Mirko Reeh, Barbara Stromberg: Israel. Kulinarische Reise mit Mirko Reeh

Mirko Reeh, Barbara Stromberg: Israel. Kulinarische Reise mit Mirko Reeh, Norderstedt 2017, Books on Demand, ISBN 978-3-743-10991-9, Softcover, 160 Seiten, 62 Rezepte, 54 Seiten mit Bildern, Format: 18,9 x 0,9 x 24,6 cm, Buch: EUR 14,90, Kindle Edition: EUR 10,99.

„In einem Land, in dem große Teile der Bevölkerung eine mehr als traurige Vergangenheit bewältigen mussten und in dem nicht beigelegte Konflikte immer wieder tiefe Wunden reißen, ist es der MOMENT, das Heute und somit der Genuss des Augenblicks, der das Lebensgefühl bestimmt. Ein trauriges Gestern, ein ungewisses Morgen – lasst uns das Heute feiern!“ (Seite 28)

Dass man in Israel etwas vom guten und geselligen Essen versteht, war mir schon in jungen Jahren klar. Nur am Anspruch der „Urheberschaft“ der Gerichte hatte ich manchmal leise Zweifel. Und auch heute noch, wenn im Internet die entsprechenden Diskussionen losgehen und die TeilnehmerInnen von diesem oder jenem typisch israelischen Gericht schwärmen, will ich reflexhaft einwenden: „Schmeckt großartig – aber das kochen meine christlichen Bekannten aus Russland, Polen, Ungarn, Tschechien etc. auch. He, das Gericht hat sogar noch seinen ursprünglichen slawischen Namen!“ – „Shakshuka? Lecker! Kennt man aber in ganz Nordafrika, nur unter anderem Namen.“ Was die Gerichte natürlich nicht weniger köstlich macht.

Also gibt es am Ende gar keine typisch israelische Küche? Doch … schon. Die Autoren erklären das so: „Israel ist das Zuhause unterschiedlicher Kulturen. (…) [Die israelische Küche] ist eine Mischung vieler Geschmacksrichtungen, die wie Einzelsteinchen eines Mosaiks ein Gesamtbild entstehen lassen. Kurdische Hühnersuppe, dazu Matzeknödel, ein polnisches Fischgericht, nahöstlicher Hummus und marokkanischer Couscous auf einem Tisch? Warum nicht.“ (Seite 15)

Genau das ist das Besondere: Jeder neue Einwanderer hat seine Rezepte von Zuhause mitgebracht und gegebenenfalls ein bisschen an das mediterrane Klima und die zur Verfügung stehenden Zutaten angepasst. Was in kalten Regionen Osteuropas auf den Tisch kam, war unter der Sonne Israels oft zu schwer verdaulich. Also wurden die Rezepte adaptiert und weiterentwickelt. „Das Ergebnis ist eine Küche mit dem Leckersten aus ganz Europa und der Welt. Von französisch bis jemenitisch, von argentinisch bis ungarisch, immer lokal angepasst mit dem Einfluss klassischer orientalischer Spezialitäten.“ (Seite 21). Mirko Reeh, der weitgereiste Profikoch, stellt außerdem fest: „Diese extreme Vielfalt übertrifft alles, was ich bisher auf dem Teller hatte.“

Nachdem uns der informative und unterhaltsame landeskundliche Teil den Mund so richtig schön wässerig gemacht hat und wir wissen, warum die Küche Israels so ist, wie sie ist, geht es an die Rezepte.

Den orientalischen Einfluss merkt man: Man benötigt ein ganzes Arsenal an Gewürzen. 😉 Was man nicht sowieso zuhause hat, bekommt man in der Regel in türkischen Lebensmittelgeschäften, auch wenn die Zutaten dort ein bisschen anders heißen.

Mit der Dosierung der Gewürze sollte man vorsichtig sein, vor allem, wenn sie nicht zum täglichen Koch-Repertoire gehören. „Mein“ Harissa ist ein Teufelszeug, da reicht die Hälfte der angegebenen Menge, sonst raucht’s einem aus den Ohren.

Kater Cooniebert überwacht die Zubereitung des Shakshuka nach dem Rezept im Buch.

  
„Wie jetzt, Chefin? Heut’ ganz ohne Grünzeug? Kein Koriander, keine Petersilie?“
„Steht nicht in diesem Rezept.“
„Kardamom auch nicht?“
„Nee. Kardamom auch nicht. Aber das kann man natürlich reintun, wenn man das möchte.“
„Eier und Joghurt sind aber dabei, oder?“
„Sicher. Kriegst du aber nicht.“

Fotos: (c) Edith Nebel

Was ich mit „Adaptieren“ der aus der Diaspora mitgebrachten Rezepte meine, sieht man recht gut am Beispiel der „Kohlrouladen mit Tomaten-Chili-Olivensauce“. Kohlrouladen kennen wir Europäer. Aber wer wäre ohne den orientalischen Einfluss auf die Idee gekommen, in die Füllung nebst Reis, Frühlingszwiebeln, Tomatenmark etc. auch noch Rosinen, Zimt und gehackte Mandeln zu mischen? So kann man altbekannte Gerichte ganz neu interpretieren.

Ich bin nicht gerade eine begnadete Küchenfee. Allzu aufwändig und langwierig darf bei mir die Zubereitung nicht sein. So sehr ich zum Beispiel den Geschmack von Granatäpfeln liebe – das Gemetzel mit den Früchten tu ich mir nicht an. Das überlasse ich begabteren Köchinnen und Köchen. Ich müsste danach meine Küche renovieren. Zum Glück gibt’s hier auch Rezepte für Leute, die kein überragendes Kochtalent haben und bei denen es immer schnell-schnell gehen muss. Die Zubereitungs- und Garzeiten stehen dankenswerterweise gleich ganz oben beim jeweiligen Rezept.

Die technische Qualität des Kochbuchs ist Books-on-Demand-typisch. Die Bilder können nicht so brillant herauskommen wie auf einem abwischbaren, gestrichenen Papier. Und ich fürchte, wenn das Buch ein paarmal im Kücheneinsatz war, wird es ziemlich verlebt aussehen. Bei mir dürfen Kochbücher Gebrauchsspuren zeigen. Wer da pingelig ist, muss verflixt aufpassen.

Das Buch lohnt sich nicht nur wegen der Rezepte, sondern auch wegen des vorangestellten Informationsteils über Land und Leute. Auch wer schon vieles über Israel weiß, wird sich nicht langweilen. Er wird manches wiedererkennen, ein paarmal laut lachen und denken: „Ja, genau! So ist es. Dazu hätte ich auch noch die eine oder andere Anekdote zu erzählen …“

Die Autoren
Mirko Reeh wurde 1976 in Bad Hersfeld geboren. Seine ersten Erfahrungen mit dem Kochlöffel sammelte er am heimischen Herd in Omas und Mamas Küche. Auch während seines Wirtschaftsstudiums blieb Reeh seiner Leidenschaft treu, besuchte die großen Köche wie Bocuse und Ducasse, lernte begierig von ihnen und unterstützte die Mannschaft des Romantikhotels Zum Stern in Bad Hersfeld. Nach Studienabschluss durfte er endlich dann das, was er am allerliebsten tut: Kochen und immer wieder kochen. Heute ist Mirko Reeh Bestseller Autor, Restaurant-Chef, Besitzer von Kochschulen, Fernsehstar, Gast in Talkshows und immer noch restlos begeistert, wenn es um das Thema Kochen geht. www.mirko-reeh.com

Barbara Stromberg wurde 1977 in Marburg an der Lahn geboren. Noch bevor sie das Abitur in der Tasche hatte, begann sie als freie Mitarbeiterin bei der Tageszeitung. Es folgten Studium, Volontariat und direkt im Anschluss die Selbstständigkeit als Journalistin und Texterin.
Dieses Buch ist ihr sechstes Buch mit Mirko Reeh.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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