Heike Abidi, Anja Koeseling (Hrsg.): Willkommen in der Bürohölle

Heike Abidi, Anja Koeseling (Hrsg.): Willkommen in der Bürohölle. Von schrecklichen Chefs, fiesen Kollegen und unfähigen Untergebenen. Hamburg 2016, Eden Books, ein Verlag der Edel Germany GmbH, ISBN 978-3-959-10045-8, Softcover, Format: 19,3 x 12,6 x 2 cm, Buch: EUR 9,95 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 7,99.

Abbildung: (c) Eden Verlag
Abbildung: (c) Eden Verlag

Beim Thema „Bürohölle“ kann jeder mitreden, der irgendwann mal im Leben angestellt war. Da gibt’s despotische Chefs, unerträgliche Arbeitsbedingungen, meschuggene Kollegen, anstrengende Kunden und, wenn man bereits Führungsverantwortung hat(te), auch noch unfähige und unwillige Mitarbeiter. Ich nehme an, dass es da für die beiden Herausgeberinnen ein Leichtes war, 20 kompetente Autorinnen und Autoren zusammenzutrommeln, die insgesamt 25 amüsante Kurzgeschichten zu den folgenden Themenbereichen geschrieben haben:

  1. DER FISCH STINKT VOM KOPF HER – Mitarbeiter über die da oben
  2. ALLEIN UNTER WAHNSINNIGEN – Kollegen reden Tacheles
  3. ES IST SO SCHWER, GUTES PERSONAL ZU FINDEN – Chefs berichten aus ihrem Alltag

Wir wissen ja: Die verrücktesten Geschichten schreibt das Leben selbst. Einige Verfasser konnten sicher auf eigene Erlebnisse oder die von Freunden und Verwandten zurückgreifen. Sie brauchten diese nur ein kleines bisschen zu überspitzen um aus einer überstandenen Jobkatastrophe eine Geschichte zum Kichern, Grinsen oder Schmunzeln zu machen. Der Leser ist in diesem Fall Leidensgenosse und Komplize – er kennt den Bürowahnsinn ja auch.

Wenn der Chef den Laden nicht im Griff hat


Im ersten Teil plaudern zum Beispiel Firmenneulinge, Zeitarbeiter und Putzfrauen aus dem Nähkästchen. Wenn man ein wenig Distanz zur jeweiligen Arbeitsumgebung hat, fällt einem so mancher Irrsinn viel deutlicher auf als wenn man mittendrin steckt. Und so kommen wir in den Genuss folgender Begebenheiten: Weiß eigentlich irgendwer, was die angeblich unentbehrliche Kollegin Berger den ganzen Tag macht? Ihre neue Assistentin findet’s heraus (EINSCANNEN, AUSDRUCKEN, ABHEFTEN, Seite 15). – Welchen Eindruck hat einer von der Arbeitswelt, der seit 20 Jahren als Zeitarbeiter durch die Büros der Nation tingelt (NENNT MICH JOKER, Seite 29)? – Und was die Leute alles mitkriegen, die eigentlich nur die Büroräume reinigen sollten, darf man keinesfalls unterschätzen (ICH BIN HIER NUR DIE PUTZFRAU, Seite 54).

Der Wahnsinn in Familienbetrieben unterscheidet sich von dem in großen Konzernen und in einer Werbeagentur spinnt man anders als beispielsweise in der Automobilbranche. Aber das sind nur Äußerlichkeiten. Wenn die Chefs ihren Kram nicht im Griff haben, kann das alles nichts werden.

Kollegen aus der Hölle


Auch die lieben Kollegen können einem das Leben zur Hölle machen, wie der zweite Teil zeigt: Ob’s zerstreute Exzentriker sind (TYPISCH MÜLLER, Seite 139), oder solche die sich mehr um ihre Figurprobleme kümmern als um die Arbeit (DICK IM GESCHÄFT?, SEITE 166), Leute, die absolut gar nichts tun (WARUM LÄCHELT MONA LISA?, Seite 180) oder Spezialisten wie der übergriffige PR-Mensch, der zu jedem Buch ein paar nervige Kommentare parat hat und seinen Kollegen regelmäßig die Feierabendlektüre vermiest (SPOILERALARM, Seite 231). Doch der Held der Geschichte wird’s ihm heimzahlen …

Vorgesetzte sind auch Menschen


Dass Chefs auch Menschen sind, die in ihrer Bürohölle ihre Probleme haben, macht uns der dritte Teil bewusst: Ganz zauberhaft fand ich die Geschichte UNGEWÖHNLICH BUNT (Seite 263): Die schrille Punkerin, die zum Vorstellungsgespräch erscheint, hat nichts mit der adretten Blondine auf dem Bewerberfoto gemein. Aber sie ist nun mal eine gute Freundin der Tochter … Ein Bewerberproblem bekommt auch Chefin Ute, als ein attraktiver Mann gerne ihr Assistent werden möchte (ASSISTENT/IN GESUCHT, Seite 284). – Ein wahres Kandidaten-Gruselkabinett muss sich der Abteilungsleiter des User-Help-Desk antun, um eine Stelle im Callcenter besetzen zu können. Er tut einem richtig leid. (BEWERBERBINGO, SEITE 297). – Ein besonders dreister Mitarbeiter ist der neue Creative-Director der Werbeagentur Grün-Weiß. Was der sich leistet, das hätte sich Firmengründer Sebastian nicht in seinen schlimmsten Albträumen ausmalen können (MONEY FOR NOTHING, Seite 310). Und Abteilungsleiter Krömer, der immer so viel Wert auf Respekt und korrektes Verhalten legt, muss die schmerzliche Erfahrung machen, dass ihn niemand mehr ernst nimmt (EINE FRAGE DES ANSTANDS, Seite 331).

Typologien der Chefs, Kollegen und Mitarbeiter


Besonders unterhaltsam für den Leser sind die verschiedenen Typologien, die jedem Kapitel vorangestellt sind:

 

  1. KEINE ANGST VOR HOHEN TIEREN – Chef-Typen und wie man sie zähmt (Seite 11).Man kann gar nicht anders, als alle Vorgesetzten, die man jemals hatte, irgendwo einzusortieren. Ich habe demzufolge schon für Gorillas, Buckelwale und ein Rhinozeros gearbeitet sowie ein paar Tiger und Pfauen kommen und gehen gesehen. 😀
  2. OTTO NORMALKOLLEGE UND ERIKA MUSTERKOLLEGIN – Typen gibt’s … Auch in Ihrem Büro? (Seite 111)
    Auch in dieser Liste findet man sich und andere problemlos wieder.
  3. DIE TOP TEN DER „EIGENTLICH BIN ICH“-TYPEN – ODER: Mitarbeiter, die die Welt nicht braucht (Seite 251)
    Hier erwartet uns eine Reihe von verkannten Stars und Genies, die ihre Gedanken überall haben, nur nicht bei der Arbeit. Ganz fair finde ich diese Auflistung allerdings nicht. Wer definiert sich schon ausschließlich über den Beruf? Dann sieht sich eben einer als Familienmensch, Umweltschützer oder Sportler und erst in zweiter Linie als Graphiker, Kaufmann oder Ingenieur. Solange er seinen Job anständig macht … Aber als Chef hat man da eben strengere Maßstäbe.

Die Verfasser bleiben anonym


Am Schluss des Buchs finden wir die Kurzbiographien der beteiligten Autorinnen und Autoren. Traditionell erfährt man in den Anthologien von Heike Abidi und Anja Koeseling nie, welcher Autor welchen Text geschrieben hat. Die einzigen Geschichten, deren Urheber ich immer zweifelsfrei identifizieren kann, sind die des Journalisten Akram El-Bahays. Bei diesem sensiblen Thema ist es vielleicht auch besser, wenn die Verfasser anonym bleiben. Nicht, dass sich noch ein Bürohöllenfürst wiedererkennt und beleidigt ist. So etwas kann ja üble Konsequenzen haben.

Alle, die nicht befürchten müssen, in dem Buch absichtlich porträtiert worden zu sein, können diese höchst vergnügliche Lektüre unbeschwert genießen.

Die Autorinnen und Autoren
Heike Abidi, Kerstin Bätz, Volker Bätz, Susanne Böckle, Nicolas Brandenburg, Ursi Breidenbach, Julia Dombrowski, Akram El-Bahays, Paul Faber, Christa Goede, Moritz Hampel, Andreas Kammel, Verena Napiontek, Petra Plaum, Heike Eva Schmidt, Heike Schulz, Andrea Schütze, Mina Teichert, Tino Schrödl, Friedrich Wolf, Manuela Wolfermann

Die Herausgeberinnen
Heike Abidi, Jahrgang 1965, ist studierte Sprachwissenschaftlerin. Sie lebt mit Mann, Sohn und Hund in der Pfalz bei Kaiserslautern, wo sie als freiberufliche Werbetexterin und Autorin arbeitet. Heike Abidi schreibt vor allem Unterhaltungsromane für Erwachsene sowie Jugendliche und Kinder. Sie veröffentlicht auch unter dem Pseudonym Emma Conrad und – zusammen mit der Co-Autorin Tanja Janz – unter den gemeinsamen Pseudonymen Jana Fuchs sowie Maya Seidensticker.

Anja Koeseling, geboren 1974, war als Journalistin und Publizistin tätig, bevor sie anfing, im Marketingbereich zu arbeiten. 2008 gründete sie die Literaturagentur Scriptzz mit Sitz in Berlin.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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