Daniela Schreiter: Lisa und Lio, Band 1. Das Mädchen und der Alien-Fuchs. Graphic Novel (6 – 8 J.)

Daniela Schreiter: Lisa und Lio, Band 1, Das Mädchen und der Alien-Fuchs. Graphic Novel, Stuttgart 2020, Panini-Verlag, ISBN 9-783-7416-1823-9, Hardcover, 64 Seiten, durchgehend farbig, mit einem Vorwort von Mark Benecke (Kriminalbiologe), Format: 20,5 x 1,2 x 21,6 cm, Buch: EUR 13,00 (D), EUR 14,40 (A), Kindle: EUR 9,99.

Abb.: (c) Panini Books

Wie viele andere Leser*innen kenne auch ich die Comic-Schöpferin Daniela Schreiter als „Fuchskind“ aus dem Internet. Was sie macht, erklärt Kriminalbiologe Mark Benecke im Vorwort zu diesem Buch: „Eine riesige (…) Gemeinde verehrt das Fuchskind für ihre lebensfrohen Comics in denen sie (…) autistische Menschen beschreibt. Sie ist eine von ihnen.“

In dieser Graphic Novel begleiten wir die autistische Schülerin Lisa durch ihren Alltag. Gedacht ist das Buch für Kinder von 6 bis 8 Jahren, aber ich finde, dass auch der erwachsene Leser hier durchaus interessante Einsichten gewinnt.

Eine außergewöhnliche Bekanntschaft

Was für neurotpyische Menschen – mögen sie auch introvertiert sein – allenfalls mittelprächtigen Stress bedeutet, belastet Lisa sehr viel stärker. Der Umzug nach Finkenstadt mit neuer Wohnung, neuem Schulweg, neuen Lehrern und neuen Mitschüler wird für sie zur Nervenprobe. Dreimal ist ihre Mutter mit ihr den Schulweg abgegangen, ab heute muss sie es alleine schaffen.

Unterwegs raschelt was im Gebüsch und Lisa entdeckt einen grünen Alien-Fuchs, der sprechen kann. Wie seinerzeit E.T. ist er von seinen Artgenossen versehentlich auf der Erde zurückgelassen worden. Seinen Namen kann sie nicht aussprechen, also tauft sie ihn kurzerhand in LIO um: LEBENDER INTELLIGENTER ORGANISMUS.

Lisa überlässt dem armen Kerl ihr Pausenbrot und will ihn eigentlich nicht so hilflos auf dem Gehweg sitzen lassen. Aber mit in die Schule nehmen kann sie ihn nicht. Die würden dort schön blöd schauen, wenn sie mit einem Außerirdischen an der Hand ankäme!

Lisa und Lio entdecken Gemeinsamkeiten

Zum Glück kann sich Gestaltwandler Lio für begrenzte Zeit so verändern, dass er bequem in Lisas Tasche passt. Also sind jetzt zwei unterwegs zur Schule, die sich ein wenig fremd fühlen. Und für beide ist der Schultag anstrengend. Für Lisa, weil ihr das einfach zu viel Gewusel ist und weil sie in Gegenwart anderer Menschen ständig Angst hat, etwas falsch zu machen. Für Lio, weil ihn seine Verwandlung sehr viel Energie kostet.

Beide sind sich einig: Etwas darstellen zu müssen, das man nicht ist, geht mächtig an die Substanz. Lieber sind sie irgendwo, wo es schön ruhig ist und sie ganz sie selbst sein können, ohne jemandem etwas vormachen zu müssen. Aber die Welt hat halt nicht viel Geduld mit jemandem, der nicht so ist wie die meisten anderen.

„Mein Gehirn funktioniert anders“, erklärt Lisa ihrem neuen Freund. „Ich nehme viel mehr um mich herum wahr als andere Menschen. Das kann schnell überwältigend sein und anstrengend, da mein Gehirn jeden Reiz wichtig findet.“ Und sie erkennt auch nicht immer gleich, wer ihr wohlgesonnen ist und wer sie nur ausnutzt. Lio versteht das und verspricht, ihr zu helfen. 

Was immer passiert – Lio bleibt cool

Den Alien schockiert nicht einmal Lisas Meltdown (unkontrollierter Wutausbruch / Zusammenbruch), als ihre Mutter darauf besteht, nach diesem stressigen Tag noch mit ihr in die Stadt zu fahren um fehlende Schulsachen zu kaufen. „Ich möchte alles richtig machen und manchmal wird das viel zu viel“, sagt Lisa zu Lio, als sie sich wieder erholt hat. „Mein Körper geht dann in eine Abwehrhaltung, er versucht mich aus der Situation zu ziehen und vor der Reizüberflutung zu schützen.“ Das findet der Fuchs faszinierend. Ist es nicht toll, einen Körper zu haben, der auf einen aufpasst? Als er Lisa seine eigene Strategie für gefährliche Situationen vorführt, zeigt das allerdings nicht ganz die gewünschte Wirkung. 😀

Wir dürfen gespannt sein, was der pfiffige grüne Lio sonst noch alles in petto hat, denn er wird einstweilen bei Lisa bleiben und mit ihr gemeinsam die Hürden des Alltags meistern. Dies ist das erste Kapitel ihrer Freundschaft. Weitere LISA UND LIO-Bände sollen folgen.

Amüsiert und informiert

Ich selbst bin neurotypisch, aber das Autismus-Spektrum ist mir nicht völlig fremd. Soweit ich es beurteilen kann, ist das, was Lisa den Alltag schwer macht, hier kurz und knackig so erklärt, dass auch absolute Themen-Neulinge es verstehen. Ich hätte keine Hemmungen, jemandem, der wissen sollte, was Autismus bedeutet, aber keine Ahnung davon hat, diese Graphic Novel zur Aufklärung in die Hand zu drücken. So unterhaltsam wird man selten informiert. Ins Detail gehen kann man dann immer noch.

Abb.: © Panini Books, Foto: E. Nebel

Die Autorin

Daniela Schreiter wurde im wilden Berlin der 1980er Jahre geboren und erforscht seit jeher mit Stift und Papier die Welt um sich herum. Mit vier Jahren zeichnete sie ihren ersten Comic und ist seit dem Studium als Illustratorin und Comic-Zeichnerin tätig. 


Die Autorin ist Autistin. Seit ihrer Diagnose wollte sie einen Comic darüber machen, wie es ist, mit dieser etwas Wahrnehmung und Sicht auf die Welt zu leben, zu sehen und zu fühlen. Worte allein haben dafür einfach nie ausgereicht. In ihrem 2014 erschienenen Graphic-Novel-Debüt „Schattenspringer“ zeichnete sie ihre Kindheit bis zum Erwachsenenalter auf und beschreibt mit viel Humor, welche Hürden es dabei zu meistern galt. Hindernisse, von denen Nicht-Autisten nicht einmal ahnen, dass sie überhaupt existieren. 

Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
www.boxmail.de

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