Die Saurier sind unter uns!

Vor rund 25 Jahren verfasste der Betriebsrat meines damaligen Arbeitgebers eine anonymisierte Statistik über die Gehälter im Unternehmen. Auf einer Liste, die für jeden einsehbar war, stand, aufgeschlüsselt nach Abteilungen, wieviel Prozent der Mitarbeiter wie viel verdienen. Wenn man die Struktur der Abteilung kannte, hätten sie genau so gut hinschreiben können: Hinz: DM 3.000,-, Kunz: DM 4.000,-.

Zwei Mitarbeiter in unserer Abteilung stachen mit ihrem Verdienst deutlich aus der Masse heraus. Das hätten die beiden Kolleginnen sein können, die schon seit 20 Jahren im Unternehmen waren – oder die beiden einzigen Männer.

Mit einer der langjährigen Mitarbeiterinnen war ich befreundet. Als ich ihr meine Theorie mitteilte, lachte sie nur und meinte: „Gabi und ich? Na, schön wär’s!“ Damit war der Fall klar.

Einer der Jungs hatte dasselbe studiert wie ich und war ein knappes Jahr vor mir in den Betrieb gekommen. Wir hatten einen vergleichbaren Aufgabenbereich und ähnliche Verkaufszahlen vorzuweisen. Warum, zum Geier, bekam er dann tausend DM mehr im Monat als ich?

Ich bewaffnete mich mit meinem Zahlenmaterial und ließ mir einen Termin bei unserem Chef geben. Wenn ich das konnte, was der Kollege konnte, wollte ich auch so bezahlt werden wie er.

Mein Chef sagte: „Was wollen Sie denn? Für eine Frau verdienen Sie doch nicht schlecht!“

Ich dachte, jetzt macht er einen blöden Macho-Witz und lachte. Er war keine 15 Jahre älter als ich und mit einer Mathematikerin oder Physikerin verheiratet. Nie war er mir wie ein Saurier vorgekommen.

Das Lachen ist mir schnell vergangen. Das war sein blutiger Ernst.
Ein paar Monate später war ich weg.

Olle Kamellen? Ja, sicher. Das war schon ein sauriermäßiges Geschwätz, als ich noch jung war. Und dann, am Wochenende, blätterte ich in der Jugendbeilage YAEZ unserer Regionalzeitung. Und lese das:

Jugendmagazin YAEZ, Ausgabe November 2014
Jugendmagazin YAEZ, Ausgabe November 2014

YAEZ, November 2014, Seite 17

„Für eine Frau waren Sie ganz gut“.  Aha.

Ja, geht’s noch? Hat sich denn in den letzten Jahrzehnten wirklich gar nix getan? Müssen sich junge Frauen im Jahr 2014 tatsächlich noch das gleiche dackelhafte Gelaber anhören wie wir vor 25, 30 Jahren?

Die Aussage „für eine Frau nicht schlecht“ hat vielleicht beim Speerwurf oder beim Diskuswerfen eine Berechtigung, wo’s aufgrund physischer Gegebenheiten Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Aber doch nicht da, wo’s auf intellektuelle Leistungen ankommt!

Die Saurier sind mitnichten ausgestorben. Sie sind mitten unter uns.

2 Kommentare

  1. Ich hatte halt gehofft, dass das vierte K auch endlich auch mal zur Normalität wird: Karriere. Und selbst wenn diese bescheiden ausfällt: Ich hasse es, wenn an meiner/unserer Intelligenz gezweifelt wird.

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