Susanne von Berg: Das Kaufhaus – Zeit der Sehnsucht. Roman

Susanne von Berg: Das Kaufhaus – Zeit der Sehnsucht. Roman, Berlin 2023, Aufbau Verlage GmbH, ISBN 978-3-7466-3912-3, Softcover, 480 Seiten, Format: 13,3 x 4,1 x 20,5 cm, Buch: EUR 12,99 (D), EUR 13,40 (A), Kindle: EUR 9,99. Auch als Hörbuch lieferbar.

Abb.: (c) Aufbau

Die Anfänge von „Kaufhof“ und „Hertie“

Hier erleben wir die Anfänge der Warenhäuser „Kaufhof“ und „Hertie“. Hinter beiden Firmen stecken kluge Köpfe der Familie Tietz aus Posen. Nach US-amerikanischem Vorbild und mit frischen eigenen Ideen haben sie im ausgehenden 19. Jahrhundert das Einkaufen in Deutschland neu erfunden.

Stralsund 1879: Eigentlich ist der Kaufmann Leonhard Tietz (30) zusammen mit seiner Verlobten, der Schneiderin Flora Baumann (24) nach Stralsund gekommen, um mit einem Jugendfreund ein Unternehmen zu leiten. Aber die Zusammenarbeit funktioniert nicht. Leo Tietz lässt sich auszahlen um etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Was genau, das weiß er noch nicht.

Ein letztes Mal geht er für seine bisherige Firma auf Geschäftsreise. Seine Verlobte Flora nutzt die Zeit, um an ihrem Brautkleid zu arbeiten. Das darf Leo vor der Hochzeit ja nicht sehen. Auf der Suche nach passenden Kurzwaren stößt sie auf einen kleinen Laden in der Ossenreyerstraße. Das Geschäft ist heruntergekommen, aber das Warenangebot ist außergewöhnlich gut und der Inhaber, Albert Holst, kennt sich wirklich gut aus. 

Keine gute Tat bleibt ungestraft

Gesundheitlich ist der alte Herr Holst allerdings angeschlagen und mit dem Laden überfordert. Flora bietet ihm spontan und unentgeltlich ihre Hilfe an. Dafür gibt’s mehrere Gründe: Sie hat während Leos Abwesenheit eine Beschäftigung, sie tut ein gutes Werk – und sie kann bei der Arbeit einiges lernen. Wer weiß, wozu es gut ist!  Heute würde man sagen, Flora macht bei Holst ein unbezahltes Praktikum. 

Und dann steht auf einmal ihr nichtsnutziger Bruder Sally vor der Tür. Er hat daheim Mist gebaut, seine Lehre abgebrochen und sich mit den Eltern überworfen. Jetzt soll’s die große Schwester richten. Na ja … fürs erste kann er bei ihr auf dem Sofa schlafen, und dann sieht man weiter.

Sally verdingt sich als Hilfsarbeiter im Hafen und erzählt dort arglos, dass er bei seiner Schwester wohnt, die für Albert Holst arbeitet. So erfährt Vorarbeiter Julius Holst, Alberts Sohn, davon. Obwohl Julius sich nie für seinen Vater und dessen Geschäft interessiert hat, sieht er jetzt sein Erbe in Gefahr. Flora Baumann könnte eine Erbschleicherin sein und er, Julius, am Ende leer ausgehen. Dass der alte Holst verschuldet ist und Flora ihm ehrenamtlich hilft, weiß er nicht. Fortan lässt er keine Gelegenheit aus, den Geschwistern Baumann das Leben schwer zu machen. 

Leos neue Geschäftsidee

Flora hat ihrem Verlobten also allerhand zu erzählen, als er von seiner Reise zurück ist. Auch Leo hat Neuigkeiten: Er hat auf seiner Tour neuartige Geschäfte gesehen, deren Konzept er gerne noch optimieren und in Stralsund einführen würde: Warenhäuser mit attraktiver Produktpräsentation, ohne Kaufzwang, mit günstigen Festpreisen ohne Feilschen, Barzahlung ohne „Anschreiben“ – und mit großzügigem Umtauschrecht. Das ähnelt den Ideen, die sein Onkel Hermann Tietz, Spitzname „Hertie“, von seinem USA-Aufenthalt mitgebracht hat.

Nun könnte man denken, dass ein Hauen und Stechen losgeht, weil Onkel und Neffe Tietz mit ähnlichen Konzepten in derselben Branche unterwegs sind. Aber so ticken diese Familienmenschen nicht. „Onkel Hertie“ hilft mit Rat und Tat. Noch denkt niemand in landesweiten Kaufhausketten. Sie experimentieren mit einzelnen Geschäften. 

Erfolg schafft Feinde

Leo und Flora haben ihr „Experimentierfeld“ bereits gefunden: Sie kaufen Albert Holst den Laden ab, was ihm sehr gelegen kommt. Ärger droht aus anderer Richtung. Zum Beispiel von der Kaufmannsfamilie Wertheim, die die Zeichen der Zeit ebenfalls erkannt hat und auf das Warenhauskonzept setzt. Jetzt wird spioniert, intrigiert und versucht, Tietz das Personal abzuwerben. Da ist es natürlich Pech, wenn man ausgerechnet an eine loyale Schwägerin gerät. 😀 Der Tietz-Clan arbeitet gern mit Verwandten. Familie ist ihnen, wie gesagt, wichtig.

Wer auch permanent dazwischen grätscht, ist der unselige Julius Holst. Er hat die absurde Idee, dass ihm etwas von dem zusteht, was Tietzens mit ihrem rechtmäßig erworbenen Laden erwirtschaften. Hallo? Nein! Je erfolgreicher Leo und Flora mit ihrem Geschäftsmodell sind, umso zorniger und aggressiver wird Holst jr. Und der Siegeszug der Warenhäuser ist nicht mehr aufzuhalten. Das kann noch übel enden …

Man kann sich nur wundern

Bei einem Roman, der auf Tatsachen beruht, kann man dem Autor keinen Vorwurf für seltsames Verhalten seiner Figuren machen. Da muss man sich über die Menschen an sich wundern. Mich hat Floras Sippe, die konservative jüdische Familie Baumann, verblüfft. Sohn Sally machen sie die Hölle heiß, weil er mit der Tochter des Rabbi rumknutscht, aber Tochter Flora lassen sie ohne großes Gezeter mit ihrem Verlobten nach Stralsund gehen und dort unverheiratet zusammenleben? Das hätte ich nie für möglich gehalten.

Haben sie gedacht, Stralsund sei weit weg, das kriegt daheim auf dem Dorf schon keiner mit? Kann ich mir nicht vorstellen! Es gibt Handelsvertreter, gemeinsame Geschäftsverbindungen und weit verstreute Familienverbände. Da bleibt nichts geheim. So schnell hätten Baumanns gar nicht gucken können, wie diese skandalöse Nachricht ihre Heimatgemeinde erreicht hätte. Aber gut …!

Ein bisschen hätt‘ man straffen können …

Ich habe ja ein Faible für die kleinen Anfänge großer Ideen. Firmengründungen finde ich spannend. Hier hat’s für meinen Geschmack allerdings zu viele Wiederholungen. Ich hatte den Eindruck, es wird alles dreimal gesagt, auch wenn’s beim ersten Mal schon klar war. Hätte man dies unterlassen, hätten womöglich drei „Kaufhaus“-Bände in einen einzigen gepasst. 

Vielleicht ist das aber auch nur beim ersten Band so, weil da im Grunde nicht viel passiert„Cleveres Provinz-Pärchen kauft einen heruntergewirtschafteten Laden und macht mit modernen Ideen eine Goldgrube daraus.“ (Sag einer, ich kann einen Roman nicht auf seinen Kern reduzieren! 😀 ) Bei einer höheren Handlungsdichte müsste man den Inhalt nicht so strecken. Ich weiß nur noch nicht, ob ich diese Theorie anhand der Folgebände überprüfen möchte.

Der Autor

Susanne von Berg ist das Pseudonym des Schriftstellers Andreas Schmidt, der durch seine zahlreichen veröffentlichten Kriminalromane deutschlandweit seit vielen Jahren eine große Stammleserschaft erreicht. Andreas Schmidt lebt und arbeitet als freier Autor und Journalist in seiner Heimatstadt Wuppertal. Die ersten Bände der spannenden Kaufhaussaga »Das Kaufhaus – Zeit der Sehnsucht« und »Das Kaufhaus – Zeit der Wünsche« liegen im Aufbau Taschenbuch vor.

Rezensentin: Edith Nebel 
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
www.boxmail.de

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