Isabell Spanier (Hrsg.): Plätzchen, Punsch und Psychokiller: 24 Weihnachtskrimis von Sylt bis Wien

Isabell Spanier (Hrsg.): Plätzchen, Punsch und Psychokiller: 24 Weihnachtskrimis von Sylt bis Wien, München 2016, Knaur Taschenbuch, ISBN 978-3-426-51962-2, Softcover, 429 Seiten, Format: 12,5 x 2,9 x 18,9 cm, Buch und Kindle Edition: EUR 9,99.

Abbildung: (c) Knaur Taschenbuch
Abbildung: (c) Knaur Taschenbuch

„Die Leitstelle sprach von zwei oder drei Toten als Ergebnis einer häuslichen Auseinandersetzung. Weihnachten gehört abgeschafft, denkt Völksen. Aus Sicherheitsgründen.“ (Seite 99)

Wem die saisonale Besinnlichkeit irgendwann auf die Nerven geht – schließlich hat die Weihnachtszeit in den Läden ja schon Ende August begonnen – hat mit diesem Buch einen „Adventskalender“ der besonderen Art: 24 mörderische Kurzgeschichten von 24 namhaften Autorinnen und Autoren.

Intrigiert, betrogen und gemordet wird im gesamten deutschsprachigen Raum. Das hat bei Knaur Tradition. Alle Jahre wieder gibt’s so eine Weihnachtskrimi-Anthologie. Für mich ist der vorliegende Band allerdings der erste seiner Art.

Schrägste Weihnachts- Geschichte aller Zeiten


In diesem Band habe ich die abgefahrenste Weihnachtsgeschichte entdeckt, die ich bisher gelesen habe: Ines Häuflers MISSION WEIHNACHTSZAUBER spielt in Wien, was sich sprachlich schwer verleugnen lässt, Es geht um eine mörderische Firmenweihnachtsfeier und erzählt wird das ganze aus der Perspektive der anwesenden – Weihnachtsplätzchen! Illustriert ist die Story auch: im Stil eines Fotoromans. Selten war ein Mord so saukomisch! Also möglichst nicht im Zug oder sonstwo in der Öffentlichkeit lesen! Ich spreche aus Erfahrung.

Falls noch jemand meint, Japanerinnen seien grundsätzlich sanft und zurückhaltend: Wartet, bis ihr Nicola Förgs Sakura kennen lernt! GROSSE FISCHE SCHWIMMEN NICHT IN KLEINEN TEICHEN heißt der Beitrag. Sakura jobbt in einem Souvenirshop in Füssen, spricht fünf Sprachen, hat ein Schandmaul, dass es eine wahre Pracht ist, und ist gar nicht traurig darüber, dass ihr Chef tot im Laden liegt. – Petra Buschs Kurzkrimi DER DREIZEHNTE LOSTAG spielt im Schwarzwald und ist recht brutal und unheimlich. Eine Geschichte von archaischer Gewalt.

Gegner unterschätzt? Pech gehabt!


Manch ein Held tritt jäh vor seinen Schöpfer, weil er sich mit den falschen Leuten angelegt hat, wie z. B. in den Geschichten DER OPERN-OPA (Gert Anhalt), LAST CHRISTMAS (Wolfgang Burger) oder HEILIGABEND (Karen Winter). Andere haben ihre Gegenspieler schlicht unterschätzt. Den tumben Kumpels in Judith Merchants Story SCHWANENBRATEN traut man rein gar nichts zu, nicht mal etwas Böses. Und Patrizia Zanninis schicksalsgebeutelter Bäckergeselle ist so eine arme Socke, dass kein Mensch an ihm eine dunkle Seite vermuten würde. Und dann gibt’s auf einmal BITTERE MAKRONEN … Das Rezept für Haselnussmakronen, das die Autorin ihrem Kurzkrimi angehängt hat, kann man aber getrost nachbacken. Alle tödlichen Zutaten hat sie weggelassen. 😉

Gelegentlich scheitern hochfliegende Pläne an schnöden Zufällen oder an Mängeln bei der Durchführung. Wer andern eine Grube gräbt … Doch allzuviel Zeit, diese Erkenntnis wirken zu lassen, haben die wenigsten der glücklosen Helden. Das gilt z.B. für die Stories DER GUTE JUNGE (Bodo Manstein), WENN ALLE KERZEN BRENNEN (Iny Lorentz) oder FÜRSTLICHE FEUERZANGENBOWLE (Felix Leibrock).

Kampf der Weihnachtsmänner


Skurril ist der Wettstreit der Weihnachtsmann-Darsteller in NOTFALL FÜR DEN OSTERHASEN (Sven Koch) sowie der ausschweifend schwadronierende Beschuldigte, der beim Haftprüfungtermin am 24. 12. Geduld und Nerven des Gerichts strapaziert. Alle wollen nur nach Hause, aber bis es soweit ist, lässt Autor Su Turhan in seiner Geschichte TAUSENDUNDEINE WEIHNACHT noch allerhand Verrücktes geschehen. – Rudolf Jagusch jagt in DAS ERSTE MAL seinen Protagonisten von einem haarsträubenden Abenteuer ins nächste. Dabei wollte der arme Kerl doch nur bei seinem Antrittsbesuch einen guten Eindruck auf die künftige Schwiegerfamilie machen. – Und hat Oberkommissarin Sibylle Schäfer in Harald Gilbers Beitrag EIN FREMDER NAMENS CLAUS tatsächlich den Weihnachtsmann in die Ausnüchterungszelle gesteckt?

Dank dieses Buchs weiß ich jetzt endlich auch , woran mich eine bestimmte moderne Jungmänner-Haartracht erinnert: „Seit einigen Tagen lief er mit einer neuen Frisur herum. Wegen der geometrisch kahlrasierten Seiten wirkte seine Haarpracht, als habe ihm der Stylist kurzerhand ein quadratisches Stück Teppichboden auf den Schädel getackert (…)“ (Seite 300)

Hochkarätige Autorinnen und Autoren


Spannend, raffiniert, grausam, witzig, schräg … in dieser Anthologie findet man Kurzkrimis für jede Stimmung und jeden Geschmack. Hochinteressant sind auch die Kurzbiographien der beteiligten Autorinnen und Autoren, die man am Schluss des Buchs findet. Bei diesen hochkarätigen Mitwirkenden ist es kein Wunder, dass die Sammlung so gelungen ist. Und wer Gefallen am Stil des einen oder anderen Verfassers gefunden hat, erfährt in diesen Vitae auch, was die Damen und Herren sonst so geschrieben haben. Da ist es dann ein Leichtes, sich im Anschluss mit entsprechendem Lesestoff einzudecken. Viele Namen kennt man natürlich. Aber wer nicht gerade als wandelndes Krimiautoren-Lexikon durch die Gegend läuft, wird für kleine Gedächtnisstützen vielleicht ganz dankbar sein. „Ach der/die ist das!“

PLÄTZCHEN, PUNSCH UND PSYCHOKILLER ist eine überaus unterhaltsame Mischung, auch wenn einem naturgemäß manche Beiträge mehr und andere in kleines bisschen weniger liegen werden.

Die Herausgeberin
Isabell Spanier, geboren 1988 in Moosburg an der Isar, studierte Germanistik und Kommunikationswissenschaft in Salzburg und Örebro/Schweden. Sie arbeitet in der Verlagsbranche und lebt in München.

Die Autorinnen und Autoren
Gert Anhalt, Wolfgang Burger, Petra Busch, Veit Etzold, Nicola Förg, Harald Gilbers, Stefan Haenni, Ines Häufler, Jutta Maria Herrmann, Rudolf Jagusch, Elisabeth Kabatek, Thomas Kastura, Ivonne Keller, Sven Koch, Felix Leibrock, Iny Lorentz, Bodo Manstein, Judith Merchant, Susanne Mischke, Gisa Pauly, Su Turhan, Karen Winter, Patrizia Zannini und Franz Zeller.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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