Alessia Gazzola: Warum ich trotzdem an Happy Ends glaube. Roman

Alessia Gazzola: Warum ich trotzdem an Happy Ends glaube. Roman, OT: Non è la fine del mondo, aus dem Italienischen von Renée Legrand, München/Wien 2018, Thiele & Brandstätter Verlag, ISBN 978-3-85179-407-6, Klappenbroschur, 269 Seiten, Format: 13,5 x 2,7 x 20,5 cm, Buch: EUR 15,00, Kindle Edition: EUR 11,99.

Abbildung: (c) Thiele & Brandstätter Verlag

Ein wenig liest sich dieser Bestseller aus Italien wie eine moderne, ein wenig selbstironische Variante eines Jane-Austen-Romans.

Emma le Tessent, Tochter einer Italienerin und eines britischen Adeligen, der ein ganz schöner Hallodri gewesen sein muss, ist 30 Jahre alt, hat einen Master in romanischer Philologie und Sprachwissenschaften, spricht vier Sprachen fließend und hangelt sich seit Jahren von einem mies bezahlten Praktikum zum nächsten. Der Arbeitgeber ist immer derselbe: Die Fairmont Holding Italia, die Tochtergesellschaft einer amerikanischen Filmproduktionsfirma.

Emma lebt bei ihrer Mutter, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten kann. Seit Carlo, ihr langjähriger verheirateter Geliebter, mit ihr Schluss gemacht hat, ist sie Single.

Natürlich hat sie Träume:

  • Eine Karriere in der Abteilung Rechte und Lizenzen einer Filmproduktionsfirma wäre schön.
  • Dem extravaganten italienisch-japanischen Romanautor Tameyoshi Tessai die Filmrechte an seinem Buch SCHÖNHEIT DER FINSTERNIS abzuschwatzen, wäre ein Coup. Das haben nämlich schon viele andere erfolglos versucht.
  • In der verlassenen Glyzinien-Villa in der Via Barnaba Oriani zu wohnen, das wäre das Paradies.
  • Und sollte sie sich jemals neu verlieben, dann müsste es ein Kerl sein wie aus einem Regency-Roman.

Und wie stehen die Chancen, dass irgend etwas davon wahr wird?

  • Mit der Karriere schaut’s derzeit schlecht aus. Ihr Arbeitgeber schwächelt und Emma kann froh sein, wenn sie ihren unterbezahlten Praktikantenjob behalten kann.
  • Ihre Chancen, den sperrigen Autor zu bezirzen, stehen deutlich besser. Ihre Mutter war mit seinem Verleger befreundet, dem jüngst verstorbenen Grigorio Sinibaldi. Emma trifft sich manchmal privat mit Tassei.
  • Die Glyzinien-Villa wird wohl auf ewig ein Traum bleiben. Mit einer Praktikantenvergütung von sechshundert Euro im Monat kann man keine Immobilie kaufen.
  • Und was die Männer angeht: Da ist weit und breit kein Regency-Held in Sicht. Nur Sprücheklopfer und drittklassige Schauspieler.

Ein mieser Job ist besser als keiner


Emma strampelt sich vergeblich ab, um es allen recht zu machen: ihrem Chef in der Firma, der Mutter daheim und ihrer hysterischen Schwester Arabella, die mit einem notorischen Fremdgänger verheiratet und mit ihren zwei Kindern heillos überfordert ist. Und dann verliert Emma ihren Praktikantenjob. Die Stelle wird eingespart. Ihre Praktikanten-Kollegin Maria Giulia darf bleiben – aus Gründen, die Emma stinkwütend machen.

Sie bewirbt sich unermüdlich, aber niemand will ihr eine Chance geben. Ein Vorstellungsgespräch bei der Produktionsfirma Waldau verläuft desaströs. Offenbar hat der Freund eines Freundes, der lediglich diskret hätte vorfühlen sollen, den zuständigen Entscheidungsträger, Dr. Pietro Scalzi, derart unter Druck gesetzt, dass dieser jetzt seine Wut an der ahnungslosen Bewerberin auslässt. Emma tut das einzig Richtige: Sie steht auf und geht.

Mit der Filmebranche ist sie fertig


Mit dem Thema Filmemachen ist sie fürs erste durch. Sie bewirbt sich als Aushilfe in einem exklusiven Kindermodegeschäft. Zwar hat Emma weder Ahnung vom Nähen noch vom Verkaufen, doch die Inhaberin, Vittoria Airoldi, eine Dame in den Siebzigern, ist trotzdem bereit, ihr eine Chance zu geben und ihr das Nötige beizubringen. Wenn Emma die Familienverhältnisse ihrer Chefin vorher gekannt hätte, hätte sie nie im Leben dort angefangen! Aber, wie so oft, wusste sie von nichts und steht bald wieder mal dumm da.

Auch in ihrer eigenen Familie sind die Verhältnisse kompliziert. Als sie bei einer Aufräumaktion daheim einen alten Brief findet, wird ihr klar, wie wenig sie über das Leben ihrer Mutter weiß. Was der Verleger Sinibaldi wirklich für sie? Nur ein treuer Freund der Familie? Ein Liebhaber? Und wie passt der Autor Tassei hier ins Bild?

Und weil wir gerade bei Rätseln und Geheimnissen sind: Was will eigentlich Emmas Schwester Arabella? Diesen Mann, jenen Mann oder gar keinen Mann? Sie taumelt von einer Krise in die nächste und erwartet ständig, dass Emma sie rettet, tröstet und entlastet.

Zwischen Pest und Cholera


Beruflich wird’s nun interessant für Emma: Auf einmal könnte sie ihren alten Job wiederhaben, und auch bei Waldau tut sich doch noch eine Chance auf. Der künstlerische Anspruch des arroganten Arthouse-Schnösels Dr. Pietro Scalzi sagt ihr mehr zu als der massentaugliche Schrott, den Fairmont produziert. Doch wie sie sich auch entscheiden mag: Fairmont ist eine Schlangengrube und Waldau ebenfalls. Die nehmen sich nichts. Mobber, Schleimer, Intriganten, wohin man auch schaut! Wenigstens werden die Waldau-Mitarbeiter halbwegs anständig bezahlt. Und der Chef sieht gut aus.

Längst empfindet Emma mehr für Scalzi als nur berufliche Loyalität. Doch der kapiert es nicht oder hängt noch zu sehr an seiner Ex. Und dann kommt es wie so oft in der Kreativbranche: Personelle Turbulenzen wirbeln ein Unternehmen durcheinander. Ein paar alte Rechnungen werden beglichen, und auf einmal trennt ein ganzer Ozean die arme Emma von dem Mann, den sie heimlich liebt.

Von ihren Träumen scheint sie nur dem Punkt „Karriere“ ein Stückchen näher gekommen zu sein. Alles andere ist weiter weg denn je …

Mit Hoffnung und Geduld zum Ziel?


Ach, Emma! Viele LeserInnen werden es ihr nachfühlen können: Immer ist ein anderer schneller, rücksichtsloser, egoistischer und raffinierter als sie und drückt seine eigenen Interessen durch, noch ehe sie überhaupt weiß, was gespielt wird. Und, schwupps, hat sie wieder den Kürzeren gezogen. Mit Eigenschaften wie klug, brav, fleißig und anständig kommt man einfach nicht weiter im Leben.

Warum Emma trotzdem noch an Happy Ends glaubt? Weil sie Optimistin ist und vielleicht ein bisschen naiv. Und weil sie warten kann. Manchmal muss man nämlich gar nicht schnell, rücksichtslos und raffiniert sein, sagt sie sich. Manchmal kommt eine Chance auch einfach so des Weges. Aber dann darf man nicht zögern. Dann muss man blitzschnell zugreifen.

Ob sie es schafft, in der heutigen Ellenbogengesellschaft mit altmodischen Tugenden wie Anstand, Geduld und Hoffnung ihr Glück zu machen?

WARUM ICH IMMER NOCH AN HAPPY ENDS GLAUBE bietet charmante Unterhaltung mit einem Schuss Humor – leicht aber nicht seicht. Nur zu gut kann man sich in Pechvogel Emma hineinversetzen. Man wünscht ihr mehr Biss, damit sie sich endlich mal erfolgreich gegen all die Schleimbeutel und Parasiten zur Wehr setzen kann, die es sich auf ihre Kosten gut gehen lassen. Nur nett und kompetent zu sein und aufs Glück zu warten, reicht nämlich nicht. Ein bisschen etwas muss man auch selber tun. Wenn sie das rechtzeitig begreift, dürfte auch die Erfüllung ihrer Träume ein bisschen näher rücken.

Die Autorin
Alessia Gazzola, 1982 in Messina geboren, ist Chirurgin und Gerichtsmedizinerin. Sie reist, liest und kocht gerne. Mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Töchtern lebt sie in Verona. Sie schrieb erfolgreich Kriminalromane um eine Gerichtsmedizinerin bevor sie mit der Komödie WARUM ICH TROTZDEM AN HAPPY ENDS glaube einen echten Coup landete. Das Buch war monatelang in den Top-Ten der italienischen Bestsellerliste.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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