Cathrin Moeller: Mordsacker. Roman

Cathrin Moeller: Mordsacker. Roman, Hamburg 2017, Mira Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-95649-681-3, Softcover, 332 Seiten, Format: 12,4 x 2,8 x 18,5 cm, Buch: EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 8,99.

Abbildung: (c) Mira Taschenbuch Verlag

„Was mischte ich mich in fremde Angelegenheiten ein? Es konnte mir doch egal sein, was mit Siggi Schlönkamp passiert war. Aber nicht, dass über Paul als einen unfähigen Dorfsheriff hergezogen wurde. Das hatte er trotz aller Differenzen, die wir im Moment miteinander ausschwiegen, nicht verdient. Außerdem war es ja irgendwie meine Schuld, dass wir hier gelandet waren. Hach, ich hatte das Gefühl, etwas gutmachen zu müssen! Wenigstens werde ich seinen Ruf retten.“ (Seite 153)

Der Berliner Kriminalkommissar Martin Bach (52) hat undercover ermittelt. Durch eine unbedachte Aktion seiner Frau fliegt seine Legende auf und die ganze Familie kommt nach einem fingierten Autounfall ins Zeugenschutzprogramm – vom Ku’damm in ein Kuhdorf namens Mordsacker in Mecklenburg.

Durchs Zeugenschutzprogramm aufs platte Land


Aus Kriminalkommissar Martin Bach wird der Teilzeit-Dorfpolizist und Teilzeit-Landwirt Paul Himmel, aus Tochter Josefine (27), einer Herzchirurgin, die Landärztin Sophie und aus Ehefrau Franziska (47) eine gelangweilte frustrierte Hausfrau. Ehe es die bekennende Stadtpflanze Franziska aufs platte Land verschlagen hat, ist sie eine mäßig erfolgreiche Schauspielerin und sehr engagierte Mitarbeiterin der Akademie für Darstellende Künste gewesen.

In Berlin hatte Franzi – pardon: Klara – eine Hilfe im Haushalt und niemals hätte jemand von ihr verlangt, einen Kuchen zu backen. Davon hat sie nämlich keine Ahnung. Jetzt muss sie das aber schleunigst lernen, denn in einem Anfall von Selbstüberschätzung hat sie den örtlichen Landfrauen versprochen, für den Kuchenbasar anlässlich des Osterfeuers zwei Käsekuchen zu stiften. Vier Fehlversuche sind schon in den Müll gewandert. Aber was soll’s? Notfalls wird sie die Kuchen eben kaufen und den Dörflern nur vormachen, sie selbst gebacken zu haben. Wozu war sie schließlich mal Schauspielerin?

Der Zweck heiligt die Mittel und Wahrheit wird sowieso überbewertet, findet Klara. Nur uns Lesern gegenüber ist sie gnadenlos ehrlich und verschweigt keine noch so peinliche Panne. „Mir passieren aber auch immer Dinge, die sonst nur dämlichen Leuten passieren“, erklärt sie uns. (Seite 86).

Klara passt sich an


Auch wenn sie zunächst hochnäsig auftritt und mit edlen Markenklamotten im Dorfladen aufschlägt – es dauert nicht lange, und die Einwohner von Mordsacker erkennen, dass die Neue zwar ein paar komische städtische Macken hat, aber im Grunde ganz in Ordnung ist. Ruckzuck ist sie mit Karen, Steffi, Moni, Antje, Bärbel & Co. per Du.

Wenn es gegen ihre Familie geht, ist bei Klara aber Schluss mit lustig. Als sie zufällig hört, dass die Dorfbewohner an den beruflichen Fähigkeiten ihres Ehemanns zweifeln, kann sie das nicht einfach hinnehmen. Schließlich ist es ihre Schuld, dass Martins/Pauls Karriere ein so jähes Ende fand.

Mordermittlung als Imagepflege


So makaber es klingt: Aber ein ungeklärter Todesfall im Ort kommt Klara zur Imagepflege gerade recht. Nun kann Paul den Dörflern beweisen, was er für ein guter Polizist ist. Doch da wirft ihn eine schwere Angina aufs Krankenlager. Seine junge Mitarbeiterin ist mit den Ermittlungen überfordert und die Gefahr ist groß, dass nie jemand herausfinden wird, warum der erfahrene Landwirt Siggi Schlönkamp beim Reinigen seiner Güllegrube erstickt ist, wo er doch alle nötigen Vorkehrungen getroffen hatte. War’s ein Unfall? Oder doch ein Mord?

Wenn Paul krankheitshalber nicht ermitteln kann, denkt Klara, muss eben sie das übernehmen, damit es nicht heißt, die verschnarchten Dorfpolizisten bekämen nichts auf die Reihe. Sie traut sich das zu. Schließlich hat sie ja mal in einer Fernsehserie eine Polizistin gespielt.

Die Witwe von Bauer Schlönkamp und seine 18jährige Tochter, die zu allem Übel gerade mit einem Gipsbein durch die Gegend humpelt, sind alleine mit dem Bio-Schweinehof überfordert. Den polnischen Stallburschen hatte Siggi erst vor kurzem nach einem Streit gefeuert. Klara, obzwar völlig ahnungslos, bietet sich an, den Schlönkamp-Frauen bei der Arbeit zu helfen. Eine gute Gelegenheit, herumzuschnüffeln und die Damen auszuhorchen. Auch die gut informierten Landfrauen steuern ihre Informationen bei, und bald kann sich Klara vor Verdächtigen nicht mehr retten. Der Verstorbene muss ein ziemlicher Stinkstiefel gewesen sein, den eine Menge Leute gerne in die Güllegrube geschubst hätten.

Tätersuche mit fragwürdigen Methoden


Klara hat ihre liebe Not, ihren Haushalt, die Pflege ihres kranken Ehemanns und die heimlichen Ermittlungen unter einen Hut zu bringen. Langsam wird sie Expertin darin, sich unbemerkt aus dem Haus zu schleichen und in fremde Häuser einzusteigen. Blöd nur, dass sie unterwegs mal einen Bagatellunfall mit dem Familienauto baut und Fahrerflucht begeht. Polizistin Anette ermittelt in dem Fall und Klara zittert. Was wird geschehen, wenn Anette die Fingerabdrücke von der Fahrbahnrandmarkierung ins System eingibt und feststellt, dass sie der angeblich tödlich verunglückten Franziska Bach gehören? Und dass Franziska Bach niemand anderer ist als Klara Himmel?

Eingeweiht in Klaras kriminalistische Aktivitäten sind nur ihre Tochter Sophie und der junge Bestattungsunternehmer Benjamin. Ein paar Verbündete braucht sie ja – bei ihrem Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen!

Wird Klara den Fall aufklären, ohne ihre Ehe dabei zu riskieren und ohne dass ihre falsche Identität auffliegt? Und vor allem: Erwischt sie den Mörder, bevor er sie erwischt?

Die Heldin taumelt von einer Katastrophe und slapstickartigen Peinlichkeit in die nächste. Im Dienste ihrer „Mission“ scheut sie sich nicht zu lügen, zu stehlen, Unterschriften zu fälschen und Einbrüche zu begehen. Der Fall muss aufgeklärt werden und ihr Mann als strahlender Held dastehen, koste es, was es wolle.

Krimikomödie mit lästernder Heldin


Klaras Motiv ist nachvollziehbar, ihre Ehrlichkeit dem Leser gegenüber entwaffnend. Uneingeschränkt sympathisch kommt sie dennoch nicht rüber. Sie hat ihre Fehler. Mit großstädtischer Arroganz schaut sie auf die depperten Dörfler herab. Als ebenbürtig betrachtet sie allenfalls den Landarzt Dr. Nils Ackermann – Sophies Chef – sowie den Bestattungsunternehmer Benjamin Grube. Über die anderen lästert sie:
„Für welchen Kerl hatten sich die beiden Kühe auf Kalb getrimmt?“ (Seite 130).
Und: „Meine neuen Freundinnen fegten im bunten Discolicht hüftkreisend über die Grasnarben des Sportplatzes. ‚Atemlos einfach raus, deine Augen ziehen mich aus!’ Dabei mochte ich, und ich dachte, dass ich hier im Namen der anwesenden Herren sprach, mir nicht vorstellen, wie sie ohne ihre Tigerlilli- und Glitzershirts von Klingel, Wenz und Bader aussahen.“ (Seite 134).
Gut beobachtet, aber schon sehr fies. Manchmal prustet man los angesichts ihrer Dreistigkeit. Aber sehr viel mehr als die Damen, über die sie sich lustig macht, hat Klara im Leben auch nicht erreicht.

So ganz ernst ist die Geschichte nicht zu nehmen, dafür ist das, was Klara alles anzettelt, ein bisschen zu schräg. Sagen wir, MORDSACKER ist eine Krimikomödie, die auch ihre ernsten Momente hat. Sollte das Buch je verfilmt werden, dann hoffentlich nicht mit hektisch herumzappelnden und wild grimassierenden Berufs-Ulknudeln. Bei manchen Szenen drängt sich eine solche Umsetzung geradezu auf. Man sieht es beim Lesen schon vor sich. Aber Klara ist so darauf bedacht, selbst in den absurdesten Situationen Haltung zu bewahren, dass man ihr auf jeden Fall ihre Würde lassen sollte.

MORDSACKER ist eine unterhaltsame Krimikomödie, die bis zum überraschenden Schluss spannend bleibt – mit einer Heldin, der man ein bisschen zwiespältig gegenübersteht. Dass die überzeugte Städterin jetzt da leben muss, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, muss einem nicht leid tun. Man kann es als ausgleichende Gerechtigkeit betrachten.

Die Autorin
In der Grundschule ließ Cathrin Moeller noch andere für sich schreiben: Ihre Mutter verfasste die verhassten Deutsch-Aufsätze. Erst später, in ihrem Beruf als Theaterpädagogin, entdeckte sie den Spaß am Schreiben. Seitdem schleicht sie sich täglich morgens um fünf Uhr ins Wohnzimmer und kuschelt sich mit dem Hund Giovanni aufs Sofa, wo sie ihre Geschichten erfindet. Ihr Debütroman „Wolfgang muss weg!“ landete auf Anhieb auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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