Alexandra Burt: Remember Mia. Thriller

Alexandra Burt: Remember Mia. Thriller, OT: Remember Mia, Deutsch von Susanne Goga-Klinkenberg, München 2016, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-26101-2, Softcover/Klappenbroschur, 383 Seiten, Format: 13,6 x 4 x 21 cm, Buch: EUR 14,90 (D), EUR 15,20 (A), Kindle Edition: EUR 12,99, auch als Hörbuch lieferbar.

Abbildung: (c) dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Abbildung: (c) dtv Deutscher Taschenbuch Verlag

Estelle Paradise aus Brooklyn, 27, Mutter einer 7 Monate alten Tochter, wird dem Tode nahe aus einem Autowrack geborgen. Ihre Verletzungen rühren nicht nur vom Unfall her, sie hat auch eine Schusswunde. Und sie kann sich nicht daran erinnern, wo ihre Tochter Mia ist. Sicher nicht beim Kindsvater in Chicago! Freunde oder Verwandte, die hätten babysitten können, hat die junge Frau hier nicht. Das Kind ist verschwunden.

Die „Amnesie-Mutter“ ist ein gefundenes Fressen für die Medien. Hat Estelle ihr Töchterchen umgebracht und die Tatsache verdrängt? Oder täuscht sie die Erinnerungslücken gar nur vor?

Wo ist Baby Mia?


Ihr Noch-Ehemann Jack Connor lässt Estelle, nachdem sie körperlich einigermaßen wiederhergestellt ist, in die Psychiatrie einweisen. Dr. Solska Ari, ihr behandelnder Therapeut, macht ihr von Anfang an klar, dass die Therapie kein Spaziergang werden wird. Er will ihr helfen, sich zu erinnern, was mit Mia geschehen ist, aber sie muss ihm vertrauen.

Erinnern kann Estelle sich ihre Kindheit in einem lieblosen Elternhaus. Ihr Vater war ein vielbeschäftigter Architekt, ihre Mutter eine Fotografin, die in ihren Kindern ein lästiges Karrierehindernis sah. Als Estelle 11 war, verloren die Paradise-Geschwister ihre Eltern. Anthony, 18, ging zum Militär, Estelle kam zu einer Tante nach New Jersey, die aber keinerlei Interesse an dem Mädchen hatte. Erinnerungsstücke aus ihrem alten Leben durfte die Kleine nicht mitnehmen. „Es wird schon nicht so schlimm werden“, sagte Anthony und ich spürte, wie etwas in mir riss und meinen Körper verließ. Von da an fühlte ich nichts mehr.“ (Seite 162)

Diese Vorgeschichte erklärt manches im Verhalten der etwas sperrigen Heldin Estelle. Den erstbesten Kerl, der sich um sie bemüht, heiratet sie, obwohl er gar nicht zu ihr passt, und bricht jeglichen Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie ab. Für den ehrgeizigen Juristen Jack Connor ist seine Ehefrau bald eine Riesenenttäuschung: keine „Heilige“ wie seine Mutter, sondern eine distanzierte, depressive junge Frau, die mit dem gemeinsamen Kind heillos überfordert ist.

Was ist Wahn und was ist Wahrheit?


Die kleine Mia hat ständig Koliken und brüllt Tag und Nacht. Estelle rennt mit dem Baby von Arzt zu Arzt und verursacht horrende Behandlungskosten, aber niemand erkennt, dass es die Mutter ist, die ein Problem hat: eine postpartale Depression, die langsam in eine Psychose übergeht. Bald kann sie nicht mehr zwischen Realität und Einbildung unterscheiden. War jemand in der Wohnung oder hat sie selbst die Dinge umgeräumt und es nur vergessen? Jack hält das alles nicht mehr aus, nimmt eine Stelle in Chicago an und lässt Estelle mit dem Kind in dem baufälligen Haus in Brooklyn zurück.

Als Mia eines Morgens nicht in ihrem Bettchen liegt, ist Estelle nicht einmal sicher, ob das Kind wirklich existiert hat, denn sämtliche Babysachen sind ebenfalls verschwunden. Also traut sie sich auch nicht zur Polizei.

Mias Mutter gibt nicht auf


Es dauert Monate der Therapie, bis sie die Erinnerungsfetzen zusammensetzen kann und ihr klar wird, wie nahe sie kurz vor dem Unfall dran war, Mia aufzuspüren. Sie ist überzeugt davon, zu wissen, wer ihre Tochter entführt hat und warum. Aber man hat ihr damals nicht geglaubt und glaubt ihr jetzt wieder nicht. Für alle Welt ist Estelle Paradise eine Kindsmörderin, der man lediglich nichts nachweisen kann. Und so landet die Vermisstensache Mia Paradise Connor irgendwann bei den ungelösten Fällen.

Die Behörden mögen aufgegeben haben Mia und ihre mutmaßlichen Entführer zu suchen, Estelle Paradise nicht. Auch nicht nach fünf Jahren …

REMEMBER MIA ist ein sehr „nordamerikanischer“ Thriller und erinnert mich ein bisschen an die packenden Bücher von Joy Fielding, die meine Kolleginnen und ich in den Neunzigerjahren verschlungen haben. Sowas kann man also auch schreiben, wenn man aus dem hessischen Fulda stammt und erst im Erwachsenenalter in die USA ausgewandert ist. 😉

Als Leser glaubt man nicht, dass Estelle ihrem Baby etwas angetan hat, auch wenn sie völlig durcheinander ist. Man will, genau wie die Heldin, Mias Schicksal unbedingt geklärt wissen.

Statt „gut“ und „böse“ gibt es hier verschiedene Abstufungen von „traumatisiert“ und „psychotisch“. Es treffen mehrere entsprechend vorbelastete Menschen aufeinander, deren Handlungen sich gegenseitig hochschaukeln. Hätte einer von ihnen rechtzeitig Hilfe bekommen, wäre nichts von alledem passiert. Jetzt wäre es interessant gewesen zu sehen, ob der Teufelskreis nun durchbrochen werden kann oder ob das schreckliche Spiel nun unter anderen Vorzeichen aufs Neue losgeht. Doch das bleibt unserer Phantasie überlassen. Von diesem Standpunkt aus gesehen ist der Schluss des Romans nicht der Schluss der Geschichte.

Die Autorin
Alexandra Burt wurde in Fulda geboren und ging nach dem Studium in die USA. Sie lebt mit ihrer Familie in Texas.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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