Mark Spörrle: Der Maulwurf. Roman

Mark Spörrle: Der Maulwurf. Roman, München 2025, Wilhelm Heyne Verlag, ISBN 978-3-453-42983-3, Klappenbroschur, 352 Seiten, Format: 13,7 x 3,1 x 20,6 cm, Buch: EUR 17,00, Kindle: EUR 9,99.

Abb.: (c) Heyne

„Ich brauche erst mal etwas Abstand“, sagte Lisa.
„Ich auch. Mein Mann sitzt im Schneidersitz im Garten und spricht mit unserem Maulwurf. Wertschätzend. Achtsam. Mit verstellter Stimme.“
Lisa musste lachen. „Im Ernst?“
„Im Ernst!“

(Seite 247)

Auch wenn im Klappentext von einem Toten die Rede ist: Das ist kein Krimi! Oder nur ganz am Rande. Es ist eher eine Gesellschaftssatire oder Familienkomödie. Hier geht es nicht ganz so schräg und abgefahren zu wie in den Romanen von Tom Sharpe („Puppenmord“), aber die Richtung stimmt.

Die Story: Familie Paulmann – Papa Sascha, leicht zwangsneurotischer Sustainability-Chef bei einem großen Versandhandelsunternehmen, seine Frau Anna, Psychologin und Podcasterin sowie Teenie-Tochter Marie – ziehen von Hamburg in ein Häuschen auf dem Land. Die direkten Nachbarn sind alte Bekannte, also fällt Paulmanns die Eingewöhnung recht leicht.

Zwar ist der Weg zur Arbeit und zur Schule nach dem Umzug weiter, dafür haben Paulmanns nun deutlich mehr Platz, und sie besitzen erstmals einen Garten. Alles ganz prima, nur ist das für den Ordnungsfanatiker Sascha offenbar zu viel Natur: In ihrem Rasen buddelt ein Maulwurf und baut massenweise Hügel und das macht ihn wahnsinnig.

Tochter Marie, eine engagierte Naturschützerin, tauft das Tierchen liebevoll „Blacky“ und macht es zum Star ihres neuen Blogs. Mutter Anna ist es egal, ob der Maulwurf im Garten gräbt oder nicht, sie hat mit Haus, Job, Kernfamilie und hilfsbedürftigen Eltern schon genug am Hals. Nur Sascha dreht durch, weil in seinem Garten permanent Unordnung entsteht, der er nicht Herr werden kann.

Maulwürfe stehen unter Naturschutz, man darf Blacky also nichts tun. Man kann ihn allenfalls vergrämen. Doch das ist leichter gesagt als getan! Sascha steigert sich in dieses Projekt mehr und mehr hinein, sehr zum Verdruss seiner Familie. Baumarktverkäufer Schnappauf, der selbsternannte Maulwurf-Experte Schmitter und der dubiose Internethändler Van Helsing reiben sich unterdessen die Hände: Mit Fanatikern wie Sascha Paulmann lässt sich gutes Geld verdienen!

Anna erkennt ihren Mann kaum wieder. Zwanghaft ordentlich war er schon immer, aber so verbissen wie jetzt war er noch nie! Sein Krieg gegen den Maulwurf nimmt ihn so in Beschlag, dass er alles andere vernachlässigt: sich selbst, die Familie und seinen Job.

Am Arbeitsplatz ist Sascha echt eine arme Wurst: Umgeben von Intriganten und Dilettanten soll er stets Unmögliches vollbringen. Die blutjunge, sprunghafte Firmenerbin hat jede Menge naiv-absurder Ideen, die sie sofort umgesetzt haben will. Um seine Ruhe zu haben, sagt Sascha zu allem ja, obwohl ihm klar ist, dass er keine seiner Zusicherungen wird einhalten können. Er hofft, dass die Chefin ihre Einfälle bald wieder vergessen haben wird und neue Säue durchs Dorf treibt. Da macht er’s dann wieder genauso. Seine neidischen Kolleg:innen tun alles dafür, dass diese Taktik mal schiefgeht.

Ich schwankte beim Lesen zwischen Lachen, Mitleid und Fremdschämen. Der arme Sascha kriegt überhaupt nichts auf die Reihe und merkt oft nicht einmal, wie sehr er sich zum Affen macht. Und er lässt sich auch viel zu leicht übers Ohr hauen! Manche Szenen waren mir so peinlich, dass ich sie nur querlesen konnte.

Wenn Sascha sich nur mit der Natur anlegt, ist die Geschichte aber sehr vergnüglich. Vor Maulwurf, Nachbarshund, Baum und Rasen kann man sich wenigstens nicht blamieren. Man muss nur darauf achten, dass von den skurrilen Aktivitäten nichts im Internet landet und viral geht. Denn das kann 1. oberpeinlich werden und 2. teuer. Angeblich muss man 50.000,- Euro Strafe zahlen, wenn ein Maulwurf bei Vergrämungsversuchen ums Leben kommt. Das jedenfalls sagen Paulmanns Nachbarn, denn in deren Gärten gibt es diese Viecher natürlich auch.

Kein Wunder, dass einige Leute im Dorf nervös werden, als die Kripo von Haus zu Haus geht. Wer weiß, ob die wirklich nur im Fall eines tot aufgefundenen Mannes ermitteln oder ob sie nicht doch auch für Maulwurfsleichen zuständig sind …?

Am Schluss der Geschichte steht Sascha Paulmann in jedem Bereich seines Lebens mit dem Rücken zur Wand: rechtlich, gärtnerisch, beruflich und familiär. Und all das wegen seines verbissenen Kampfes gegen einen winzigen Maulwurf! Um sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen, bräuchte er dringend ein Wunder. Oder zwei … oder drei.

In diesem Buch kriegen alle auf höchst unterhaltsame Weise ihr Fett weg: Städter und Dörfler, Psychologen, Naturschützer, Erbsenzähler, Podcaster, Eltern, Teenager, fiese Kollegen, schimmerlose Führungskräfte, skrupellose Geschäftemacher und andere Halunken. Das sorgt für Heiterkeit, genau wie der wüst eskalierende Kampf „Mann gegen Maulwurf“.

Ich mag Geschichten, die harmlos anfangen und in irrwitzigem Chaos enden. Weil ich mich aber nicht gerne fremdschäme, war DER MAULWURF nicht zu 100% mein Humor. Das sind natürlich persönliche Präferenzen, die man nicht dem Buch anlasten kann. Ich wollte es nur kurz erwähnt haben.

Mark Spörrle ist Redakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT und schreibt viel beachtete Bücher über den irrwitzigen Alltag. Zu den erfolgreichsten zählen »Ist der Herd wirklich aus?« und »Aber dieses Jahr schenken wir uns nichts!«. Der Bahnreiseführer »Senk ju vor träwelling«, den er mit Lutz Schumacher verfasste, stand über ein Jahr unter den Top 20 der Spiegel-Bestsellerliste. Mark Spörrle lebt mit seiner Familie in Hamburg.

Ich bekomme eine kleine Provision, wenn ihr über diesen Link ein Produkt kauft.

Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
www.boxmail.de

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert