Heike Abidi: Und immer wieder Weihnachten, (8 – 10 Jahre), Münster 2014, Coppenrath Verlag, ISBN 978-3-649-61503-3, Hardcover mit Glitzerdruck, 122 Seiten mit farbigen Illustrationen von Stefanie Jeschke, Format: 16,2 x 1,5 x 21,7 cm, EUR 9,95 (D), EUR 10,30 (A).

Es ist kurz vor dem Fest, doch recht will sich bei der zehnjährigen Noelle Engel keine Weihnachtsstimmung einstellen. Das Plätzchenbacken mit Mama fällt aus, ebenso der Spieleabend mit der ganzen Familie. Die Eltern sind einfach zu sehr im Stress. Sie tun gerade so, als sei Weihnachten etwas ungeheuer Lästiges, das man notgedrungen über sich ergehen lassen muss.
Zum allem Übel hat Noelles nerviger zwölfjähriger Bruder Niclas auch noch vergessen, das Küchenradio zu besorgen, das die beiden ihren Eltern schenken wollten. Also müssen sich die Geschwister am Morgen des 24. Dezember noch ins Getümmel der Stadt stürzen und das Geschenk kaufen. Doch sie haben Pech: Der Laden ist geschlossen und die Elektrofachmärkte der Stadt sind so weit draußen, dass sie nur mit einem Auto dort hinkämen. Also muss es ein Ersatzgeschenk vom Weihnachtsmarkt tun.
Im Gespräch mit einem Bettler vergisst Noelle fast, weshalb sie hergekommen sind. Aus Mitleid schenkt sie ihm Futter für seinen Hund. Der Mann stellt sich als Balthasar vor und revanchiert sich mit einer kleinen Schneekugel. Eine „Weihnachtswunschkugel“ nennt er sein Präsent und gibt dem Mädchen noch eine Weisheit mit auf den Weg: „Weihnachtsstimmung kommt von selbst, wenn man Freude schenkt.“ (Seite 34)
Doch bei der Familie Engel scheint es mit der Weihnachtsstimmung heuer nicht so recht zu klappen. Der Baum ist hässlich, Noelle lässt die Schachtel mit den Christbaumkugeln fallen, der Kuchen verbrennt, der Wasserboiler zickt und der Strom fällt aus. Der Heilige Abend ist eine einzige Katastrophe! „Ich wünschte, dieser Tag wäre nie passiert und wir würden stattdessen einen perfekten Heiligen Abend erleben“, (Seite 56) seufzt Noelle, als sie zu Bett geht. Der magischen Schneekugel von Bettler Balthasar ist ihr Wunsch Befehl: Als Noelle und Niclas am nächsten Morgen aufwachen, ist noch einmal der 24. Dezember. Und nur die beiden Kinder wissen, dass es sich um eine Wiederholung handelt. Niemand sonst hat eine Erinnerung an den gestrigen Tag.
Dieser zweite Heilige Abend wird so perfekt, dass es schon wieder gruselig ist. Die beiden Kids fühlen sich, als würden sie eine Rolle in einem kitschigen amerikanischen Fernsehfilm spielen und sind entsetzt, dass sie immer wieder „ja“ sagen, obwohl sie „nein“ meinen. Nicht mal mehr streiten können sie miteinander. Nein, stellen sie fest, perfektes Weihnachten ist auch blöd.
Ob die Wunschkugel beim dritten Anlauf für die richtige Weihnachtsstimmung sorgen wird? Zumindest tut sie das nicht bei Familie Schäfer, die auf dem Weg nach Österreich ist und direkt vorm Haus der Engels eine Autopanne hat. Abschleppdienst, Werkstatt, Hotel? An Heiligabend nicht zu bekommen! Jetzt ist guter Rat teuer. Doch Noelles Mama, die praktisch veranlagte Felizitas, hat eine Lösung parat …
Was für eine wunderbare Idee! So eine magische Wunschkugel würde auch so manchem Erwachsenen gefallen: „Sch**tag! Bitte löschen und neu starten!“ 😀
Die Geschichte gibt sehr bildhaft und realistisch wieder, wie die Erwachsenen das Weihnachtsfest zu Tode organisieren. Kein Wunder, dass für die Kinder dabei die Magie auf der Strecke bleibt! Größe und Art der Geschenke entscheiden nicht darüber, ob Weihnachtsstimmung aufkommt oder nicht. (Obwohl es natürlich sein kann, dass Kinder, nachdem sie das Buch gelesen haben, entweder genau so eine rotbraune Katze haben wollen, wie die, die durch Stefanie Jeschkes Illustrationen wuselt – oder gleich eine Weihnachtswunschkugel!) Auch die technisch-organisatorische Perfektion ist nicht das Wichtigste. Das beste Weihnachten von allen unterscheidet sich von den verunglückten Versuchen in anderen Punkten. Da geht es um gemütliches Beisammensein, um Nächstenliebe und darum, Zeit füreinander zu haben, den anderen wahrnehmen und auf ihn einzugehen statt immer nur im Stress aneinander vorbeizurennen.
UND IMMR WIEDER WEIHNACHTEN ist eine zauberhafte Geschichte mit sympathisch unperfekten Menschen und einer unaufdringlichen Botschaft.
Ein netter Gag für die erwachsenen Vor- oder MitleserInnen: Die Personennamen haben alle einen mehr oder weniger engen Bezug zu Weihnachten:
- Familie Engel,
- Niclas (Nikolaus),
- Caspar (Kaspar, Melchior, Balthasar … einer der Heiligen drei Könige),
- Felizitas (Feliz Navidad = Frohe Weihnachten auf Spanisch),
- Noelle (Noël = Weihnachten auf Französisch. Ich hoffe, die jungen LeserInnen sprechen den Namen nicht „Nölle“ aus! 😉 ),
- der Bettler Balthasar,
- sein Hund Angel (Engel),
- Familie Schäfer (die Hirten!)
- mit Chris (Christus),
- (Erzengel) Gabriel,
- Stella (= lateinisch für Stern) und
- Nathalie (natale = italienisch für Weihnachten).
Die farbigen Illustrationen von Stefanie Jeschke sind witzig, wären mir als Kind aber zu karikaturhaft gewesen. Ich hätte das Gefühl gehabt, man nähme die Helden nicht ernst und mache sich über sie lustig, doch mögen sich die Sehgewohnheiten diesbezüglich verändert haben.
Der Glitzerschnee auf dem Buchcover sieht toll aus! Das hätte mir als Kind auch gefallen, aber da gab es sowas noch nicht. Skurrile Nebenwirkung dieses Gestaltungselements: Wer an das Gefühl gewöhnt ist, Buchcover mit ebenmäßiger Oberfläche in der Hand zu halten, ist beim Lesen dieses Buchs fortwährend versucht, „Schmutz“ vom Umschlag zu putzen. Auch Kinderbücher gehen eben mit der Mode und an manche Trends muss man sich als Erwachsener erst gewöhnen.
So übrigens kam das Rezensions-Exemplar bei mir an: als „Geschenkpäckchen“ mit Schleife verziert und mit Marzipan-Weihnachtsbäumchen bestückt. Herzlichen Dank! Ich hätte es aber auf jeden Fall gelesen.

Die Autorin
Heike Abidi, Jahrgang 1965, liebt Bücher, seit sie lesen kann. Bevor 2012 ihr erster Unterhaltungsroman erschien, studierte sie Sprachwissenschaften und wurde freiberufliche Werbetexterin. Die Autorin bezeichnet sich selbst als glücklichen, positiv denkenden Menschen – deshalt schreibt sie am liebsten Bücher voller Lebensfreude, um ihren Lesern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Mit Mann, Sohn und Hund lebt Heike Abidi in der Pfalz bei Kaiserslautern.
Die Illustratorin
Stefanie Jeschke studierte Visuelle Kommunikation an der Bauhaus-Universität in Weimar. Bereits während des Studiums illustrierte sie Kinder- und Jugendbücher für verschiedene Verlage. 2012 eröffnete sie dann ihr eigenes kleines Atelier für Illlustratives in der brandenbur¬gischen Provinz. In der kleinen historischen Stadt Treuenbrietzen lebt und arbeitet sie in ihrem über 100 Jahre alten Haus, in dem auch regelmäßig ihre Originalbuchillustrationen ausgestellt werden.
Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
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