Elke Seidel: Die Katze, die Kaiserin Sisi besuchen möchte. Der sechste Fritzi Kullerkopf Roman, Norderstedt 2017, Books on Demand, ISBN 978-3-7448-2028-8, Softcover, 304 Seiten mit farbigen Illustrationen von Dörte Schneider, Format: 18,9 x 1,6 x 24,6 cm, Buch: EUR 16,90, Kindle Edition: EUR 7,49.
In tagebuchähnlichen Aufzeichnungen lässt Autorin Elke Seidel ihre clevere rote Hauskatze Fritzi aus ihrer beider Leben berichten – und aus dem ihrer Freunde. Fritzi liebt nichts mehr als sich von anderen Lebewesen etwas erzählen zu lassen. Und wenn die Story gut ist, dann erzählt sie sie ihren LeserInnen weiter. So kommen wir in den Genuss einiger haarsträubender Abenteuer. Besonders die beiden Katerbrüder Franky und Sammy aus dem oberösterreichischen Traunkirchen sind immer für chaotische Aktionen gut, die sie nach vollbrachter Tat in naiver Treuherzigkeit zum Besten geben.
Katze Fritzi und ihr Mensch – ein tolles Team
Natürlich macht Fritzi sich Gedanken über das, was sie von den Vier- und Zweibeinern erfährt – humorvolle, pragmatische und durchaus kritische Gedanken, denn Fritzi kennt das Leben. Man kann sie nicht so leicht für dumm verkaufen. Sie wohnt schon ein paar Jahre mit ihrer „Dosine“ Elke zusammen, die am Flughafen in Frankfurt arbeitet, eine Vielzahl interessanter Hobbys und noch mehr Freunde und Bekannte hat. Da lernt man allerhand. Und auch die Glotze bildet, wenn man, wie die beiden Damen, Intensivnutzerin von TV-Dokumentationen und Krimis ist.
Fritzi ist verwitwet. Ihre Kinder sind bereits erwachsen, die letzte große Reise mit Elke liegt schon ein paar Monate zurück (siehe Elke Seidel: DIE KATZE, DIE INS PARADIES REIST. Der fünfte Fritzi Kullerkopf Roman), und jetzt ist das Leben für den Geschmack der unternehmungslustigen Katzendame ein bisschen fad. Es könnte mehr los sein. Ein neuer Partner wäre nicht verkehrt, aber bitte einer, der’s ernst meint und verlässlich ist. An egoistische Hallodris verschwendet sie keine wertvolle Lebenszeit.
Philosophie in der Dachkammer
Als Fritzi aus Versehen über Nacht auf dem Dachboden eingeschlossen wird und all den Kram betrachtet, der dort verstaut ist, gerät sie ins Philosophieren … über das Leben und über die Vergänglichkeit. Heute gekauft, morgen ausrangiert, eingelagert, vergessen und schließlich weggeschmissen, das ist das Schicksal vieler Gegenstände in der Dachkammer. Traurig ist das. Und auch die Lebewesen gehen den Weg alles Irdischen, wie Fritzi nur zu gut weiß. Viele Freunde und Weggefährten haben Elke und sie schon verloren.
Reisen bieten eine willkommene Abwechslung von den trüben Gedanken. Besonders aufregend ist der Trip nach Stuttgart zu Elkes Freundin Trixi, weil bei ihr zwei von Fritzis erwachsenen Töchtern leben. Doch das Wiedersehen verläuft zunächst enttäuschend – die Mädchen erkennen ihre Mutter nicht wieder. Erst nach und nach kehren die Erinnerungen an ihre Kindheit zurück. Ein voller Erfolg ist dagegen Fritzis (heimlicher) Besuch im Stuttgarter Zoo, der Wilhelma. Und der Versuch von Trixi und ihren Tierschutz-Freunden, eine streunende Katze einzufangen und medizinisch versorgen zu lassen, ist der Knaller. Ob Fritzi klar ist, welcher Art das „Haus der Gesundheit“ ist, in dessen Umfeld die Katzenfangaktion stattfindet? Der Leser kapiert es spätestens, wenn er Dörte Schneiders Illustrationen dazu sieht. 😉
Wien für schlaflose Kultur-Junkies
Als Elke zu einer Studienreise nach Wien aufbricht, ist Fritzi selbstverständlich mit von der Partie. Die Katze möchte unbedingt Kaiserin Sisi kennenlernen. Wenn ihr vorher einer gesagt hätte, dass die schöne Frau schon seit fast 120 Jahren tot ist, hätte sie es sich vielleicht nochmal überlegt. Es gibt in der Stadt zwar wahnsinnig viel zu entdecken, aber das Wenigste davon ist wirklich was für die Katz’. Burgtheater? Laaaangweilig! Spanische Hofreitschule? Die armen Pferde! Oper? Geh, so ein Krawall! Museen? Auch nicht spannender als der Krempel auf dem heimischen Dachboden. Das Katzencafé wäre ein Ort zum Verweilen oder die diversen Parks. Aber dafür ist in dem eng getakteten Zeitplan der Reise nicht genügend Raum. Elke sieht das so ähnlich: „Fritzilein, bitte halte durch“, flüsterte mein liebster Mensch und streichelte mich. „Mir kommt es auch so vor, als wäre diese Wien-Fahrt eine Studienreise für Nicht-Schläfer und Kultur-Junkies.“ (Seite 156)
Nach der Rückkehr von dieser anstrengenden Reise kommt Fritzi zu einem weisen Schluss: „Langsames Reisen mit einem Auto, Zug, Bus oder Fahrrad ist eine Form des luxuriösen Konsums. Sich ausreichend Zeit für die vielen neuen Eindrücke links und rechts des Weges zu lassen, sich regelrecht zum Schauen Zeit zu nehmen, da jeder Augenblick etwas Flüchtiges und Unwiederbringliches ist, das ist eine wahre Kostbarkeit.“ (Seite 188)
Ein Freund aus Kreta, ein Trip nach Hamburg
Dem Reisen ist Fritzi ja prinzipiell nicht abgeneigt. Als es ihr gelingt, während der Umbauarbeiten im Hause zu entwischen und sich auf einer Terrasse eines Hotels in Flughafennähe mit Kater Henry aus Kreta anzufreunden, lauscht sie gerne seinen Geschichten vom Leben in der Heimat … als Rassekater im Haushalt eines Tierschützer-Ehepaars. Zu gerne würde sie mal mit eigenen Augen sehen, wie er da wohnt. Doch zunächst einmal geht es nach Hamburg zu Elkes Cousin Joachim Seidel . Da gibt’s das volle Sightseeing-Programm.
Kunstausstellung, Hafenrundfahrt, Theater … das ist jetzt weniger nach Fritzis Geschmack. Nicht mal der Fischmarkt reißt sie vom Hocker. Aber St. Pauli, die Reeperbahn, das Miniatur-Wunderland und natürlich der Tierpark Hagenbeck, das kann Fritzi wirklich begeistern. Für solche faszinierenden neuen Eindrücke weiß man doch wieder, warum man die Strapazen des Reisens auf sich nimmt. Die Anstrengungen sind schnell vergessen, doch die Erinnerungen bleiben.
Zurück im regnerischen Frankfurt verfällt Fritzi wieder ins Grübeln … über Freundschaft und Liebe, übers Festhalten und Loslassen. Ob Elke und sie – beide Singles – nicht mal eine Kontaktanzeige aufgeben sollen? Doch das hält ihre Dosenöffnerin allerdings für eine ausgemachte Kateridee. Da schmiedet sie doch lieber wieder große Reisepläne zusammen mit der besten Hauskatze von allen …
Heiter oder melancholisch, aktionsreich oder beschaulich, lustig oder tragisch … die einzelnen Kapitel bedienen ganz unterschiedliche Stimmungslagen. So ist das eben bei einem Tagebuch: wie dessen Verfasser, also in dem Fall Fritzi, gerade gelaunt ist, fallen auch die Beiträge aus. Zusammen ergeben die Kapitel eine fortlaufende Story, aber viele würden auch wunderbar als eigenständige Kurzgeschichten funktionieren. Und die Reisekapitel sind immer auch kleine, ganz persönliche Reiseführer.
Unterhaltsame Airportgeschichten
Vielleicht kann Fritzi Kullerkopf ja mal ihre „Dosine“ zu einem Büchlein über ihre Flughafen-Jobgeschichten überreden? Dieser Band enthält ein paar, und sie sind köstlich! Arbeitsplätze mit viel Kundenkontakt haben für LeserInnen stets ein hohes Unterhaltungspotenzial. Amüsiert oder mit wohligem Gruseln liest man, wie sich einzelne Exemplare des Homo sapiens aufführen und ist froh, nicht derjenige zu sein, der mit denen fertigwerden muss. Vor Katzendame Fritzi ist es einem geradezu peinlich, einer Spezies anzugehören, die derart bescheuerte Gestalten hervorbringt. Fritzi nimmt’s jedoch gelassen. Ihr ist, wie man so schön sagt, nichts Menschliches mehr fremd.
Das Schöne an den Fritzi-Büchern ist, dass sie eine gelungene Mischung aus Fakten und Fiktion sind. Die meisten Zwei- und Vierbeiner, die in dem Buch eine Rolle spielen, gibt es wirklich. Der „Insider“, der sich in den selben (facebook-)Kreisen bewegt wie die Autorin und die Illustratorin, erkennt die realen Vorbilder hinter den Romanfiguren nicht nur aufgrund ihrer Aktivitäten und ihrer Mundart, sondern erspäht sie auch auf Dörte Schneiders wunderbaren, detailreichen und witzigen Illustrationen. Diese farbigen Abbildungen sind Kunstwerke für sich! Das Bild zum Kapitel „Miniatur-Wunderland“ auf Seite 272 ist schlichtweg genial! Fazit: DIE KATZE, DIE KAISERIN SISI BESUCHEN MÖCHTE ist unterhaltsam auf der ganzen Linie.
Die Autorin
Elke Seidel absolvierte nach ihrem Fachschulabschluss eine Lehre. Mehrere Jahre arbeitete sie in einem Reisebüro, für das sie auch als Reiseleiterin Touristen durch europäische Hauptstädte und durch den Nahen Osten führte. Anschließend war sie über 30 Jahre am Frankfurter Flughafen in der Passagierabfertigung tätigt und als Lehrgangsleiterin in einem Schulungszentrum. Viele Jahre betätigte sie sich in ihrer Freizeit als Schmuckdesignerin und zeigte ihre kreativen Werke auf zahlreichen Ausstellungen. Bereits vor ihrem Ausscheiden am Flughafen begann sie ein Studium an der Frankfurter U3L. Dort nahm sie u.a. an einem Schreibseminar teil. Schon seit ihrer Kindheit schreibt sie Gedichte und Kurzgeschichten. Elke Seidel wohnt in Frankfurt. Ihre beiden Katzen Fritzi Kullerkopf und deren Freund Rüdiger adoptierte sie in einem Tierheim.
Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
http://www.boxmail.de