Berndt Schulz: Wildwuchs. Ein Gartenkrimi, Meßkirch 2015, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-1887-7, Hardcover mit Lesebändchen, 374 Seiten, Format: 11,3 x 3,2 x 18,5 cm, Buch: EUR 12,99, Kindle Edition: EUR 4,99.
Im Garten hatte Kriminalkommissar Max Horner, inzwischen 70 und längst im Ruhestand, immer die besten Ideen für seine Fälle. Jetzt sollte er sich eigentlich aus allen Ermittlungen heraushalten, seine Freizeit genießen, sich um seinen Hund, seinen Garten und seinen Enkel kümmern und das Grab seiner vor sechs Jahren verstorbenen Frau pflegen, mit der er im Geiste immer noch Zwiesprache hält.
Ein Massaker in einer Gaststätte
Der aktuelle Fall seiner ehemaligen Kollegen ist allerdings so spektakulär, dass er gar nicht anders kann, als sich damit zu beschäftigen: In einer Nacht sind sieben Menschen in der Frankfurter Waldgaststätte „Oberschweinstiege“ erschossen worden: das spanische Gastwirtsehepaar und fünf seiner Angestellten, die gerade aufräumten und alles für den folgenden Arbeitstag vorbereiteten. Nur die vierjährige Tochter der Gastwirtin hat überlebt.
Von dem Mieter in der Dachgeschosswohnung, der mit dem Restaurantbetrieb nichts zu tun hat, scheinen die Mörder nichts gewusst zu haben. Der junge Mann ist ungeschoren davongekommen und hat von dem Überfall im Keller und Erdgeschoss des Gebäudes gar nichts mitgekriegt.
Die ganze Tat ist rätselhaft. Warum hat man die Opfer auf eine so merkwürdige Art gefesselt? Und wenn’s ein Raubüberfall war, warum hat man dann dem Kellner seine sündhaft teure Uhr und seine Goldkette gelassen? Hat das Attentat den Wirtsleuten gegolten und waren die Mitarbeiter nur ein Kollateralschaden? Oder war einer der Angestellten das Ziel?
Politik, Mafia oder persönliche Rache?
Fast alle waren spanischer Abstammung und zum Teil politisch aktiv. Hat das Massaker etwas mit einer spanischen Separatistenorganisation zu tun oder mit der Westsahara? Auch da führt eine Spur hin. War’s gar die Mafia? Ging’s um Schutzgelderpressung oder um Geldwäsche? Die Wirtsleute haben hohe Beträge im Casino von Bad Homburg verspielt. Auch Rache wäre denkbar … vielleicht von einem Konkurrenten oder einem gefeuerten Mitarbeiter. Und was meint die vierjährige Sonya, wenn sie „Nessie“ als Täter benennt?
Die Polizei ermittelt in alle Richtungen und Ruheständler Horner zapft seine alten Kontakte an und mischt sich ein – auch wenn seine aktiven Kollegen sich das nachdrücklich verbitten.
Wir Leser wissen von Anfang an etwas, das die Polizei erst mit der Zeit herausfindet: Vier gedungene Ganoven haben die Tat begangen, und sie haben ihren Auftrag gründlich vermasselt. Das, was sie hätten stehlen sollen, haben sie nicht gefunden. Und niemals war die Rede davon, dass jemand bei dieser Aktion sterben sollte.
Gefahr für den Kommissar a.D.
Wenn der Auftraggeber sein Ziel doch noch erreichen will, muss er noch einmal zuschlagen. Damit rechnet Max Horner. Aber er wäre nicht im Traum darauf gekommen, welche Rolle der mysteriöse Auftraggeber ihm dabei zugedacht hat …
So kurz zusammengefasst klingt die Geschichte deutlich spannender als sie tatsächlich ist. Sie basiert lose auf dem siebenfachen Mord in einem Chinarestaurant im niedersächsischen Sittensen im Jahr 2007. Vielleicht klebt der Autor zu sehr an seinen Recherche-Ergebnissen, jedenfalls wird hier sehr philosophiert, psychologisiert und beschrieben. Wenn man als Leser Zeit und Energie darauf verwenden muss, sich das Büro des Mieters oder die Küche des Kommissars vorzustellen, weil beides detailliert beschrieben wird, nur um festzustellen, dass das für den Fortgang der Geschichte absolut keine Rolle spielt, ärgert mich das. Das mag Geschmacksache sein. Mein Ding ist es nicht.
Der Spannungsbogen hängt durch
Nach weniger als der Hälfte der Geschichte ahnt man ungefähr, wie der Hase läuft und fragt sich, was die jetzt noch 200 Seiten lang tun wollen. Gut, der Kommissar a.D. legt sich noch schnell eine Geliebte zu, die halb so alt ist wie er. Erst sehr spät fragt er sich, in welcher Beziehung die junge Frau zu einer anderen Person steht, die in dem Fall eine zentrale Rolle spielt. Der Leser fragt sich das von der ersten Sekunde an, schließlich haben beide Personen den gleichen Nachnamen. Und sie heißen nicht gerade Müller, Maier oder Schmidt.
Gegen Schluss zieht die Geschichte doch etwas an: als der Kommissar persönlich von dem Fall betroffen ist und man sich fragen muss, ob die angeheuerten Ganoven wirklich so unfähig sind, wie es den Anschein hat, oder ob sie nicht die ganze Zeit eigene Ziele verfolgen …
Ich bin nicht für tumbe Action, aber hier wurde mir eindeutig zu viel theoretisiert. Nach dem Massaker passiert einfach nichts mehr. Oder fast nichts. Es wird nur noch spekuliert und geredet und geredet und geredet. So ähnlich werden Mordermittlungen im realen Leben wohl ablaufen, aber sonderlich spannend ist das nicht.
Der Autor
Berndt Schulz wurde 1942 in Berlin geboren. Er veröffentlichte zahlreiche Kriminalromane und Sachbücher. Außerdem ist Schulz unter dem Pseudonym Matthias Gerwald als Autor historischer Romane erfolgreich. Er lebt in Nordhessen und Frankfurt am Main.
Rezensent: Edith Nebel
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