Kartoffelsalat

Seit Tagen gefällt sich mein bevorzugter regionaler Radiosender darin, alle nicht-schwäbischen Kartoffelsalat-Rezepte und deren Freunde zu dissen. Nur unser schwäbischer Kartoffelsalat sei der einzig wahre, alles andere sei widerlich.

Das ist als Jux gemeint, aber ich find’s nicht witzig. Wie sollen wir jemals Vielfalt – egal auf welchem Gebiet – tolerieren, akzeptieren, ja sogar willkommen heißen, wenn wir selbst bei Kochrezepten einen kindischen, steinzeitlichen Tribalismus zelebrieren: „Wir gegen die anderen“?

Hallo? Die Vorliebe für eine bestimmte Speise ist keine monotheistische Religion! Das beruht auf Gewohnheit. Das, womit man aufgewachsen ist, schmeckt einem oft am besten. Das heißt aber nicht, dass man stur in seinem Winkel hocken bleiben muss und den Horizont nicht erweitern darf!

Austausch statt Engstirnigkeit

Meine Familie und Freunde kommen aus verschiedenen Ecken Europas. Da kann man nicht erwarten, dass alle so kochen, wie man es von daheim gewöhnt ist. Man lernt völlig unbekannte Gerichte kennen oder interessante Varianten von Vertrautem. Manches findet man vielleicht nicht so toll, anderes landet ruckzuck im eigenen Repertoire: „Wie machst du das? Was tut ihr da rein? Das ist ja klasse! Schreibst du mir das auf?“ Und dann gibt’s mal Gulasch nach dem Rezept der Tante und Knödel, wie sie die Schwiegermutter macht. Und neben dem deutschen Kartoffelbrei existiert noch die Variante der Oma. Mal kommt diese Version auf den Tisch, mal jene … 

Mit diesem regen Austausch der Rezepte sind wir alle groß und stark geworden. Meine Cousins, Cousinen und ich sind allerdings immer noch davon überzeugt, dass unsere Oma in N. die beste Nudelsuppe und den besten Rührkuchen der Welt zubereiten konnte. 😊 Vorlieben sind ja auch okay. Unsere haben wir aufgrund von reichhaltiger Erfahrung entwickelt. Wir halten nicht automatisch das, was Menschen in anderen Regionen kochen und essen, für „bäh“.

Ich finde diesem Austausch klasse. Manchmal ist es auch interessant zu sehen, wie ein Rezept auf der Welt herumkommt. Meine Mutter hatte mal ein Rezept aus Israel, das schnell im Bekanntenkreis herumging. Eine Frau lächelte glücklich und meinte, oh, das kenne sie – genau so habe ihre Großmutter das immer gemacht. In Polen.

Ich hätt’s besser gefunden, wenn der Radiosender die Rezeptvielfalt mit staunendem Interesse aufgenommen hätte, statt lauthals „igitt“ zu schreien, wenn etwas vom regionalen Standard abweicht.

Kulturelle Aneignung?

Aber vielleicht ist diese Art der Intoleranz und Engstirnigkeit heute auch wieder modern. Möglicherweise gilt’s schon als „kulturelle Aneignung“, wenn man als Schwabe nach einem norddeutschen Rezept kocht. Und umgekehrt.

Foto: Alexander Fox | PlaNet Fox  auf Pixabay / Pixabay License / pixabay.com 

Bild von Alexander Fox | PlaNet Fox auf Pixabay

Ein Kommentar

  1. Ganz meine Meinung ! Als ich vor vier Jahrzehnten ins Schwabenland kam, war ich extrem irritiert von einem Kartoffelsalat, der „nur“ aus Kartoffeln und Zwiebeln besteht und zusammen mit Blattsalaten gegessen wird. Heute weiß ich, wie ein wirklich guter Schwäbischer K.salat schmeckt und weiß ihn sehr zu schätzen. Trotzdem bin ich natürlich mit dem Rheinischen Kartoffelsalat aufgewachsen, welcher, wenn er gut gemacht ist, sehr lecker ist … natürlich nicht mit anderen Salaten zusammen, sondern zu Würstchen, Fleisch oder einfach pur (mit Mayonnaise, Senf, Eiern, Gurken). Selbst einige Schwaben waren von der Zubereitung (nach dem Rezept meiner Oma, Mutter) schon sehr angetan und haben den Salat gelobt. Also, alles gut (wenn gut gemacht)!

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert