Jürgen Wagner: Die Würde der Tiere, Gedichte und Texte

Abbildung: epubli-Verlag

Jürgen Wagner: Die Würde der Tiere, Gedichte und Texte, Berlin 2015, epubli Verlag, ISBN 978-3737558747, Softcover, 104 Seiten mit zahlreichen s/w-Abbildungen, Format: 14,8 x 21 x 0,5 cm, EUR 7,49.

„Immer noch geschieht viel zu viel an Missbrauch und gedankenloser Jägerei. Auf Dauer braucht es wohl ein kollektives Umdenken, wenn er wir erkennen, dass nicht nur der Mitmensch, sondern auch das Tier unser ständiger Gefährte und Geselle war und ist, ohne den unser Leben nicht möglich wäre.“ (Zitat aus dem Klappentext)

Der Mensch hält sich für die Krone der Schöpfung und leitet daraus das Recht ab, mit den Tieren dieser Welt zu verfahren, wie es ihm beliebt. Und da geschieht massives Unrecht. Dem Autor ist sehr daran gelegen, dass der Mensch seinen Mitgeschöpfen Achtung und Respekt entgegenbringt. Denn:
„Jedes Tier hat, wie wir auch, seine besondere Intelligenz, seine speziellen Fähigkeiten, seine besondere Einbindung in seine Umwelt.“ (Seite 9).

Statt uns so viel auf unsere vermeintliche Überlegenheit einzubilden, sollten wir die Tiere bewusst betrachten und wahrnehmen. Dann erkennen wir sie (hoffentlich) als wunderbare Geschöpfe der Natur – und nicht als etwas, das wir uferlos ausbeuten können und sollen. Dass dieser Erkenntnisgewinn in konsequenten Vegetarismus münden muss, fordert Jürgen Wagner nicht. Er stellt jedem Leser, jeder Leserin diese Entscheidung anheim.

Mit Gedichten, ergänzenden Sachtexten und Schwarzweißfotos bringt er uns die Tierwelt nahe.
Im ersten Kapitel geht es um die Beziehung zwischen MENSCH UND TIER: um Dressur und Artensterben, Tierversuche und Nutztierhaltung, die Domestizierung und die Würde der Tiere.

Und es stimmt schon: Wenn man den Sachverhalt einmal umkehrt, wird klar, wie bizarr und unwürdig manches ist, was wir Menschen tun. Zum Thema Dressur schreibt der Autor:

„Vielleicht sollt’ man mal uns dressieren
wie man läuft auf allen vieren
wie man grunzt und wie man bellt
– und mal die Tierwelt unterhält.“ (Seite 19)

Im zweiten Kapitel stellt er uns EINZELNE TIERARTEN vor, in ihrem natürlichen Lebensraum, an den sie mit perfekt angepasst sind. Besonders interessant sind die Beiträge über die Buckelwale. Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, wie das Landsäugetier wohl ausgesehen haben mag, das sich vor 50 Millionen Jahren an ein Leben im Wasser anpasste und zum Urahn der Wale wurde. Jürgen Wagner beschreibt das Tier – den Indohyus – und präsentiert uns nicht nur eine Abbildung, sondern sogar noch einen lebenden Verwandten: das afrikanische Hirschferkel. Das ist ein bisschen größer als ein Dackel, und wenn man sich dann so einen Buckelwal anschaut, kommt man schon ins Grübeln. Das kann Evolution? Wahnsinn!

Auch über Eule, Stare und Pinguine, Bär und Elefant, Hühner und Sittiche, Hunde und Katzen, Bienen und Mauersegler, Reh und Biber erfahren wir so manches Interessante.

LUSTIGES UND LEHRREICHES schließt sich im dritten Kapitel an. Schließlich kann man ein ernstes Thema auch von der heiteren Seite angehen. Da gibt’s ein Streitgespräch zwischen Huhn und Papagei, eine Arbeitsplatzdiskussion zwischen Frosch, Ente, Reiher und Fisch, Betrachtungen über tierische und menschliche Unken sowie über die Gleichberechtigung bei Tauben. Die „Tierepisoden“ sind eine lustige Blödelei, während es bei „Der Schmetterling“ philosophisch wird. „Der Angsthase“ ist eine gereimte Biologie-Lektion. Das trifft auch auf den „Der Steinbeißer“ zu, nur dass dieses Gedicht mit einer Art „Moral von der Geschicht“ schließt.
Man kann gar nicht anders, als angesichts dieser Vielfalt über die Wunder der Natur ins Staunen und ins Schwärmen zu geraten. Auch wenn jetzt nicht jedes Gedicht von Reim und Rhythmus her hundertprozentig perfekt sitzt.

Ich wünsche dem Autor, dass seine Botschaft die Hirne und Herzen der Mitmenschen erreicht, doch habe ich immer den Verdacht, dass Bücher über Tiere vorwiegend von solchen Menschen gelesen werden, die ohnehin schon der Meinung sind, dass die Natur ein schützenswertes Gut sei.

Die Fotos und Illustrationen sind hier mehr als nur Dekoration. Sie führen uns das, was der Verfasser beschreibt, zusätzlich bildhaft vor Augen. Normalerweise rate ich Selfpublishern von der Illustration ihrer Bücher ab, wenn sie nicht selbst fotografieren oder zeichnen, weil ich den Aufwand der Bildrechteklärung kenne und auch die Risiken, wenn man da einen Fehler macht. Aber hier ist der Einsatz von Bildmaterial sinnvoll.

Eine kleine Äußerlichkeit noch, auf die der Autor allerdings keinen Einfluss hat, weil das Sache der Buchproduktion ist: Nachdem ich das Buch zwei Tage lang in der Handtasche und im Rucksack mit mir herumgeschleppt und gründlich gelesen habe, löst sich so langsam die Folie vom laminierten Cover. Besonders strapazierfähig ist der Einband also nicht. Man muss das Buch schon pfleglich behandeln. Irgendwie passt das fragile Buchcover zum Thema Natur: Wenn wir mit ihr nicht achtsam umgehen, geht sie auch kaputt …

Der Autor
Jürgen Wagner, Jahrgang 1957, hat Theologie und Philosophie in Tübingen, Jerusalem und Hamburg studiert, über ‚Gelassenheit‘ bei Meister Eckhart und Martin Heidegger promoviert und in verschiedenen Gemeinden als Evangelischer Pfarrer gearbeitet.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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