Helga Kausel: Meine Patienten laufen Trab. Unterwegs als Pferdeärztin auf dem Land, München 2025, Knaur Verlag, ISBN 978-3-426-28491-9, Klappenbroschur, 232 Seiten, Format: 13,6 x 1,93 x 21 cm, Buch: EUR 18,00, Kindle: EUR 15,99.

„In der Praxis wurde es schon zum Running Gag – ständig fragte mich jemand, in welchen Schlamassel ich heute reingeraten war. Gab es wieder mal ein totes Huhn, war ein Auto in den Zaun gekracht, oder musste mich ein Traktor vom Feld ziehen?“
(Seite 149)
Falls jemand romantische Vorstellungen von der Arbeit als mobile Pferdetierärztin haben sollte: Nachdem man dieses Buch gelesen hat, ist ein für alle Mal Schluss damit!
Als Notfall-Pferdeärztin unterwegs
Die pragmatische österreichische Tierärztin Helga Meier hat ihren Job noch nie romantisiert. Sie wollte ihn zunächst nicht mal haben! Ihr Plan war es, nach dem Studium der Veterinärmedizin in einer Pferdeklinik zu arbeiten und mit ihrem Freund, dem Musiker Tobias Kausel, zusammenzuleben. Aber wie das mit Plänen manchmal ist: Sie gehen sich nicht aus. Helga (zu der Zeit Mitte 20) landet als mobile Notfall-Tierärztin in der auf Pferde spezialisierten Praxis von Herbert Pflaum – in Bayern. Tobias bleibt beruflich bedingt in Österreich. Eine Fernbeziehung war jetzt nicht das, wovon das junge Paar geträumt hat. Aber gut …
Helgas Wohnsituation ist bescheiden, die Arbeitszeiten sind krass: viel Bereitschaftsdienst und Einsätze rund um die Uhr. Und weil man ein erkranktes Pferd nicht mal eben zum Tierarzt bringt wie einen Hund, eine Katze oder ein Meerschweinchen, fahren Herberts Tierärzt:innen bei Wind und Wetter mit ihrer Ausrüstung im Auto durch die Gegend. Schwierig, wenn man sich in der Region nicht auskennt und auf diffuse Wegbeschreibungen angewiesen ist. Das Navi ist oft auch keine Hilfe.
Jeder Arbeitstag ein Abenteuer
Wenn man schließlich vor Ort ist, ist man auf sich allein gestellt. Das macht die berufsunerfahrene Helga zunächst mächtig nervös. Und was bei ihren Einsätzen alles passieren kann! Ob sie wildgewordene Pferde einfangen und regelrecht niederringen muss, um sie behandeln zu können, ob sie von ihrem tierischen Patienten einen Tritt kassiert, der sie durch den Stall fliegen lässt oder ob sie vor Ort ganz schnell improvisieren muss, weil ihr nicht das passende Equipment zur Verfügung steht – jeder Tag ist ein neues Abenteuer.
Manchmal sind nicht die tierischen Patienten das Problem, sondern deren Besitzer. Doch die energische junge Medizinerin weiß, wie man sich Respekt verschafft. Da erlebt manch ein zickiger Zwei- oder Vierbeiner eine ordentliche Überraschung!
Mit dem Ruf der „ungehobelten Tante aus Österreich“ kann Helga sehr gut leben. Was die Leute von ihr halten, ist ihr nicht so wichtig, Hauptsache, den Tieren geht es gut. Die werden es ihr danken, vor allem ihr Hengst Franzl. Zu dem kommt sie ganz ungeplant – weil kranke Tiere nun mal hilfsbedürftig sind und Menschen manchmal doof.
Nicht immer appetitlich …
Helga ist auch körperlich hart im Nehmen. 10 Jahre Handball (Bundesliga!) haben sie abgehärtet. Und anders als viele Tierarzt-Kolleg:innen, die es in dem Job im Schnitt 18 Monate aushalten, ist sie jetzt schon seit einigen Jahren dabei und kann uns deshalb die verrücktesten und berührendsten Geschichten erzählen. Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Manches, was eine Pferdeärztin tun muss, ist nicht sehr appetitlich. Gibt’s Schwierigkeiten bei einer Geburt oder ist was mit der Verdauung, bleibt ihr nichts anderes übrig, als den langen Handschuh anzuziehen und, nun ja, vor Ort nach dem rechten zu sehen. Oder, besser gesagt: zu fühlen.
Die Autorin beschönigt nichts
Das beschönigt die Autorin ebenso wenig wie ihre gelegentliche Unsicherheit, ihre Zweifel und Unzulänglichkeiten: Ja, sie hat noch nicht die jahrzehntelange Berufserfahrung ihres Chefs (wie auch?). Okay, sie hat auch nicht immer alles so im Griff, wie es wünschenswert wäre. Würde sonst einer ihrer Hunde, die sie zu ihren Terminen begleiten, auf einem Hof ein Huhn reißen? Oder regelmäßig den Nachbarskatzen das Futter wegfressen? Und sie sollte den Menschen gegenüber wohl auch etwas diplomatischer sein. Aber dafür ist sie einfach zu impulsiv. Die Leut‘ können schon froh sein, dass sie nicht auch noch hören, was Helga denkt! Uns Leser:innen verrät sie es. 😉
Wie gesagt: Das Leben als mobile Pferdetierärztin ist kein Ponyhof. Es gibt viele wunderbare Augenblicke, wenn sie Tieren helfen kann und Patient, Besitzer und sie selbst froh und erleichtert sind. Aber nicht alle Tiere kann sie retten. Und das geht ihr nahe.
Der Stress fordert seinen Tribut
Der ständige Stress fordert irgendwann seinen Tribut: Helga fühlt sich müde, ausgelaugt und unkonzentriert. Sie schleppt sich trotzdem zur Arbeit und beginnt Fehler zu machen. Und wie wir alle wissen: Im medizinischen Bereich kann das dramatisch enden!
Endlich hat sie Urlaub. Und was macht sie da? Am Strand liegen und entspannen? Von wegen! In Tansania unentgeltlich Tiere behandeln! Dass sie da wertvolle Hilfe leistet und die Menschen unendlich dankbar sind, macht sie glücklich. Eine wirkliche Erholung ist das aber nicht …
Ein tierisch interessanter Beruf
Von Pferden verstehe ich nicht viel, ich verfüge lediglich über ein wenig angelesenes Wissen. Manche Begriffe wie z.B. „Nasenbremse“, „Schlundverstopfung“ oder „Nasenschlundsonde“ hatte ich noch nie zuvor gehört. Aber egal. Ich habe dieses Buch als eine der „Job-Geschichten“ gelesen, die ich so liebe. Ich finde die Einblicke in anderer Leute Berufsleben einfach tierisch interessant. Und: wieder eine Tätigkeit, bei der ich froh bin, dass sich andere darum reißen. Für mich wäre das nichts! Und ich finde es gut, dass die Autorin ihre Arbeit nicht romantisch verklärt.
Sollte sich jemand in meinem Umfeld je mit dem Gedanken tragen, Pferdetierarzt/Pferdetierärztin werden zu wollen, würde ich ihm/ihr dieses Buch wärmstens ans Herz legen, damit gleich klar ist, was da auf einen zukommt. Man muss schon über eine besondere Zähigkeit verfügen, um diese Arbeit gut und vor allem gern zu machen.
Sympathische Heldin, abwechslungsreiche Episoden
Erbsenzählende Leserinnen werden in dem Buch ein paar Kleinigkeiten finden. (Eine Wohnung, in der nur die allernötigsten Möbel stehen, ist spartanisch eingerichtet, nicht sporadisch. Na ja, die Grobrichtung stimmt … hat beides was mit Griechenland zu tun.) Sei’s drum! Die raubeinig wirkende Heldin fand ich sympathisch, die geschilderten Episoden abwechslungsreich, unterhaltsam und obendrein informativ. Ich kann’s empfehlen. Nur allzu zart besaitet sollte man als Leser:in nicht sein.
Die Autorin
Helga Kausel, geb. Meier, Jahrgang 1989, ist eine österreichische Tierärztin und Influencerin (@travelling_vet und @_travelling_family). Nach vielen Jahren des Studiums und des Reisens hat sie 2015 ihren Job als mobile Tierärztin in Bayern angenommen Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie in Niederösterreich.
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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
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