Lisa Sofie Müller: (K)Ein Hund passt nicht in mein Leben!

Lisa Sofie Müller: (K)Ein Hund passt nicht in mein Leben! Roman, Frechen 2024, Katja von Berg-Verlag, ISBN 978-3-00-079604-3, Hardcover mit Lesebändchen, 294 Seiten, Format: 13,5 x 2,7 x 21 cm, EUR 22,–. Das Buch ist nur direkt beim Verlag zu bestellen:  https://lisasofiemueller.de/buchbestellung

Abb.: (c) Katja v. Berg-Verlag

„Im Geiste sah ich [meinen Sohn] schon seinen Job […] quittieren: ‚Leute, ich muss aufhören! Meine Mutter spinnt! Zuerst schafft sie ’nen Hund an, jetzt ein Pferd. Wenn ich sie nicht ab sofort unter Beobachtung stelle und Tag und Nacht bewache, hat sie demnächst noch ein Nashorn im Garten.‘“ 

(Seite 251)

Babette Heidenheim, 71, eine verwitwete Ex-Lektorin, lebt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben. Ihr Sohn arbeitet im Ausland, die Freunde sind ihr im Lauf der Zeit aus verschiedenen Gründen abhandengekommen. Sie ist nicht unglücklich, aber besondere Highlights bietet ihr Dasein auch nicht.

Kontakt hat sie eigentlich nur zu der Dame, die beim Opern-Abo neben ihr sitzt, sowie notgedrungen zu ihrer etwas vulgären Nachbarin, Frau Flechter. Diese junge Dame bekommt unfassbar viele Päckchen und Pakete, ist aber selten daheim. Also landet die Post bei Babette, die sie ihr dann umgehend vorbeibringt. Dabei will sie mit der Nachbarin gar nichts zu tun haben, auch wenn die freundlich und hilfsbereit sein kann. Sie ist für Babettes Geschmack zu unkultiviert, zu dreist und ordinär. Und ihr Name erst! Man kann doch nicht wirklich Kakika mit Vornamen heißen, oder? (Nein, natürlich nicht!) Und tätowiert ist sie bestimmt auch! – Nee, Vorurteile hat Ich-Erzählerin Babette natürlich keine! 😉

Leben kommt in die Bude, als Babette am Gründonnerstag einen kleinen Hund findet, den jemand vor einem Ladengeschäft angebunden und dort „vergessen“ hat. Und jetzt? Während der Osterfeiertage ist niemand zu erreichen, der sich des Tierchens annehmen wollte! Babette beschließt, dass das schwarzgelockte Hundemädchen über Ostern bei ihr bleiben kann. Am Dienstag wird sie sich dann um ihren weiteren Verbleib kümmern. Vielleicht wird die Kleine ja schon verzweifelt von ihren Menschen gesucht.

Jetzt ist das Tier erst einmal hier und wird mit dem Nötigsten ausgestattet. Und weil man das Hündchen ja irgendwie anreden muss, bekommt es einen vorläufigen Namen: Dolores. Aber aufs Sofa darf Dolores nicht. Und ins Bett erst recht nicht. – Ja, klar! Dreimal dürft ihr raten, wo die Kleine schläft! 

Babette hat keinen Computer, kein Handy und lebt komplett „offline“. Anzeigen aufgeben, Suchplakate erstellen, sich bei TASSO nach einer passenden Vermisstenmeldung erkundigen, das alles kann sie nicht allein. Wer hilft? Kakika Flechter! Und die ist immer für eine Überraschung gut. Ist sie vielleicht gar nicht so „asi“ wie sie auf den ersten Blick wirkt? Sie versteht sogar was von Opern!

Durch das Gassigehen mit Dolores kommt Babette mit vielen Menschen ins Gespräch. Bald hat sie einen neuen Bekanntenkreis – und jede Menge frischen Mut und Energie. Nach dem Tod ihres Mannes ist sie nicht mehr verreist. Jetzt reift in ihr die Idee, in die Lüneburger Heide zu fahren.

Allein traut sich Babette diese Unternehmung aber nicht zu. Eine Reisegruppe wäre ideal – mit Hunden. Die Teilnehmenden würde sie sich aber gerne persönlich aussuchen. Das geht jedoch nur, wenn sie die Fahrt selbst organisiert. Gesagt, getan. Doch weil auch hier die hilfsbereite Kakika ihre Finger drin hat, wird das ziemlich chaotisch. Schon das „Casting“ in einem örtlichen Café ist der Brüller!

Kakika sieht im Geiste schon „eine westgotische Völkerwanderung auf das Café Gote zuwanken“ (Seite 123). Die Realität ist noch krasser: „Mir wurde schlecht. Da kamen nicht nur die Westgoten, sie hatten auch noch die Ostgoten dabei.“  

(Seite 133)

Es wird ein interessantes Grüppchen, das dann samt Hunden im Kleinbus in die Lüneburger Heide aufbricht. Alles läuft prima, nur „Cowboy“ Raphael und der esoterisch angehauchte Besserwisser Konrad müssen einander permanent provozieren. Doch weil das nicht wirklich böse gemeint ist, ist dieser Schlagabtausch für die Leser:innen sehr vergnüglich. 

Vielleicht hätte Babette auch wieder mit ihrer Reisegruppe heimfahren sollen. Aber sie bleibt ein paar Tage länger als die anderen – und lässt sich bei einer Veranstaltung in Champagner-Laune zu einer folgenschweren Entscheidung hinreißen. Ob das eine Dummheit war, wird sich zeigen.

Nicht besonders helle ist jedenfalls ihre Idee, Nachbarin Kakika zu beschatten, weil sie endlich herausfinden will, womit die junge Frau ihr Geld verdient. Wenn man sie danach fragt, weicht sie nämlich immer aus oder erfindet ganz offensichtlich was. Schämt sie sich etwa für ihre Arbeit? Die fantasiebegabte Babette kann sich vorstellen, warum. Aber hat sie ihre Nachbarin nicht schon öfter falsch eingeschätzt …?

Es kommt zu einigen Missverständnissen und Verwicklungen, an denen Babette nicht ganz unschuldig ist. Das Chaos tobt an allen Fronten, und Babette beginnt – recht spät – zu ahnen, dass nicht nur ihre Mitmenschen ein wenig seltsam sind. Mit ihr haben’s die Leute auch nicht leicht!

„Wie oft zeigt man mit dem Finger mahnend und tadelnd auf andere. Und übersieht komplett die eigenen Marotten und Unzulänglichkeiten.“ 

(Seite 249)

Aber, hey, was soll’s? Macken hin, Marotten her: Wir sind nicht auf der Welt, um so zu leben, dass es anderen Leuten gefällt. Auch wenn Babettes bisher beschauliches Leben in letzter Zeit ein paar unerwartete Wendungen genommen hat: Sie ist zum ersten Mal seit dem Tod ihres Mannes wieder glücklich. Eine Gefühlslage, mit der sie schon gar nicht mehr gerechnet hat.

Es war amüsant und auch ein bisschen anrührend zu sehen, wie die einsame Witwe dank Hund Dolores nach und nach aus ihrer Isolation herauskommt. Auf einmal hat sie Tiere, Freunde, neue Interessen und Aufgaben und wieder Spaß am Leben. Das kann gern so bleiben … sie darf nur ihre Fantasie nicht wieder so ins Kraut schießen lassen!

Ich hätte ja schwören können, dass ich Konrad, den sich selbst überschätzenden Eso-Spinner aus Babettes Reisegruppe, kenne. Aber ich kenne nur jemanden wie ihn. Wahrscheinlich tun wir das alle. Und obwohl ich Babette ein bisschen sehr weltfremd und technikfeindlich fand, habe ich mich manchmal in ihr wiedererkannt … in ihrer Furcht vor der unbekannten Welt der Smartphones, zum Beispiel. Auch ihre Berufskrankheit kommt mir bekannt vor:

„Tatsächlich hatte ich seit dem Frühstück (korrekt: seit des Frühstücks – Genitiv; über 35 Jahre Lektoratsarbeit, […]) nichts mehr zu mir genommen.“ 

(Seite 21)

„Seit“ mit Genitiv? Im Ernst, liebe Babette? Mir wäre der Dativ hier gut genug gewesen.

Für Babettes verrückte Ideen habe ich volles Verständnis. Nein, ich habe kein Nashorn im Garten stehen, aber ich habe mal einen Rassekater gekauft, weil mir sein Name gefiel. Er hieß Indiana Jones („Indie“). Also bin ich die Letzte, die mit dem Finger auf die Protagonistin zeigen darf. 😊

Natürlich ist diese humorvolle Geschichte ein bisschen überzeichnet, doch sie ist nicht sehr weit von der Realität entfernt. Ich habe sie mit Vergnügen gelesen.

Lisa Sofie Müller ist das Pseudonym der Autorin Katja von Berg. Von den berühmten „drei Dingen“, die jeder mit auf eine einsame Insel nehmen darf, reicht ihr eins: ein Hubschrauber! Mit diesem würde die gebürtige Kölnerin sofort in ihre Heimatstadt zurückkehren. Hier wird sie seit ihrer Kindheit zu (Kurz-) Geschichten inspiriert. Heiter beschwingt entführt die Autorin ihre Leserschaft in den lebhaften Alltag ihrer Romanfiguren. Ein bisschen Lisa Sofie schwingt immer mit: Tierliebe, Optimismus und ansteckende Fröhlichkeit. Die Autorin ist gerne in der Natur unterwegs. Zu Fuß, zu Pferd – aber immer mit Hund!

Das Buch ist, wie gesagt, nur direkt beim Verlag zu bestellen: https://lisasofiemueller.de/buchbestellung

Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
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