensgefährtin Renate – eine spärlich belichtete Esoterik-Wachtel – und zwei Kumpels, die vom gemeinsamen Schweden-Abenteuer im Sommer übriggeblieben sind (Lars Simon: ELCHSCHEISSE, ISBN 978-3-423-21508-4): der zähe und rabiate Norweger Björn (90) und Rainer, der etwas wunderliche Sozialpädagogik-Student im elften Semester.

Torsten soll nach Costa Rica nachkommen, ausspannen und sich Inspirationen für seinen neuen Roman holen. Er ahnt zwar, dass es mit der Erholung nicht weit her sein wird, wenn er wieder mit diesem Chaotentrupp unterwegs ist, fliegt aber trotzdem.

Genervt von den Mitreisenden – den aufdringlichen schwedischen Zwillingsschwestern Frida und Freja, der überforderten jungen Mutter Petra und ihrer verzogenen Tochter Vanessa-Elektra -, kommt er schließlich in der völlig abgerockten und verranzten Ferienanlage „Mucho Gusto“ an. Sein Quartier ist unter aller Kanone, das Essen besteht nur aus Reis mit Bohnen und Bohnen mit Reis, der Clubchef ist ein aufgeblasener Amerikaner, sein Stellvertreter zwielichtig (und schlecht frisiert). Der Chauffeur ist ein baumlanger Indio, ebenso schweigsam wie unheimlich.

Die anstrengenden Reisegefährten wohnen natürlich auch dort und werden in punkto Nervigkeit noch getoppt von einem ewig nörgelnden und streitenden Ehepaar aus Frankfurt.

Kumpel Rainer, der Dauerstudent, ist neuerdings auf Revolution gebürstet und will alle Unterdrückten befreien. Das schließt auch den lebenden Proviant ein, der eigentlich fürs Strandbarbecue vorgesehen war. Als Rainer im Suff seine Hütte abfackelt und in Torstens baufälliger Unterkunft Zuflucht suchen muss, lässt der Schriftsteller den letzten Rest Hoffnung auf Erholung fahren. Und dann fällt ihm auch noch das Handy ins Klo. Wenigstens bieten die schrägen Vögel und skurrilen Erlebnisse in der Ferienanlage genügend Stoff für seinen neuen Roman.

Vollends abgefahren wird es, als Torsten und sein Chaosclub an einer geführten Dschungeltour teilnehmen. Da gibt’s Grünzeug, Viecher und falsche Folklore satt. Torstens Vater lästert, der alte Björn grummelt, Eso-Wachtel Renate tickt vollkommen aus und Rainer findet alles „oberst krass, ne?“.

Doch was treiben eigentlich die Reiseleiter Ramirez und Gonzales, wenn sie sich stundenlang von der Gruppe abseilen? Als Torsten und sein Vater den beiden heimlich folgen, kommen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier ist offenbar einiges nicht so, wie es aussieht und so mancher nicht das, was er zu sein vorgibt. Als auch noch die zwei Schwedenschwestern aus purer Dusseligkeit über etwas stolpern, das sie nichts angeht, gibt es ein Problem: Die Dschungel-Touristen wissen zu viel …

Hochgeistige Literatur und eine filigrane Personenzeichnung darf man hier nicht erwarten. Hier gibt’s Slapstick, Schadenfreude und boshaft-witzige Kommentare. Viele zünden, andere … nicht so. Was aber sicher auch Geschmacksache ist. Die Gestalten, die in der Geschichte mitspielen, haben alle mindestens ein Rad ab und sind oft mehr Klischee und Karikatur als Mensch. Der Ich-Erzähler Torsten ist dabei keine Ausnahme. Er ist ein bisschen luschig veranlagt und sieht immer erst fassungslos dem Treiben seiner Mitmenschen zu, ehe er sich in den Strudel der Ereignisse hineinziehen lässt. Dabei ist eines sicher: Was sein Vater und seine Kumpels einrühren, wird für ihn übel enden. Torsten leidet und der Leser gackert. Wenn am Schluss dann die Fieslinge, die sich das ganze Buch über für besonders schlau gehalten haben, mit Schmackes vor die Wand laufen, ist die Welt wieder in Ordnung.

Lernen kann man hier auch noch was: Die spanischen Vokabeln und Redensarten, die in dem Buch Verwendung finden, werden im Anhang erklärt, wobei spezifisch süd- und mittelamerikanische Begriffe sogar eigens markiert sind.

So wie’s am Schluss der Geschichte aussieht, ist der Irrsinn hier noch nicht zu Ende. Es könnte mit einem neuen Abenteuer in Lappland weitergehen. Wie der dritte Band wohl heißen wird? Ich tippe mal auf RENTIERMIST.

Der Autor
Lars Simon ist Jahrgang 68 und hat nach seinem Studium zuerst lange Jahre als Marketingleiter einer IT-Firma gearbeitet, bevor er als Touristen-Holzhaus-Handwerker mit seiner Familie mehr als sechs Jahre in Schweden verbrachte. Heute lebt er in der Nähe von Frankfurt/Main.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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