Elly Sellers: Die kleine Kanzlei am Markt. Roman

Elly Sellers: Die kleine Kanzlei am Markt. Roman, Norderstedt 2018, BoD Books in Demand, 978-3-749-42982-0, Softcover, Format: 2,7 x 1,8 x 20,3 cm, Buch: EUR 11,00, Kindle: EUR 4,99.

Abbildung (c) BoD / Sellers

Ich liebe ja „Job-Geschichten“. In diesem Roman kann man zwei erfolgreichen Münchner Rechtsanwältinnen, Schwerpunkt Familienrecht, und ihrer tüchtigen und etwas übereifrigen Rechtsanwaltsfachangestellten über die Schultern sehen. Natürlich geht’s auch im Privatleben der drei Frauen ordentlich rund, und sie haben alle Hände voll zu tun, das Chaos zu bändigen.

RAin Kerstin Bärenreuther – die Familienfrau

Rechtsanwältin Kerstin Bärenreuther, 40, ist verheiratet, hat zwei Kinder, und würde den Spagat zwischen Vollzeitjob und Familie schaffen, wenn sie nicht auf die Kooperation ihres Mannes Mark zählen könnte. Er hat sein im Büro im Haus und kann sich zumindest einen Teil des Tages um Tochter und Sohn kümmern.

Kerstin hat’s gern harmonisch und übernimmt am liebsten einvernehmliche Scheidungen.

RAin Helen Binz, die frisch Verliebte

Kerstins Anwaltskollegin Helen Binz, 42, ist auf die streitigen Fälle spezialisiert. Mit ihren eigenen Beziehungen hatte sie bislang nicht viel Glück. Sie lebt allein. In Kürze jedoch wird ihre 24jährige Nichte Sarah aus den USA zurückkehren, sich in München niederlassen und vorübergehend bei ihr einziehen. Sarah hat zu Helen eine engere Beziehung als zu ihrer Mutter.

Dann geschieht das Unerwartete: Helen verliebt sich Hals über Kopf in einen chaotischen Mandanten ihrer Kanzlei, Rainer Bosch. Er macht ihr aber auch sehr engagiert den Hof. Wie dieser verpeilte Typ als Geschäftsführer eines Logistikunternehmens überleben kann, ist nicht nur den drei Damen von der Kanzlei ein Rätsel. Vermutlich hat er fähiges Personal. Das ist Gold wert.

Refa Grete Vogt, die Besonnene

Dies trifft auch auf die tüchtige Rechtsanwaltsfachangestellte Grete Vogt, 57, zu, die die Kanzlei organisatorisch fest im Griff hat. Sie ist so pflichtbewusst und diensteifrig, dass die Anwältinnen sie manchmal bremsen müssen, weil sie sonst das Regiment komplett übernehmen würde.

Als sie eines Tages krank zur Arbeit erscheint, schicken ihre Chefinnen sie nach Hause. Wie gut, dass Grete unerwartet früh dort eintrifft! So kriegt sie mit, dass ihr Mann Herbert, der seit kurzem in Rente ist, sehr vertraut mit einer fremden Frau telefoniert.

Grete Vogt ist keine, die so schnell die Fassung verliert. Sie berät sich mit ihren Chefinnen, die ja Expertinnen sind in Sachen angeschlagener Ehen, und fasst sich an die eigene Nase. Offensichtlich hat sie ihren Herbert in den letzten Jahren als Selbstverständlichkeit betrachtet und ist für ihn langweilig geworden. Statt ihm die Hölle heiß zu machen, widmet sie ihm mehr Aufmerksamkeit. Ein bisschen Eifersucht würde ihm aber auch nicht schaden, denkt sie. Da kommt ihr der verwitwete Kunstexperte Seitz gerade recht …

Beziehungen und Sorgen

Während Grete Vogt besonnen und strategisch vorgeht, um ihre Ehe zu retten, lässt sich Helen bedenkenlos auf eine Beziehung mit dem Mandanten ein. Sein aufdringliches Gebalze grenzt für meine Begriffe schon an Stalking, aber das scheint Geschmacksache zu sein.

Müsste nicht gerade eine Scheidungsanwältin wissen, dass sich frisch getrennte Eheleute oft zu schnell in eine neue Beziehung stürzen, um nicht allein sein zu müssen? Und dass das selten gut geht? Ihrer Anwaltskollegin Kerstin ist das klar und sie denkt sich ihren Teil. Einmischen würde sie sich aber nie. und sie hat ja auch ihre eigenen Sorgen. Was führt ihr Mann neuerdings für aggressionsgeladene Telefonate? Hat er berufliche Probleme, von denen sie nichts wissen darf, oder steckt etwas anderes dahinter?

Vier Frauen sortieren sich neu

So begleiten wir die Anwältinnen und ihre Mitarbeiterin durch ihren Arbeitsalltag, regen uns mit ihnen über umständliche Kollegen und unverschämte oder vollkommen unorganisierte Mandant*innen auf und fragen uns:

  • Wird Grete Vogt ihre Ehe retten können?
  • Was verheimlicht Kerstins Mann vor ihr?
  • Wird Helen mit Rainer Bosch endlich ihr Glück finden?
  • Und warum ist eigentlich Helens Nichte Sarah so Knall auf Fall aus New York weggegangen? Wirklich nur, weil sie in der teuren Metropole trotz eines guten Jobs finanziell auf keinen grünen Zweig kam?

Im Grunde passiert hier nichts atemberaubend Aufsehenerregendes, und doch verfolgt man gespannt, wie sich die verschiedenen Geheimnisse nach und nach auflösen und die Frauen ihr Leben neu ordnen. Es sind Alltagsgeschichten, aber die haben ihren Reiz. Auch wenn man keine „Dorftratschen“ ist, erscheint einem das Leben seiner Mitmenschen doch immer ein bisschen interessanter als das eigene, das man ja in- und auswendig kennt.

Am Schluss gibt’s noch ein paar unerwartete Wendungen und die Geschichte endet verblüffend schräg und frivol. Damit hätte ich nun gar nicht gerechnet! Schön, wenn ein Buch eine Vielleserin wie mich überraschen kann!

Die Geschichte spielt, wie gesagt, in München und Sprachpurist*innen werden zusammenzucken, wenn die Romanfiguren in der wörtlichen Rede dialekttypisch „größer/schneller/lieber wie“ sagen, wo es doch „als“ heißen müsste. So reden’s halt, die Leut‘! Solange sie nicht so schreiben …!

Gibt es eigentlich eine weibliche Entsprechung zu dem Begriff „Triumvirat“ (= ein Bund dreier Männer)? Diesen Begriff verwendet eine der Damen aus der Kanzlei scherzhaft für ihr Dreierbündnis. Wäre das dann ein Triumfeminat? Na, wie auch immer: Die drei Kolleginnen sind sympathisch, die Nichte auch, und sie sind einander eine große Stütze. Ich habe sie gerne durch ihre kleinen und großen Krisen begleitet. Nur die Männer in der Geschichte haben überwiegend genervt. 😉

Die Autorin

Die Autorin ist als Rechtsanwältin und Mediatorin im Familienrecht tätig. Sie hat zusammen mit anderen Autoren bereits erfolgreich zwei Fachbücher veröffentlicht. DIE KLEINE KANZLEI AM MARKT ist ihr erster Roman, den sie unter Pseudonym veröffentlicht. Elly Sellers lebt mit ihrer Familie in München.

Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
www.boxmail.de

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