Tanja Brandt: Liebe verfliegt nicht

Tanja Brandt: Liebe verfliegt nicht. Tierische Freunde, die immer zusammenhalten, Köln 2018, Bastei Lübbe, ISBN 978-3-431-04104-0, Hardcover, 156 Seiten mit großformatigen Farbfotos, Format: 20,5 x 2 x 21,6 cm, EUR 15,00.

Abb. (c) Lübbe

„Ein Leben ohne Tiere könnte ich mir niemals vorstellen. Die Bedingungslosigkeit, mit der sie lieben, und die Aufopferung, die sie in die Aufzucht ihrer Jungen stecken, gehen mitten ins Herz. Und davon handelt dieses Buch: von tierischen Freunden, die immer zusammenhalten und dabei jede Menge Abenteuer erleben.“ (Seite 15)

Bei der Falknerin, Fotografin und Tierfreundin Tanja Brandt landet nach und nach eine ganze Reihe von Tieren, die niemand sonst haben will und die sich aufgrund ihrer Vorgeschichte oder ihres Handicaps auch nicht mehr allein in der Natur zurechtfinden würden.

Gut: Vom belgischen Schäferhund Ingo hat natürlich niemand erwartet, dass er sich als Wildtier durchschlägt. Aber auch er hatte einen schweren Start ins Leben. Er war der Kleinste und Schwächste in einem Wurf von acht Welpen und zudem ein ziemlich abweisender, eigenbrötlerischer Charakter, ein aggressiver Außenseiter, der mit niemandem spielen wollte außer mit seinem Ball. Schwer vermittelbar, also. Bei Tanja Brandt hat er dann seine Lebensaufgabe gefunden: den Umgang mit Eulen. Die Freundschaft zu Steinkauz Poldi hat ihn zu einem sanften und fürsorglichen Hund werden lassen. Sämtliche Greifvogel-Neuzugänge hat er mit freundlicher Gelassenheit genauso akzeptiert. Und das sind schon ein paar Charaktere dabei!

Vom Draufgänger zum Familienvater


Von Steinkauz Poldis draufgängerischem Macho-Gehabe ist nun nicht mehr viel übrig geblieben. Er hat Frau und Kinder, und da ist sein voller Einsatz gefragt. Es ist schon heftig, was die Natur den Vogeleltern abverlangt, bis sie ihre Jungen flügge bekommen! Die Autorin hat eine Videokamera im Nistkästchen installiert und die Vorgänge in der Steinkauz-Kinderstube genau beobachtet.

Das dritte Gelege haben Poldi und Gattin Finchen schon großgezogen. Und die Jungen werden, sobald sie selbstständig überleben können, ausgewildert.

Weißgesichtseule Gandalf ist klein und bockig. Kälte mag er nicht, körperliche Anstrengung mag er nicht, Jagen ist unter seiner Würde – und fliegen will er auch nicht. Gandalf geht lieber im Schmidtchen-Schleicher Gang zu Fuß. Mit solchen Eigenheiten kommt man natürlich in der freien Natur nicht klar. Also ist er „Haustier“ in der Falknerei, bekommt seine Mahlzeiten serviert und geht mit Frauchen Tanja ab und zu in die Eisdiele. Gerne lässt er sich fotografieren, zumindest, solange er Lust dazu hat. Wenn’s ihm reicht, ist Schluss, da helfen auch keine Leckerlies. Gandalf ist unbestechlich.

In einer kleinen Fotoserie zeigt er uns anschaulich, warum man die Weißgesichtseulen im Englischen „Transformer Owls“ nennt.

Mein Liebling, der grantige Gandalf. © Lübbe, Foto: E. Nebel

Die Schneeeule, die keinen Schnee mag


Schneeeule Uschi hat einen deformierten Flügel und wäre einem Tierpräparator überlassen worden, wenn sie nicht bei Tanja Unterschlupf gefunden hätte. Weite Strecken wird sie niemals fliegen können, auswildern kann man sie auch nicht, aber als Hauseule kommt sie zurecht. Ihre erste Begegnung mit Schäferhund Ingo verläuft reichlich bizarr. Doch sie freunden sich an. Wenn sie Ingo jetzt sieht, kreischt und hüpft sie vor Begeisterung – allerdings nur so lange, wie er es nicht bemerkt. 🙂 Nicht, dass er sich am Ende noch was einbildet, der Kerl!

Dass Schneeeulen sich im Schnee wohlfühlen, scheint übrigens ein Gerücht zu sein. Oder es ist eine Tatsache, die sich noch nicht bis zu Uschi herumgesprochen hat …

Der Namenspate von Raufußkauz Lenni ist Leonard Hofstadter, das ziemlich verpeilte Genie aus THE BIG BANG THEORY. Lenni ist furchtlos, badewütig und dauernd in Bewegung. Gibt es hyperaktive Käuze? Wenn ja, dann ist er einer. Da ist es natürlich ungünstig, wenn er ausgerechnet die Nähe des phlegmatischen Gandalf sucht. Der ist von Lennis permanenten Gehupfe und Getanze tierisch genervt. Aber er weiß sich zu wehren …

Wüstenbussard-Dame Phönix ist äußerst intelligent und lernt schnell. Geklautes Futter schmeckt ihr am besten, und so hat Tanja ihr beigebracht, sich die Leckerchen selbst aus Frauchens Jackentasche zu holen. Habichtskauz-Küken Rüdiger ist, als die Aufnahmen entstehen, noch sehr jung und sieht mit seinem Kindergefieder aus wie eine Pusteblume mit Schnabel und Augen.

Herr Bärbel legt Wert auf Tischkultur


Der sibirische Uhu Bärbel hat sich nach einem DNA-Test doch als Männchen herausgestellt. Aber weil er den Namen gewöhnt war, ist es dabei geblieben. Der kräftige Körper, der mächtige Schnabel, die hypnotischen orangefarbenen Augen und die messerscharfen Fänge stehen im Gegensatz zu seinem sanften Wesen. Nur beim Futter ist Herr Bärbel eigen. Das hätte er gern ansprechend serviert. Das Auge isst schließlich mit!

Die Eulengeschichten sind amüsant und humorvoll erzählt. Irgendwie neigt man wohl dazu, den Eulen mit ihren klugen Augen menschliche Gedanken und Motive zu unterstellen, vor allem, wenn sie so beherzt zu Fuß daherkommen wie Gandalf.

Die Fotos sind grandios! Wildtiere hören ja nicht unbedingt auf Kommandos wie ein Hund. Und durch Leckerchen bestechlich, haben wir gelernt, sind auch nicht alle. Da dürfte es nicht so einfach sein, Regie zu führen. Der Mensch hinter der Kamera muss sich erst das Vertrauen der Tiere erarbeiten – und dann noch viel Geduld, Glück und Können mitbringen, damit solche Bilder gelingen. Wir LeserInnen können uns einfach hinsetzen, zurücklehnen und die Früchte von Tanja Brandts Arbeit genießen.

Die Autorin
Tanja Brandts Fotos gehen um die Welt und erobern mittlerweile auf jedem Kontinent zahlreiche Herzen im Sturm. „Ich bin ein Waldschrat und fühle mich nur wohl, wenn ich im Dreck liege und Tiere um mich herum habe. Mit Hunden und Greifvögeln in der Natur geht es mir am besten.“ Sie lebt mit ihren Tieren in einer Falknerei, Nähe Remscheid.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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