Angie Westhoff: Der geheime Club (Jugendbuch, 11-14 Jahre)

Angie Westhoff: Der geheime Club, Roman, Hamburg 2015, Pink – ein Imprint von Oetinger Taschenbuch, ISBN 978-3-86430-042-4, Klappenbroschur, 189 Seiten, Format: 13,4 x 2,5 x 20,3 cm, Buch: EUR 9,99 (D) EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 6,99.

Abbildung: (c) PINK / Oetinger Taschenbuch
Abbildung: (c) PINK / Oetinger Taschenbuch

„Was ist denn das Besondere an dem Club?“, fragte sein Vater.
„Dass die Mitglieder glauben, besonders zu sein“, erwiderte Leander. „Dass sie fernab von Eltern und Erwachsenen feiern und Spaß haben können. Dass sie sich über Lehrer und Autoritäten erheben, Macht über andere Schüler haben und sich extrem cool vorkommen.“ (Seite 161)

Weil die Eltern der 15jährigen Lisa aus beruflichen Gründen für ein Jahr ins Ausland gehen und sie nicht allein in Wien bleiben kann, zieht sie für diese Zeit zu ihrem Onkel Quentin nach München. Am Städtischen Gymnasium findet sie in der umtriebigen Jenny Mertens , die gerade für das Amt der Schülersprecherin kandidiert, und der überbehüteten Babette König schnell gute Freundinnen.

Lisas Onkel, der im Glockenbachviertel einen Trödelladen betreibt, ist ein etwas schrulliger Junggeselle, der mit seinem Kater Einstein spricht und sich bei dem Gedanken, plötzlich Erziehungsberechtigter zu sein, recht unwohl fühlt. Aber er macht seine Sache gut: Er hört seiner Nichte zu, nimmt sie ernst und überrascht sie immer wieder mit erstaunlichen Antworten.

Onkel Quentins Rat kann Lisa derzeit auch gut gebrauchen, denn an der Schule gehen merkwürdige Dinge vor: Unbekannte haben den gesamten Schulhof mit handgekrakelten Plakaten bepflastert. Ein Club sucht Mitglieder, Aufgabe und Ziele sind geheim. Die Direktorin und der Hausmeister sind sauer wegen der Schweinerei und bei den Schülern schießen die Spekulationen ins Kraut: Wer und was steckt hinter dieser Aktion? Ist es ein Streich? Ist es Werbung? Geht es um ein Casting? Ist es ein Fußballverein, eine Lerngruppe, ein Kochclub oder eine Sekte? Die Website des ominösen Club verrät leider auch nichts.

Nach und nach outen sich einzelne Schüler als Clubmitglieder. Aber mehr, als dass sie nach einer Prüfung aufgenommen wurden, dürfen sie nicht erzählen.

Beinahe täglich startet der Club neue Werbeaktionen an der Schule. Das heizt die Neugier an und spaltet die Schülerschaft. Die einen finden das Phänomen interessant, aber ein bisschen albern – wie Lisa -, andere würden liebend gern selbst Mitglied werden – wie Babette -, wieder andere möchten unbedingt herausfinden, was dahintersteckt – wie Jenny.

In einer Wahlkampf-Rede für die Schülervertretung verspricht Jenny ihren Mitschülern, die Macher und Hintergründe des Clubs zu enttarnen. Lisa, Leander aus der Parallelklasse und sein Kumpel Sergio helfen ihr dabei. Freundin Babette natürlich nicht. Die seilt sich ab und verfolgt jetzt ihre eigenen Interessen.

Die Enttarnung gestaltet sich allerdings schwierig. Aus der personellen Zusammensetzung des Clubs kann man keine vernünftigen Schlüsse ziehen: Sportskanonen, Intelligenzbestien, Künstlertypen, Tierfreunde, Durchschnittsschüler … es gibt einfach keine erkennbaren Gemeinsamkeiten. Bei ihren Treffen kann man die Mitglieder auch nicht heimlich belauschen, weil niemand weiß, wo sie zusammenkommen.

Onkel Quentins ketzerische Frage, ob es den Club überhaupt gibt, oder ob da nicht nur ein paar Scherzkekse so tun als ob, ist eine Überlegung wert. Leanders Vater, ein Soziologe, stellt ganz andere Fragen: Wem nutzt die Existenz dieser Einrichtung?

Der Club wäre ein F*rz in der Weltgeschichte, wenn die Mitglieder nicht plötzlich ein unerträglich elitäres Verhalten an den Tag legen würden: „Wir sind eine ganz besondere Gruppe (…). An uns kommt keiner mehr vorbei, und in wenigen Wochen wird der Club entscheiden, was an dieser Schule geht und was nicht.“ (Seite 131) Auf dreiste Art verschaffen sie sich Vorteile und bedrohen vermeintliche Verräter. Ein Mitglied versetzen sie in Todesangst.

Als die Regionalmedien auf die Vorgänge im „Städtischen“ aufmerksam werden und der gute Ruf der Schule auf dem Spiel steht, ist Schluss mit lustig. Diesem elitären Verein muss das Handwerk gelegt werden! Nach einem Gespräch mit seinem Vater, dem Soziologen, hat Leander eine geniale Idee. Die ist so abgefahren, dass sie eigentlich gar nicht funktionieren kann …

Das Finale ist wirklich ganz großes Kino: eine saukomische Komödie für die einen, eine Tragödie für die anderen.

Es ist schon erschreckend, welche Ausmaße eine Aktion annehmen kann, die zunächst wie ein simpler Schülerstreich beginnt. Ob der Club von Anfang an so geplant war, wie er sich entwickelt hat oder ob da eine harmlose Idee aus dem Ruder gelaufen ist, bleibt offen. Möglich ist alles. Dass mit Gruppendynamik und sozialen Experimenten nicht zu spaßen ist, weiß man spätestens seit Morton Rhues legendärem Roman DIE WELLE (1981).

Die Scham und das Entsetzen derer, denen am Schluss aufgeht, wie bereitwillig sie sich haben blenden und benutzen lassen, ist groß. Ob das ein heilsamer Schock fürs Leben ist, wird sich zeigen. Der Mensch an sich ist wohl anfällig für die Idee, einer wie auch immer gearteten Elite anzugehören. Und nicht jeder dieser Vereinigungen ist mit der „Waffe“ beizukommen, die Leander und seine Freunde schließlich wählen.

Die Liebesgeschichte in dem Buch wäre meines Erachtens verzichtbar gewesen. Sie nimmt dem Clubthema nur Erzählzeit weg. Ich vermute allerdings, dass jedes Buch der Reihe PINK eine Lovestory enthalten muss, weil die jugendliche Zielgruppe das erwartet.

DER GEHEIME CLUB bietet Spannung, Romantik, Humor und jede Menge Stoff zum Nachdenken. Wie empfänglich wäre man selbst für solche Ideen? Was würde man tun, wenn ein Freund den Rattenfängern in die Hände fiele? Und hätte man den Mut, einer Organisation wie dem Club entgegenzutreten? Das Ergebnis dieser Überlegungen ist möglicherweise ernüchternd.

Die Autorin
Angie Westhoff wurde 1965 geboren. Nach dem Schulabschluss studierte sie Germanistik und Geschichte in München, wo sie auch heute lebt, und begann anschließend, in der Lehrerfortbildung zu arbeiten. Darüber hinaus schreibt Angie Westhoff seit einigen Jahren erfolgreich Kinder- und Jugendbücher.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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