Marlies Ferber: Grün ist die Liebe. Roman

Marlies Ferber: Grün ist die Liebe. Roman, München 2018, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-26198-2, Klappenbroschur, 318 Seiten, Format: 13,4 x 3 x 20,8 cm, Buch: EUR 15,90 (D) EUR 16,40 (A), Kindle Edition: EUR 13,99.

Abbildung: (c) dtv

„Die Hühner waren längst schon kein Hobby mehr für Robert, er war ihnen verfallen wie einer Geliebten, die immer mehr Zeit fordert. Wenn er könnte, würde er sich von mir scheiden lassen und sie heiraten, dachte sie (…). Der einzige Grund, warum er es nicht macht, ist wahrscheinlich, dass er jemanden braucht, der ihm die Eier in die Pfanne schlägt.“ (Seite 139)

„Es wird nach einem happy end im Film jewöhnlich abjeblendt“, heißt es bei Kurt Tucholsky. In diesem Roman ist das anders. Marlies Ferber gewährt uns Einblicke in langjährige Beziehungen, in denen es den Partnern mal mehr und mal weniger gut gelungen ist, sich Liebe und Romantik zu bewahren.

Elisabeth Müller aus Kevelaer, 44, und ihr gleichaltriger Ehemann Robert kennen und schätzen einander schon seit der Grundschule – seit der phantasiebegabte Pastorensohn in ihre Klasse gekommen ist.

Elisabeth und Robert – eine Sandkastenliebe


In Elisabeths Familie ist man katholisch. Ihre Eltern betreiben zu der Zeit die Pilgerherberge „Zum Goldenen Stern“. Dass aus Elisabeth und ihrem protestantischen Schulfreund irgendwann ein Paar wird, sehen die Familien nicht gerade gern. Doch alles Grummeln hilft nichts: Elisabeth und Robert heiraten. Und dann ergeht es ihnen wie vielen von uns: Ihr Leben verläuft nicht ganz so, wie sie es sich als Teenager erträumt hatten.

Robert studiert Agrarwissenschaften und hat fest vor, den großelterlichen Hof zu übernehmen. Doch daraus wird nichts. Er wird Handelsvertreter. Elisabeth beginnt, Medizin zu studieren und unterbricht, als sie schwanger wird. Aber mit Zwillingen ist an eine Wiederaufnahme des Studiums nicht zu denken. Also versorgt sie Kinder, Haus und Garten und erledigt die Büroarbeiten ihres Mannes.

Als allzu spannend empfindet Elisabeth das alles nicht. Sobald die Kinder halbwegs selbstständig sind, greift sie den Vorschlag ihrer Freundin Tessa, einer Ärztin, auf und engagiert sich ehrenamtlich als „Grüne Dame“ im Krankenhaus. Das ist übrigens die einzige brauchbare Idee, die Tessa in diesem Buch hat. Ansonsten sind ihre Vorschläge so daneben wie ihr Männergeschmack. 😉

Das Gefühl, den Patienten eine Stütze zu sein, tut Elisabeth gut. Trotzdem kommt ihr ihr Leben manchmal fad und hausbacken vor. Die Zwillinge studieren inzwischen auswärts, Robert wird immer einsilbiger, arbeitet zu viel und scheint daheim nur noch Interesse für sein neues Hobby, die Hühnerhaltung, zu haben. War das alles? Soll das für den Rest ihres Lebens nun so weitergehen?

Herr Grün schwärmt so von seiner Frau!


Dann lernt Elisabeth im Krankenhaus einen liebenswerten alten Herrn kennen. Justus Grün heißt er, dürfte zügig auf die 80 zugehen und hat am Tag seiner Goldenen Hochzeit seine geliebte Ehefrau Lenya verloren. Auf ihrer Beerdigung bricht er zusammen und landet in der Klinik. Viel mehr, als ein paar Besorgungen zu machen und ihm zuzuhören, kann Elisabeth leider nicht für ihn tun.

Herr Grün ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, genau wie Robert Müller es einmal war, und er spricht mit einer solchen Liebe und Herzenswärme von seiner verstorbenen Ehefrau, dass Elisabeth ganz neidisch wird. Nach und nach erzählt er ihr die Geschichte ihres gemeinsamen Lebens.

Ein linker und ein rechter Latschen


Wie haben es die beiden nur geschafft, sich über 50 Jahre lang diese großen Gefühle zu bewahren, während sich Elisabeth und Robert nach 20 Jahren Ehe vorkommen wie ein linker und ein rechter Latschen? Nicht sehr romantisch, oder? Freundin Tessa führt ein wesentlich aufregenderes Liebesleben, aber die ist ja auch erst drei Jahre mit ihrem Alexander zusammen. Schwiegermutter Judith schwärmt heute noch von ihrem verstorbenen Mann. Nur der eigene Gatte ist im Lauf der Zeit zu einem maulfaulen Stoffel mutiert, der Hochzeitstage und ihren Geburtstag vergisst, kaum je richtig zuhört und immer häufiger abwesend ist. Er wird bestimmt an der Goldenen Hochzeit nicht so liebevoll von ihr reden wie Justus Grün von seiner Frau. So wertgeschätzt wie Lenya fühlt Elisabeth sich nicht. Hat Robert vielleicht längst eine andere?

Ehe-TÜV, Lügen und Geheimnisse


Als sie ihrer Freundin Tessa von ihren Sorgen erzählt, hat diese wieder eine ihrer berüchtigten Ideen. Sie schlägt einen Ehe-TÜV vor, einen Test, der zeigen soll, ob Robert seine Frau noch liebt. War Tessas Einfall mit dem silbernen Köfferchen für Paris (Details dazu im Buch 😉 ) nur eine harmlose Hirnfurzidee, ist dieses Ehetestprogramm nun ein gefährlicher Irrsinn. Zumal man dafür lügen muss, und Lügen und Geheimnisse nicht gerade Elisabeths Stärke sind. Aber irgendwas muss sie jetzt einfach unternehmen, und da ist ihr eine bescheuerte Idee allemal lieber als gar keine.

Weil Elisabeth ihren Mitmenschen jetzt entsprechende Fragen stellt, erfährt sie, dass auch in der Ehe ihrer Eltern nicht alles so war, wie es nach außen hin den Anschein hatte. Selbst in der angeblich idealen Beziehung der Grüns gab es vor vielen Jahren Lügen und dunkle Stunden, und das hat dramatische Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. Offenbar kommt nichts Gutes dabei heraus, wenn man seinem Partner etwas vormacht, selbst wenn es aus Liebe geschieht. Aber diese vermaledeite Ehe-TÜV-Nummer ist nicht mehr zu stoppen.
Und was verheimlicht Robert?

Elisabeths Sorgen sind so nahe an der Realität, dass man sich als Leserin im entsprechenden Alter sehr gut mit ihr identifizieren kann. Auch wenn ich mich gefragt habe, ob sie nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Hätte Justus Grün auch so schwärmerisch über seine Frau gesprochen, als sie noch den Alltag teilten? Jetzt, da er seine Partnerin verloren hat, ist er natürlich hochemotional und neigt vielleicht dazu, die Vergangenheit zu verklären. Und bei Tessa und Alexander scheint nicht alles Gold zu ein was glänzt. Vergleicht Elisabeth ihr reales Leben vielleicht damit, wie das anderer Menschen nach außen hin wirkt? Also Sein mit Schein? Dann wird sie immer das Gefühl haben, zu kurz zu kommen.

Berührende Liebesgeschichte, kernige Nebenfiguren


Berührend ist die Liebesgeschichte der Grüns auf jeden Fall – und für die befreiende Komik sorgen Elisabeths Mutter und Schwiegermutter, die seit dem Tod ihrer Ehemänner die Pilgerherberge gemeinsam führen. Ob sie im Supermarkt auffällig werden, mit den sonderbaren Gepflogenheiten in einem amerikanischen Café hadern oder sich mit der Beherbergung eines Dackelclubs (20 Personen, 12 Hunde) komplett übernehmen – mit Judith und Martha gibt’s immer was zu lachen. Die beiden resoluten Damen werden aber nicht als alberne Randfiguren verheizt. Sie stehen, ähnlich wie die Grüns, für langjährige Lebens- und Beziehungserfahrung. Als sich die ruppige Martha endlich überwindet, über ihre Ehe zu sprechen, rührt einen das zu Tränen. So soll es für Elisabeth und Robert nicht laufen! Dann doch lieber Ehe-TÜV!

„Nur mal kurz reingucken“ wollte ich am Wochenende in das Buch, das ich dann während der Woche auf meinen Pendlerfahrten im Zug zu lesen beabsichtigte. Dann konnte ich es nicht mehr weglegen und hatte es in einem Rutsch durch. Ich wollte unbedingt wissen, wie Elisabeth aus der Ehetest-Nummer wieder rauskommt … was Robert verheimlicht … ob Vater und Sohn Grün ihr Missverständnis ausräumen können … ob und wie die Müllers ihre Ehe retten … ob Elisabeth eine neue Aufgabe im Leben findet und wann Tessa endlich merkt, dass ihr Alexander nichts als ein Schaumschläger ist. Und dann gibt’s da noch den bedauernswerten Cousin, den der Müller-Clan gegen seinen Willen zu „Bauer sucht Frau“ schleift …

Ich wollt’s nur gesagt haben: Bei dieser mitreißenden Geschichte bleibt man allzu leicht hängen.

Die Autorin
Marlies Ferber wurde 1966 geboren, studierte Sinologie in Deutschland, China und den Niederlanden und arbeitete viele Jahre als Verlagslektorin, bevor sie sich ganz dem Schreiben und Übersetzen widmete. Bei dtv ist ihre originelle vierbändige „0070“-Krimireihe um den britischen Agenten a.D. James Gerald erschienen. „Grün ist die Liebe“ ist ihr erster Liebesroman. Die Autorin engagiert sich als Grüne Dame im Krankenhaus und lebt mit ihrer Familie in einem Haus am Waldrand.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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