Anja Förster, Peter Kreuz: NEIN. Was vier mutige Buchstaben im Leben bewirken können

Anja Förster, Peter Kreuz: NEIN. Was vier mutige Buchstaben im Leben bewirken können, München 2016, Pantheon Verlag, ISBN 978-3-570-55342-8, Klappenbroschur, 251 Seiten mit s/w-Fotos und graphischen Elementen, Format: 13,9 x 2,5 x 21,7 cm, Buch: EUR 14,99, Kindle Edition: EUR 11,99.

Abbildung: (c) Pantheon-Verlag
Abbildung: (c) Pantheon-Verlag

„Angesichts der Vielfalt der Optionen verlässt viele der Mut und man zieht sich auf die eigene Unfreiheit zurück. Das spart Energie und reduziert die Komplexität des Lebens, denn die Irrungen und Wirrungen der Suche nach dem für mich richtigen Weg werden aus meinem Leben kurzerhand komplett herausgekürzt.“ (Seite 59)

Kennt ihr das komische Gefühl, im falschen Film zu sitzen? Erst wundert man sich und denkt, jetzt müsste doch bald mal die richtige Handlung losgehen. Dann ärgert man sich, dass etwas anderes gespielt wird, als man sehen wollte. Wenn man sich dann trotzdem auf die Geschichte einlässt, wird’s vielleicht doch noch ein netter Abend. Ungefähr so ging es mir mit diesem Buch.

Kein Buch mit Tipps zum Nein-Sagen


Aufgrund des Titels, der Werbung und des Prologs hatte ich ein Buch mit Tipps erwartet, wie man es vermeidet, „ja“ zu sagen, obwohl man etwas gar nicht will. „Nein“ sagt man eben nicht so gern, weil man sich nicht unbeliebt machen möchte. Aber solche Tipps gibt es in diesem Buch nicht. Die Autoren halten nichts davon, Anleitungen zu geben. Das hätte ich aber nur wissen können, wenn ich ihre bisherige Arbeit gekannt hätte.

Stattdessen geht es hier im lockeren Plauderton um Entscheidungen, die wir stets und ständig zu treffen haben. Das Leben ist heute voller Möglichkeiten und längst nicht mehr so strikt durch Konventionen festgelegt wie noch vor ein paar Jahrzehnten. Wo, wie und mit wem wir leben, womit wir unseren Lebensunterhalt verdienen und wie wir unsere Freizeit verbringen – das alles können wir nahezu frei bestimmen. Doch wie man Entscheidungen trifft und zu den Konsequenzen steht, das bringt uns niemand bei. Wer ein selbstbestimmtes Leben führen will, muss also selbst herausfinden, wie das geht.

Wie man ein selbstbestimmtes Leben führt


Viele tun sich schwer mit diesen unendlichen Wahlmöglichkeiten. Sie haben es lieber übersichtlich und würden sich sicherer fühlen, wenn ihnen jemand sagte, wo es langgeht. Das ist auch in Ordnung so. Die Menschen sind nicht alle gleich, und nicht jeder trägt das „Freiheitsgen“ in sich. Es will ja auch nicht jeder Mensch ChefIn werden oder selbstständig bzw. freiberuflich arbeiten. Doch klar ist auch: Wer sich nicht selbst zu entscheiden traut, lässt andere für sich entscheiden.

Was immer man tut oder nicht tut – wenn es einem niemand vorgeschrieben oder befohlen hat, ist man für das, was dabei herauskommt, selbst verantwortlich. Mit der Möglichkeit zu scheitern und sich dann anhören zu müssen: „Selber schuld!“ und „Hab ich dir doch gleich gesagt!“, muss man erst einmal zurechtkommen. Und dass die Entscheidung für etwas immer auch die Entscheidung gegen alle Alternativen ist, sollte einem ebenfalls bewusst sein. Wer ständig den verworfenen Möglichkeiten hinterhergrübelt, wird seines Lebens nicht froh. Die perfekte Entscheidung wird es ohnehin nicht geben. Man muss eine treffen, die gut genug ist – und dann mit dem leben, was daraus folgt.

Jede Entscheidung hat ihren Preis


Tatsächlich hat man mehr Entscheidungsmöglichkeiten als man gemeinhin denkt. Wenn man bereit wäre, die Konsequenzen zu tragen, könnte man jederzeit seine Familie verlassen, den Job hinschmeißen und anderswo ein neues Leben beginnen. Jede Entscheidung hat natürlich ihren Preis. Wäre das Weggehen schlimmer oder das Bleiben?

Es gibt die negative Freiheit – man will weg von etwas – und die positive Freiheit – man will hin zu etwas. Ein klares Ziel vor Augen zu haben hilft uns dabei, zu allem, was uns davon abbringen könnte, „nein“ zu sagen. Das große „Ja“ versorgt uns mit der nötigen Energie.

Aber es gibt ein Risiken und Nebenwirkungen.In weiten Teilen der Bildungs- und Arbeitswelt gilt Selbstbestimmung als abweichendes Verhalten, als egoistisch und verantwortungslos“ (Seite 147). Schnell hat man den Ruf weg, unsolidarisch zu sein und sich auf Kosten der anderen einen lauen Lenz zu machen. Das hält nicht jeder aus. Und übertreiben sollte man es mit dem Nein-Sagen auch nicht, denn wer nur stur sein eigenes Ding durchzieht, endet irgendwann als einsamer Steppenwolf, mit dem keiner was zu tun haben möchte, und der Mensch ist nun einmal ein soziales Wesen, das den Kontakt zu seinen Artgenossen braucht. Ein bisschen Rücksicht auf die anderen sollte man schon nehmen.

Ohne Abweichung kein Fortschritt


Gemeinschaften profitieren allerdings auch von Abweichlern und Querdenkern. Würden alle immer nur nach Schema F vorgehen, entstünde nie etwas Neues. Ohne Abweichung von der Norm ist kein Fortschritt möglich. Dessen sollte man sich bewusst sein und nicht gleich die Krise kriegen, wenn mal einer ausschert.

Vielleicht war manch einer, den ich für einen Querulanten oder Wichtigtuer gehalten habe, in Wahrheit nur besonders kreativ. Und nicht jeder, der im Leben –zig Wege ausprobiert und nie irgendwo ankommt, ist ein Versager. Er macht womöglich nur sein eigenes Ding. Warum die Ratschläge eines alten Freundes nie zu mir und meinem Leben passen, ist mir beim Lesen dieses Buches auch klar geworden: Er ist auf einem ganz anderen Level der Selbstbestimmung unterwegs als ich: Abenteurer versus Pauschaltouristin.

Wachsen wie die Hummer


„Die Zeichen der Zeit sprechen eindeutig für diejenigen, die ihre Freiheit annehmen, eigenständig denken und Selbstverantwortung übernehmen“. (Seite 153), meinen die Autoren. Um selbstbestimmt leben, wachsen und sich verändern zu können, sollte man’s machen wie die Hummer: wenn denen ihr alter Panzer zu eng wird, stoßen sie ihn ab und lassen sich einen neuen wachsen. Um den Preis, dass sie während der Veränderungsphase, in der der neue Panzer noch weich ist, ungeschützt und verletzlich ist. Da muss man durch, wenn man sich weiter entwickeln will.

Wenn man seine eigenen Entscheidungen trifft, kann man natürlich niemandem den Schwarzen Peter zuschieben, wenn eine Sache in die Grütze geht. Aber ist man deshalb wirklich für alles und jedes verantwortlich, was einem in Folge widerfährt?
„Ich bin aus dem Haus gegangen und von einem Auto angefahren worden.“ – „Selber schuld! Wärste daheim geblieben!“ – „Ich bin jung verwitwet“- „Selber schuld! Hättste jemand anderen geheiratet!“
Sicher ist vieles im Leben eine Konsequenz dessen, was wir vorher getan oder unterlassen haben. Aber wir haben uns nicht für jeden Schicksalsschlag aktiv entschieden. Da muss man für sich eine Grenze ziehen, sonst ist man ruckzuck bei diesen Schuldzuweisungs-Kaspern, die einem einreden wollen, man habe sich sogar seine eigenen Krankheiten selbst „ausgesucht“. Das halte ich für gefährlichen Unfug.

Nein zu sagen fällt einem, nachdem man dieses Buch gelesen hat, auch nicht leichter als davor. Aber man weiß jetzt zumindest, woran es liegt und kann sich entweder in sein Schicksal fügen oder aktiv an einer Veränderung arbeiten. Man lernt hier was fürs Leben – wenn auch vielleicht nicht genau das, was man anfangs zu lernen hoffte.

Die Autoren
Anja Förster und Peter Kreuz sind Bestsellerautoren, Managementberater und gefragte Vortragsredner. Auf allen Kontinenten spüren sie Menschen und Organisationen auf, die so unkonventionell wie erfolgreich sind. „Sie nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein“ schreibt der Focus über die beiden. Ihre Zeit teilen sie zwischen ihrem Wohnsitz in Heidelberg, ihrem Landhaus in Frankreich und internationalen Reisen auf.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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