Michael Poliza, Christian Krug: Island. Bildband

Michael Poliza, Christian Krug: Island, Bielefeld 2018, Delius Klasing & Co. KG, Lizenz der Marke STERN durch Gruner + Jahr, ISBN 978-3-667-11414-3, Hardcover, 298 Seiten, großformatige Farbfotos, Format: 24,5 x 3 x 30 cm, EUR 39,90 (D), EUR 41,10 (A).

Abbildung: © Delius Klasing Verlag

„Vor den Wasserfällen, der rauen See und den wilden Flüssen auf Island hatten die ersten Siedler keine Angst. Das kannten sie alles aus Norwegen. Unheimlich waren ihnen die heißen Quellen, die dampfend und fauchend überall auf der Insel zu finden waren.“ (Seite 128)

Wenn man nicht genau wüsste, dass es sich bei Michael Polizas spektakulären Aufnahmen um Landschaftsbilder von Island handelt, würde man so manche Abbildung für ein abstraktes Gemälde halten, für ein Szenenfoto aus einem Science-Fiction- oder Fantasyfilm oder um ein Bild, das auf einem fremden Planeten entstanden ist. Schon auf Seite 2 kommt man ins Grübeln:

  • Ist das ein Drachenauge? Ein blaues Spiegelei? Nein, es ist der Blick von einer Drohne aus ins Innere eines Geysirs!
  • Ein paar Seiten später: eine Collage? Nein: Eisbruch. Das Foto zeigt die Gletscherzunge Svinafellsjökull im Vatnajökull-Nationalpark.
  • Goldene Flüsse? Nein: Lichtreflexionen bei der Schneeschmelze im Frühjahr in Südisland.
  • Aber diese türkisblauen Felsen, das ist doch Photoshop, oder? Nein: Eine kupferhaltige Gesteinsader im Landmannalaugar-Gebiet ist oxidiert und hat dieses natürliche „Kunstwerk“ geschaffen.
Abbildung: © Delius Klasing Verlag

Der schwarze Reynisfiara-Strand ist wirklich unglaublich! Die Bilder wirken genauso außerirdisch wie die Aufnahmen vom 100 Grad heißen Schlamm, der am Hverir-Feld blubbert. Das könnte ein Szenenfoto aus der 60er-Jahre-Fernsehserie RAUMPATROUILLE/Raumschiff Orion sein. Wahrscheinlich war die Filmcrew von GAME OF THRONES auch schon dort.

Abbildung: © Delius Klasing Verlag

Das eine oder andere Bild hätte ich gerne gerahmt an der Wand hängen. Und in natura würde ich das alles auch gerne mal sehen.

Informationen gibt’s natürlich ebenfalls. Schließlich wirkt ja Christian Krug, der ehemalige Chefredakteur des STERN, hier mit. Aber das Hauptgewicht dieses Buchs liegt eindeutig auf dem atemberaubenden Bildmaterial. Ganz plakativ präsentiert uns der Autor Island in Zahlen: 350.000 Einwohner, 285.000 Mobiltelefone, 500.000 Schafe. Keine Bahn, keine Panzer, keine Soldaten. Na ja: Für Island besteht ja auch hauptsächlich die Gefahr, von Touristen überrannt zu werden, die dann in ihrer Begeisterung die Vegetation unrettbar zertrampeln, wie das bei den Quellen von Reykjadalur, 40 km östlich von Reykjavik, bereits geschehen ist.

Touristen konzentrieren sich im Süden


Das Problem ist nicht einmal die schiere Masse an Touristen, obwohl es immer mehr werden, sondern der Umstand, dass sie sich hauptsächlich auf den Süden des Landes konzentrieren. So werden wenige Orte in zu kurzer Zeit von zu vielen Menschen besucht. Island bräuchte eine Tourismus-Strategie, hat aber anscheinend keine. Das zumindest sagt die Geschäftsführerin der größten Naturschutzorganisation Islands. Sie befürchtet, dass ich ihr Land wieder mal im „Goldrausch“ befindet und dass nach der Finanzkrise von 2008 in nicht allzu ferner Zukunft eine Umweltkrise drohen könnte.

Ausgerechnet ein Vulkanausbruch hat den Tourismusboom ausgelöst: Als der Eyjafjallajökull im März 2010 den Luftverkehr bis Nordafrika lahmlegte, wurden die Leute erst so richtig auf den kleinen Inselstaat aufmerksam.

Das trotzige Ende der Welt


Die Wikinger nannten Island „das trotzige Ende der Welt“. Und in der Tat braucht man zum Überleben in dieser kargen und unwirtlichen Gegend Mut, Optimismus und eine Menge Anpassungsfähigkeit. „Wird schon irgendwie klappen“, sei das inoffizielle Lebensmotto der Isländer, schreibt Christian Krug. Ich würde das hier gerne auf Isländisch wiedergeben, aber ich scheitere, wie bei einigen Eigennamen, an den Sonderzeichen dieser Sprache.

Wie man heute auf Island lebt und arbeitet, erfahren wir auch. Michael Poliza und Christian Krug besuchen unter anderem Walbeobachter, Pferdezüchter, Pfarrer, Taucher, Unternehmer und den einzigen Gerichtsmediziner der Insel.

Und dann ist da noch die Tierwelt. Wir entdecken Interessantes und Wissenswertes über die berühmten Islandpferde, über Schafe und Rentiere, Wale und Seehunde

Den heißen Quellen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Seit über 100 Jahren heizen die Isländer ihre Häuser und Schwimmbäder mit Erdwärme. Seit den 1920er-Jahren nutzen Bauern sie auch für den Obst- und Gemüseanbau. Dass man in Island bei minus 10° Celsius Außentemperatur in den Treibhäusern Bananen ernten kann, klingt schon irgendwie bizarr. Auch Strom wird durch Erdwärme gewonnen. Dass Energie hier so günstig zu haben ist, zieht natürlich Industrieunternehmen an, was, wie überall auf der Welt, Vor- und Nachteile hat …

Auch wenn der Textanteil in diesem Buch vergleichsweise gering ist, lernt und erfährt man hier doch einiges.

Abbildung: © Delius Klasing Verlag, Foto: E. Nebel

Das Buch ist sehr schick aufgemacht mit türkisfarbenem Schnitt und einer „modernen“ Schrift. Mitunter geht das Design ein wenig zu Lasten der Lesbarkeit. Ein negativ-weißer Fließtext auf helltürkisfarbenem Grund stellt zumindest für nicht mehr ganz so junge LeserInnen eine gewisse Herausforderung dar. Aber wenn man partout wissen will, was es zu dem Thema zu sagen gibt, kämpft man sich da durch. 😉

Abbildung: © Delius Klasing Verlag

Der Fotograf
Michael Poliza (* 1. Januar 1958 in Hamburg) wuchs als Kind einer Gastronomenfamilie in Hamburg auf. Bereits in seiner frühen Jugend wurde sein schauspielerisches Talent entdeckt. Er wirkte in über 70 Fernseh- und Spielfilmproduktionen mit, bevor er als Austauschschüler in die USA ging. Als 23-Jähriger gründete Poliza seine erste IT-Firma und begann als Pionier seiner Branche damit, IBM-Computer erstmals nach Deutschland zu importieren. Im Alter von nur 26 Jahren war er bereits zum Selfmade-Millionär geworden und baute mehrere erfolgreiche Unternehmensgruppen in den USA und Deutschland auf. 1997 verkaufte er seine IT-Firma machte die Fotografie zu seinem Beruf. (Informationen aus Wikipedia)

Der Autor
Christian Krug (* 19. Dezember 1965 in Hamburg) unternahm nach seinem Abitur an der Peter-Petersen-Schule in Hamburg-Wellingsbüttel zunächst eine Weltreise mit dem Motorrad und machte dann in Frankfurt am Main eine Lehre als Werbekaufmann. Anschließend studierte er Politikwissenschaft an der Universität Hamburg. Ab 1989 war er neben dem Studium auch journalistisch tätig. Zuletzt war er Chefredakteur des STERN. (Informationen aus Wikipedia)

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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