Kaspar Panizza: Saukatz – Kriminalroman

Kaspar Panizza: Saukatz. Frau Merkel und der Kommissar – Kriminalroman, Meßkirch 2016, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-1936-2, Klappenbroschur, 246 Seiten, Format: 12,1 x 2,5 x 20 cm, Buch: EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 8,99, auch als Audio-CD lieferbar.

Abbildung: (c) Gmeiner Verlag
Abbildung: (c) Gmeiner Verlag

Nicht ganz freiwillig ist Hauptkommissar Steinböck (50) von der Starnberger Mordkommission weg und als Polizeioberkommissar nach München gegangen. Man hat ihn sozusagen weggelobt, nachdem er sich mit den falschen Leuten angelegt hatte.

Jetzt ist Steinböck auf Wohnungssuche, was ja in München bekanntlich kein Spaß ist. Aber bei der Mordkommission erfährt man ja beizeiten, wenn irgendwo eine Wohnung frei geworden ist. (Das ist so eine Story, die einem nie einer glaubt, wenn man sie als Vermieter erzählt. Aber so läuft’s tatsächlich manchmal.) Der Kommissar übernimmt die Wohnung eines Mordopfers – und dessen Katze.

Autor ermordet, Laptop geklaut


Der Schriftsteller Oskar Hacker ist in seinem Wohnzimmer erschossen worden – Steinböcks erster Fall in seinem neuen Wirkungskreis. Zu holen war bei dem erfolglosen Autor nichts. Nur sein Laptop fehlt und das Recherchematerial zu seinem neuen Buch. Über dubiose Medikamententests an Menschen hat geschrieben. Zu diesem Zweck hat er selbst an einer solchen Testreihe teilgenommen und Kontakte zu Probanden aus der Obdachlosenszene gepflegt. Das findet Steinböck mit Hilfe seiner einstweiligen Assistentin, der Polizeianwärterin Ilona Hasleitner heraus.

Ilona mag übergewichtig sein und massive familiäre Probleme haben, aber sie sehr engagiert und ein As im Recherchieren. Steinböck lässt nichts auf sie kommen und macht seinen Kollegen unmissverständlich klar, dass er es nicht dulden wird, wenn man sie blöd anredet oder gar mobbt. Er hätte sie sogar vorübergehend bei sich wohnen lassen, wenn seine Vermieterin, Maxi Müller, nicht eine bessere Idee gehabt hätte.

Der Kommissar und seine „Frau Merkel“


Überhaupt, die Vermieterin! Die ist eine Klasse für sich: um die 50, abgefahrene Pumucklfrisur, schrille Klamotten, Ashram-Vergangenheit und ein abgebrochenes Botanik-Studium. Eine Gelegenheitsschauspielerin und Millionenerbin, die im Wintergarten ungeniert Cannabispflanzen zieht und deren Blätter auch rege konsumiert. Da ist es kein Wunder, dass sie sich einbildet, Hackers schwarze Katze denken zu hören. „Katze“ hat der ermordete Schriftsteller das imposante Tier nur genannt. Maxi Müller- und bald auch Steinböck und dessen Kollegen – nennen sie wegen ihrer herabhängenden Mundwinkel „Frau Merkel“, was der Katze überhaupt nicht passt. Sie hat nämlich durchaus Ahnung von den Vorgängen in der Welt der Menschen und sehr spezielle Ansichten dazu. Als Revanche für den ungeliebten neuen Namen pieselt sie der Vermieterin in die Cannabis-Pflanzen.

Steinböck konsumiert nichts von dem Zeug. Er trinkt allenfalls zu viel Whisky. Und so staunt er nicht schlecht, als sich auf einmal die politisch nicht immer korrekten Gedanken seiner tierischen Mitbewohnerin in sein Hirn schleichen. Spinnt er jetzt? Steht er tatsächlich in telepathischem Kontakt mit seinem Haustier? Oder tritt er nur in einen inneren Dialog mit sich selbst, um seine Gedanken zu ordnen? Jedenfalls geht Frau Merkel wie selbstverständlich jeden Tag mit Steinbrück … pardon: Steinböck zum Dienst, auch wenn Kollege Staller von der SpuSi die „tollwütige Saukatz“ mit leidenschaftlichem Hass verfolgt, seit sie ihn einmal gekratzt hat.

Ein zweiter Mord geschieht …


Als ein weiterer Test-Proband ermordet wird und ein dritter verschwindet, fühlen sich die Ermittler in ihrer Theorie bestätigt. In der Pharmafirma, denken sie, werden sie den Mörder finden. Doch je tiefer sie in die Materie eindringen, desto weniger passt alles zusammen. Da kommt Steinböck der Zufall zu Hilfe. Oder hat die Katze ihre Pfoten im Spiel …?

Skurrile Charaktere mit ausgeprägter eigener Meinung bevölkern diesen Kriminalroman. Manche ihrer Ansichten kann man grinsend abnicken. In Sachen Religion, Vetternwirtschaft und Fernseh-Prominenz bin ich ganz bei Steinböck, Hasleitner & Katz‘. Bei Fragen der political correctness wird’s dann schon kritisch. Wer bestimmt, was eine verletzende Äußerung ist? Der, der sie macht oder der, dem sie gilt? Wenn Kommissar Emil Mayer jr., der Enkel eines Afroamerikaners, sich selber „N e g e r“ nennt, ist das seine Sache. Daraus zu schließen, dass das diese Bezeichnung für alle anderen Menschen mit afrikanischen Wurzeln ebenfalls in Ordnung ist, ist meiner Meinung nach nicht zulässig. Aber so sind die Figuren angelegt: eigenwillig, unbequem und mit ihren Überzeugungen auch mal aneckend. Und es sagt keiner, dass sie damit immer richtig liegen.

Komplexer Fall, skurrile Figuren


Der Fall ist komplex. Als Leser weiß man nicht mehr als die Polizei und kommt daher auch nicht vor den Ermittlern auf die Lösung des Falls. Der unterhaltsamere Teil ist sowieso das Geschehen und Geplänkel auf dem Revier – und die Dialoge von Steinböck und Merkel, ob sie nun den Fall diskutieren, über die Kollegen ratschen oder über Glaube und Wiedergeburt philosophieren.

Mache der witzigen Szenen sind für meinen Geschmack ein bisschen zu albern geraten: die Sache mit der Raute, zum Beispiel, oder Stallers slapstickartige Katzenjagd. Das hat so ein bisschen was vom Klamauk der öffentlich-rechtlichen Vorabendserien.

Ich nehme an, dass Steinböck, Merkel & Co. in Serie gehen sollen. Der Band nimmt sich jedenfalls aus wie der Startband einer Reihe, in dem die Hauptfiguren eingeführt werden. Das könnte amüsant werden, wenn die Nebenhandlungsstränge nicht allzu verkaspert daherkommen.

Der Autor
Kaspar Panizza wurde 1953 in München geboren. Er stammt aus einer Künstlerfamilie. Die Arbeiten seines Vaters, eines bekannten Kunstmalers, prägten ihn ebenso wie die vor mehr als 100 Jahren entstandenen, von der Zensur verfolgten Bücher seines Urgroßonkels Oskar Panizza.
Nach dem Pädagogik-Studium machte Kaspar Panizza eine Ausbildung zum Fischwirt. Später entdeckte er seine Liebe zur Keramik. Nach abgeschlossener Ausbildung mit Meisterprüfung arbeitete Kaspar Panizza zunächst als Geschirr-Keramiker und später als Keramik-Künstler im Allgäu. 2004 übersiedelte er nach Mallorca, wo er eine Galerie mit Werkstatt betrieb und zu schreiben begann. Seit 2009 lebt Kaspar Panizza in Ribnitz-Damgarten an der Ostsee und betreibt dort zusammen mit seiner Ehefrau ein Keramik-Atelier.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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