Gina Mayer: Internat der bösen Tiere. Der Verrat (Band 4), ab 10 J., Ravensburg 2021, Ravensburger Verlag, ISBN 978-3-473-40855-9, Hardcover mit Gucklochstanzung, 273 Seiten, mit s/w-Zeichnungen von Clara Vath, Format: 15,8 x 3 x 21,6 cm, Buch: EUR 14,99 (D), EUR 15,50 (A), Kindle: EUR 9,99, auch als Multimedia-CD erhältlich.
„Der Chor der Tierstimmen wurde immer lauter und erst jetzt wurde Noel sich bewusst, dass er mitsang. (…) Wir sind Tiere, dachte er. Das war die Botschaft der Pyramide. Die Menschen waren ein Teil des Ganzen. Jeder von ihnen war so wertvoll, so stark, so einzigartig wie ein Chamäleon, eine Spinne, ein Bär oder eine Taube. Und sie alle gehörten zusammen.“ (Seite 212)
Überraschung! Der Band ist nicht nur früher erschienen als angekündigt – er ist auch gar nicht der letzte dieser Reihe. Es gibt mindestens noch einen fünften Band.
Nach wie vor ist Noel, 14, auf den Geheimen Inseln irgendwo am Äquator im Internat der bösen Tiere. Dort bemüht er sich, von und mit seinen menschlichen und tierischen Mitschüler:innen zu lernen, die verflixte telepathische Kommunikation in all ihren Feinheiten endlich in den Griff zu kriegen und es seinen – allesamt tierischen – Lehrer:innen möglichst recht zu machen.
Noch immer weiß er nichts über den Aufenthaltsort seiner Mutter, der Internats-Mitbegründerin Sonya, die gleich nach seiner Geburt verschwunden ist. Und noch immer sind ihre mächtigen Feinde – deretwegen sie sich versteckt hält – auch hinter ihm her.
Ein neuer Schuldirektor
Etwas Neues gibt’s allerdings: Nach dem Weggang der bisherigen Schulleiterin, der Würgeschlange Mrs. Moa, ist jetzt der majestätische Löwe Mr. Simbaroi der Chef des Internats. Und der zieht auch gleich ganz neue Saiten auf. Was bisher harmlos als „Projektwoche“ daherkam und ein Mix aus Schnitzeljagd und Bundesjugendspielen war, wird unter dem neuen Direktor zu einem Instrument der gnadenlosen Auslese: Die Zweierteams, die ihre Aufgaben nicht schaffen, müssen das Internat verlassen!
Neue Regeln
Die Schüler:innen sind entsetzt. Für viele ist das Internat der einzige Ort, an dem sie sich zuhause fühlen und nicht als Freak und Außenseiter gemobbt werden. Noels zugeloster Teampartner für die Projektwoche, der wortkarge Maori Mikaere, erklärt, außerhalb des Internats gar kein Zuhause mehr zu haben. Noel geht es ähnlich. Zu seiner Tante/Ziehmutter Karin kann er nicht mehr zurück. Dort würden die Todfeinde seiner Mutter jetzt als erstes nach ihm suchen. Für ihn wäre der Rauswurf aus dem Internat das Todesurteil.
Noch ist Noel zuversichtlich, was die Projekttage angeht. Schließlich haben Mikaere und er während ihrer bisherigen Internatszeit schon eine Menge gelernt. Doch schon am ersten Tag, kommen den beiden Jungs Zweifel: Kann das Spiel tatsächlich so weit gehen, dass man mit hinterhältigen Tricks an der Erfüllung seiner Aufgaben gehindert wird? Jemand hat die beiden mit Betäubungsgas außer Gefecht gesetzt um zu verhindern, dass sie es rechtzeitig zum Ausgangspunkt zurückschaffen. Kein anderes Team berichtet von ähnlichen Schikanen, und es hat den Anschein, als hätten alle deutlich einfachere Aufgaben zu bewältigen gehabt als Noel und sein Partner.
Einer spielt hier falsch
Am zweiten Tag läuft es so ähnlich. Doch, doch, versichert man den Jungs, das habe alles seine Ordnung, das gehöre dazu. Noel bezweifelt das. Irgendjemand spielt hier falsch und will ihn mit aller Macht aus dem Internat vertreiben und in den sicheren Tod schicken! Haben Sonyas Feinde einen „Maulwurf“ – in welcher Gestalt auch immer – ins Internat eingeschleust? Und wenn ja: Wer ist es?
Die Nachforschungen gestalten sich schwierig, wenn man nicht weiß, wem man trauen kann und wem nicht …
Wären diese Projekttage nicht eine Frage von Leben oder Tod, wären sie ein großartiges Abenteuer. Die Teilnehmer:innen brauchen hier alles: Verstand, Kreativität, Teamgeist, Durchhaltevermögen, körperliche Fitness, Organisationstalent, Vertrauen und ein gut funktionierendes Zeitgefühl. Die Steilwand! Das Moor! Das Entschlüsseln der kryptischen Botschaften! Es ist toll! Nur werden die spannenden Aufgaben eben von der Frage überschattet, wer Noel und Mikaere schaden will – und ob man diesem Wesen rechtzeitig auf die Schliche kommt.
Zum Kichern: Die schusselige Sekretärin
Für die befreiende Komik sorgen hier Schulkameraden wie die hysterisch plappernde Tarantel Poison und das verschlafene Flusspferd Willy, das allerdings deutlich mehr vom Geschehen mitkriegt als man so meint. Und auch die schusselige Sekretärin Miss Flap gibt immer wieder Anlass zum Schmunzeln und zum Kichern. Ich habe mich allerdings gefragt, warum Direktor Simbaroi sie nicht längst gefressen hat, wenn sie so sensationell unfähig ist. Sie ist ja nur eine halbe Portion! – Das hat natürlich Gründe.
Für die Suche nach seiner Mutter hat Noel in diesem Band keine Zeit. Er ist vollauf mit Überleben beschäftigt. Aber er kommt seinem Ziel wenigstens ein winziges Schrittchen näher.
Ich habe schon bei den vorangegangenen drei Bänden – die man kennen sollte, um bei Band 4 mitzukommen – schon gesagt, dass ich diese Reihe liebe. Wenn Außenseiter:innen und „Ekeltiere“ die Helden sind, wenn sie gemeinsam haarsträubende Abenteuer erleben und die Kernbotschaft lautet, dass wir alle zusammengehören und aufeinander aufpassen sollten – was kann da noch schief gehen?
Irgendwann muss Butter bei die Fische
Irgendwann aber möchten wir den zentralen Konflikt der Reihe schon gelöst sehen. Ewig kann man uns die verschwundene Mutter und den gefährlichen Todfeind, der kaum je persönlich in Erscheinung tritt, nicht vor die Nase halten wie dem Esel die Karotte. Irgendwann muss „Butter bei die Fische“. Andererseits macht es natürlich tierischen Spaß, die Internatschüler:innen bei weiteren aufregenden Erlebnissen zu begleiten. In Band 5 steht ein Workshop an, verrät uns die Leseprobe im Anhang. Unsere Helden sollen das Fliegen lernen, und ich glaube kaum, dass damit der Erwerb eines Pilotenscheins gemeint ist. Oder? Das will ich jetzt natürlich wissen!
Die Autorin
Gina Mayer, geb. 1965, studierte Grafik-Design und arbeitete danach als freie Werbetexterin, bevor sie Schriftstellerin wurde. Seit 2006 hat sie eine Vielzahl an Romanen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene veröffentlicht. Ihre Werke standen auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurden in viele Sprachen übersetzt. Gina Mayer lebt mit ihrem Mann in Düsseldorf.
Die Illustratorin
Clara Vath arbeitet seit 2012 als freischaffende Illustratorin für diverse Verlage. Sie illustriert unter anderem Kinder- und Jugendbücher und schätzt daran vor allem die Vielfältigkeit und das Abtauchen in andere Welten. Ihr Illustrationsstil verbindet oft fantastische und mystische Elemente, die zum Träumen einladen und in Abenteuer entführen.
Rezensentin: Edith Nebel
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